Stromeyer (Unternehmen)
Das Unternehmen Stromeyer war in der Textilindustrie tätig.
Geschichte
Ludwig Stromeyer und Julius Landauer gründeten am 16. April 1872 in Romanshorn im Schweizer Kanton Thurgau die Zeltfabrik Landauer & Stromeyer. 1873 wurde das Unternehmen nach Konstanz in die Münzgasse verlegt, um auch auf dem deutschen Markt präsent zu sein. Zudem wurde an der Konstanzer Gasanstalt auf einem 4000 m² großen Gelände wasserdichte Stoffe produziert und gefärbt, Hauptabnehmer dieser Stoffe waren die Eisenbahnen und das Militär. 1878 stieg das Unternehmen in die Herstellung großer Zirkuszelte ein und eröffnete eine Weberei in Weiler im Allgäu. Im gleichen Jahr verließ Mitgründer Landauer das Unternehmen, aber erst drei Jahre später wurde der Unternehmensname (Firma) in L. Stromeyer & Co. geändert. 1885 wurde am Seerhein in Konstanz ein 150.000 m² großes Gelände aufgekauft und eine Fabrik gebaut, die Namensgeber für das Viertel Stromeyersdorf war. In der Folgezeit entstanden Zweigbetriebe in Hüfingen, Kreuzlingen, Mannheim, Markdorf und Überlingen.[1] Um die Jahrhundertwende arbeiteten rund 100 Mitarbeiter in Konstanz.
1910 zerstörte ein Brand Teile der Fabrik, beim Wiederaufbau und der Erweiterung wurde der heute unter Denkmalschutz stehende Wasserturm für die Brauch- und Löschwasserversorgung errichtet. Die das Firmengelände von Stromeyersdorf bis zuletzt prägende bauliche Gestaltung entstand zwischen 1905 und 1925. Mit Philipp Jakob Manz (1861–1936) hatte das Unternehmen einen der führenden Industriearchitekten dafür gewonnen.
Zwischen dem 22. August 1923 und dem 15. Januar 1924 gab das Unternehmen rund 57.000 Notgeldscheine in Werten von 100.000 bis 20 Milliarden Mark aus. Die gute Auftragslage machte es möglich, dass 1929 insgesamt 800 Menschen für Stromeyer arbeiteten. Insbesondere die Aufrüstung der Wehrmacht brachte weiteren Schwung in das Geschäft. Nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ demontierten die französischen Besatzer einen Teil des Maschinenparks.
Das Wirtschaftswunder brachte Stromeyer gute Geschäfte und renommierte Projekte. Unter anderem waren die Mitarbeiter während der Olympischen Sommerspiele 1972 für die Textilbauten verantwortlich. Neben neuartigen großformatigen Segeltuchkonstruktionen platzierte sich das Unternehmen mit pneumatisch aufspannbaren Sport- und Industriehallen am Markt. Um so unerwarteter war 1973 die Konkursanmeldung. Das Verfahren dauerte über acht Jahre und war das bis dahin längste Verfahren der Bundesrepublik. Die Produktion in Deutschland lief noch bis Ende 1984 weiter. Die endgültige Liquidierung kam 1986. Als Auskopplung machte die in Radolfzell ansässige Stromeyer Innovation GmbH bis 1990 weiter. Dann erwarb des ebenfalls im Textil- und Campinggeschäft tätige Unternehmen Mehler diese Firma. Mehler vertrieb nun das Zeltgeschäft unter dem Namen Mehler Stromeyer Camping GmbH. Das Ende dieser Firma in Radolfzell folgte im Jahr 2000, wobei die Sparte für Schwarzzelte der deutschen Pfadfinder- und Jugendbewegung aufgegeben wurde. Ehemalige Stromeyer-Mitarbeiter gründeten daraufhin in Radolfzell das Unternehmen Tortuga, das bis heute Campingzelte sowie die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg begonnene Stromeyer-Produktion von Schwarzzelten unter neuem Namen fortsetzt.
Im Jahr 1998 Jahre erwarb Mehler das 1908 gegründete tschechische Unternehmen Technolen technicky textil s.r.o. aus Lomnice nad Popelkou. Dort ließ Mehler Zelte unter der Marke Stromeyer vertreiben. Stromeyer ist inzwischen eine Herstellermarke von Technolen, heute immer noch eine Tochterfirma von Mehler. Da die Aktienmehrheit bei Mehler 1997/98 von der Beteiligungsgesellschaft KAP AG übernommen wurde, gehört auch Technolen zu diesem Konsortium. Der Neuanfang von Technolen und des ebenfalls tschechischen Textilherstellers Texlen im Jahr 2007, wieder mit Schwarzzelten unter dem Namen Stromeyer in Deutschland Fuß zu fassen, wurde von der Protect GmbH aus Essen begleitet. Diese Unternehmung war nicht von Erfolg gekrönt, daher wurde die Sparte Pfadfinder- und Jugendbewegung nach 2009 wieder aufgegeben.
Neuwerk eG
Nach dem Konkurs stand das Fabrikgelände in Konstanz kurzzeitig leer. Zwischenzeitlich gehörte das Gelände dem Bundesvermögensamt. Im Jahr 2000 kaufte die Genossenschaft Neuwerk das hundert Jahre alte Gebäudes der ehemaligen Stromeyer Zeltfabrik. Es wurde bis 2005 grundlegend saniert und erweitert. Heute vereinen sich auf rund 9000 m² Fläche Gewerbe, Handwerk, Hobby, Kunst und Kultur unter einem Dach.
Produkte und Projekte
Zu den Produkten von Stromeyer zählten Zelte (besonders Zirkuszelte), Überdachungen, Planen und Markisen, Decken, Kleidung, Rucksäcke sowie die konstruktive Planung von Großzeltprojekten.
Bekannte Großzeltprojekte waren das 1912 für das Sängerbundfest in Nürnberg erstellte, 20.000 Personen fassende Großzelt, im Jahr 1967 der Deutsche Pavillon der EXPO Montreal, 1967 bis 1972 mit Frei Otto die konstruktive Planung für die Bedachung des Olympiastadions in München, 1970 das Zeltdach des Naturtheaters Luisenburgbühne in Wunsiedel, sowie 1975 das in Uganda erstellte Rundzelt mit 40 Meter Durchmesser als Zeltkirche.
Weblinks
- "Ludwig Stromeyer: Eine Konstanzer Karriere", erschienen bei Warndorf Konzept, Text & PR am 2..11.09
- Internetpräsenz Stromeyer Hallen
- Internetpräsenz Stromeyer Planen
Einzelnachweise
- ↑ Dr. Jens-Uwe Rixen: Notgeldausgaben im badischen Bodenseegebiet 1914-1948, Abschnitt 12 Konstanz, L. Stromeyer und Co. In: „HEGAU“, Band 41/42, Singen (Hohentwiel), September 1986.
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Autor/Urheber: Dances with Waves, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Bleiche und Wasserturm der ehemaligen Industriesiedlung „Stromeyersdorf“ in Konstanz.
Zwischen 1905 und 1912 nach Plänen von Philipp Jacob Manz für das Konstanzer Textilunternehmen Stromeyer errichtet.
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Konzertmuschel im Stadtgarten Konstanz
Deutschland (D) - Baden-Württemberg (BW) - Landkreis Konstanz (KN) - Konstanz: Notgeldschein der "Stromeyer u. Co.", 1 Millionen Mark
Olympiastadion München vom Olympiaturm aus gesehen. Am linken Bildrand ist der Olympiasee zu sehen.