Strohkranzrede

Die Strohkranzrede ist eine scherzhaft-ernste, teilweise auch zweideutige oder vulgäre öffentliche, halböffentliche oder private Ansprache. Darin wird der Verlust der Jungfräulichkeit im Besonderen[1] und später auch der Verlust der Ehre im Allgemeinen[2] thematisiert und aufgezeigt und mehr oder weniger positiv bzw. witzig dargestellt.

Namensherkunft

Stroh ist ein Sammelbegriff für ausgedroschene und trockene Halme und Blätter von Pflanzen. Kranz entstammt aus dem althochdeutschen krenzen (umwinden) und dem mittelhochdeutschen Kranz, dessen Herkunft jedoch ungewiss ist. Die Rede selbst bezieht sich auf den Strohkranz als ein Symbol und Kennzeichen mit unterschiedlichem Begriffsinhalt (siehe unten).

Strohkranzrede im Besonderen

Im Mittelalter und noch in der Neuzeit wurde der Braut unter Umständen an ihrem zweiten Hochzeitstag, nach der Hochzeitsnacht, die Strohkranzrede gehalten. Dabei wurde zuvor ein Strohkranz[3] im Rahmen einer Scherzprozession von Junggesellen und Jungfern überreicht bzw. zu überreichen und aufzusetzen versucht, den diese aber ablehnte.[4] Die Strohkranzrede wurde von einem Bekannten oder Freund des Bräutigams gehalten[5] und teilweise als zweideutig bzw. als vulgär angesehen und abgelehnt, wobei dies unter Umständen auch gewollt war (siehe auch: Zote).[6]

Eine verwandte Form der Ansprache der Braut ist das Brautlied/-gedicht Epithalamium in der Antike, dass jedoch mit der Strohkranzrede keinen direkten Zusammenhang hat und auch vor der Hochzeitsnacht gehalten wurde (siehe jedoch: Fescenninische Verse). Nach Apollinaris Sidonius sei die Form des Brautliedes/-gedichtes auch in Franken, als barbaricus hymen, üblich gewesen.

Strohkranzrede im Allgemeinen

In weiterer Folge wurde der Strohkranz auch ein Zeichen des Tadels, der Schande und Entehrung im Allgemeinen und die damit verbundene Strohkranzrede erhielt eine weitere Bedeutung, um Menschen dem Spott auszusetzen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde so die Strohkranzrede in die Rhetoriktheorie übernommen.[7]

Goethe selbst soll[8] am Lustspiel Die deutschen Kleinstädter von August von Kotzebue, das in Weimar am Theater aufgeführt werden sollte und sich mit der kleinbürgerlichen Welt beschäftigte, Änderungen vorgenommen haben, um die Schärfe herauszunehmen. Dabei wurde von ihm unter anderem die Passage von Kotzebue:

„Warte nur, eine Ehrenpforte will ich Dir schreiben, ein Kunstwerk …“

in

„Warte nur! Eine Strohkranzrede sollst Du haben. Ja, sogleich will ich mich darauf vorbereiten. Eine Strohkranzrede ist eine schöne Gelegenheit, der ganzen Gesellschaft etwas abzugeben. Sie können sich sämmtlich in Acht nehmen!“

abgeändert. Aus diesem Zitat der Änderung von Goethe im Stück von Kotzebue ist ersichtlich, dass die Strohkranzrede damals bereits einen weiteren Bedeutungsinhalt hatte.

Siehe für eine weitere Bedeutung des Strohkranzes auch: Menhir von Kaltenwestheim.

Siehe auch

Literatur

  • Jakob Friedrich Bielfeld: Strohkranz-Rede bey einer hohen Vermählung am Königl. Preussischen Hofe. Leipzig 1742, online (anlässlich der Hochzeit des August Wilhelm am 7. Januar 1742 in Berlin mit Luise Amalie (1722–1780), Tochter des Herzogs Ferdinand Albrecht II. von Braunschweig-Wolfenbüttel).
  • J. v. D.: Strohkranzrede an die junge gnädige Frau von Kortum. Wolfenbüttel 1779.
  • Hans Degenknopf: Einem nagelneuen Weibe wird dis Blatt zum Zeitvertreibe, Nach der ersten Hochzeit-Nacht; Mit dem Stroh-Crantz überbracht, am 13. Novembris 1733.
  • Christian Fürchtegott Gellert: Die Strohkranzrede: besondere literarische Kleinode. Leipzig 2013, Engelsdorfer Verlag, Band 8, ISBN 978-3-95488-528-2.
  • Christian Friedrich Henrici: Ernst-Schertzhaffte und Satyrische Gedichte, Stroh-Kranz-Rede, Leipzig 1732, Band 3, S. 446 ff. (online).
  • Karl Friedrich Krobel: Strohkranzrede am zweyten Tage der Noack und Rosenkranzischen Eheverbindung vorgetragen und sämtlichen vornehmen Hochzeitgästen, Zittau 1787, online.
  • Hans Moser: Jungfernkranz und Strohkranz, in: Brauchtumsforschung, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 321–350.
  • H. Ass. R.: Strohkranzrede bei der silbernen Hochzeitsfeier des Nicolaischen Ehepaars. Berlin 1785.
  • Samuel Johann Ernst Stosch: Nedderdüdesche Strohkranß-Rede ut den nahgelatenen Papeeren eenes olden Mannes. 1793.

Einzelnachweise

  1. Gert Ueding. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2009, S. 192.
  2. Strohkranz. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden, 1854–1960. S. Hirzel, Leipzig (woerterbuchnetz.de).
  3. Der Strohkranz symbolisierte den Verlust der Jungfräulichkeit und ist erstmals im 13. Jahrhundert in Quellen in Deutschland, Frankreich und England belegt.
  4. Oekonomische Encyklopädie, Band 47, S. 703 f.
  5. Siehe z. B. die Strohkranzrede, die Johann Christoph Gottsched in seinem Werk: Gesammelte Reden, Band 9, Leipzig 1749, S. 624 ff und 631 ff, überlieferte.
  6. Erich Schmidt. In: Lessing, Sein Leben und seine Schriften. Georg Olms Verlag, Hildesheim/Zürich 1983, Band 1, S. 37.
  7. Gert Ueding. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2009, S. 193.
  8. Göthe und Kotzebuesdeutschen Kleinstädter. In: Weimarer Sonntagsblatt. Zeitschrift für Unterhaltung aus Literatur und Kunst, S. 111 f.