Strander Friesisch

Die Mundart Strander Friesisch war eine friesische Mundart, die ursprünglich auf der 1634 untergegangenen Insel Strand, deren Überreste die Inseln Pellworm und Nordstrand und die Hallig Nordstrandischmoor sind, gesprochen wurde. Das Strander Friesisch gehörte zur festlandfriesischen Gruppe der Nordfriesischen Sprache.

Geschichte

Auf der großen Insel Strand, zu der fünf Harden gehörten, wurde kein einheitlicher friesischer Dialekt gesprochen. Zumindest teilte Peter Sax (1597–1662) mit, dass in den Strander Kirchspielen Morsum, Hamm und Lith der Dialekt der Lundenbergharde verbreitet gewesen sei, zu der sie vor der Zweiten Marcellusflut 1362 gehört hatten.[1] Der Lundenberger Dialekt, zumindest der in Morsum, Hamm und Lith gesprochene, unterschied sich jedoch nur wenig vom Strander Friesisch, wie der Übersetzer des Kleinen Katechismus in seinem Vorwort schrieb.[2]

In der Burchardiflut 1634 verlor in Großteil der Einwohner der Insel Strand das Leben. Nur auf Pellworm gelang es den Einheimischen, die durchbrochenen Deiche zu erneuern und die überfluteten Köge zurückzugewinnen. Auf Nordstrand fehlte den Überlebenden die Mittel zur Wiedereindeichung, so dass immer mehr Land verloren ging. Nach dem Spatenrecht verloren sie damit ihr Eigentumsrecht, deshalb viele auswanderten oder sich auf den Halligen niederließen. Schließlich erhielten holländische Investoren einen Oktroy, die ihre eigenen Arbeiter aus ihrer Heimat in den neugewonnenen Kögen ansiedelten. Daraufhin verließen auch die meisten verbliebenen Einheimischen die Insel. Auf Nordstrand starb das Friesische daher schon im 17. Jahrhundert aus.

Auf Pellworm hingegen hat sich das Friesische bis in das 18. Jahrhundert gehalten. Um 1757 konnte der Husumer Bürgermeister, Advokat und Stadtchronist Johann Laß noch über Pellworm schreiben: "Die Einwohner reden unter sich mehrentheils die fresische Sprache, sonst sind sie aber der deutschen eben so mächtig, als der benannten Sprache. Jn den Kirchen wird allezeit hochdeutsch geprediget."[3] Auch in Büschings 1752 erschienener Beschreibung der Herzogtümer Schleswig und Holstein wird Pellworm noch zum friesischen Sprachgebiet gerechnet.[4] In der ersten Hälfte des 19. Jhs. muss sich das Niederdeutsche jedoch auf Pellworm durchgesetzt haben. Um 1840 konnte Hans Nicolai Andreas Jensen nur noch schreiben: "das Friesische hat sich verloren aus Eiderstedt, von Pellworm und Nordstrand..."[5] Einzelne Personen auf Pellworm sind aber noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts des Friesischen mächtig gewesen.[6]

Außerdem brachten Auswanderer das Strander Friesisch nach Wyk auf Föhr mit, wo es neben dem einheimischen Fering bis in das 19. Jahrhundert gesprochen wurde. Um 1757 berichtete ein Beobachter noch über die sprachlichen Verhältnisse auf Föhr: "Jn Sonderheit ist der größte Unterschied zwischen der Sprache derer, die auf dem Lande und dem Flecken Wigk wohnen, zu merken. Daher denn auch allhier diese die "fresche", jene aber die föhringsche Sprache genannt wird."[7] Um 1901 jedoch konnte Theodor Siebs nur noch feststellen: "Die Mundart des alten Nordstrand, jetzt - vermute ich - ausgestorben; vor 12 Jahren lebte sie noch bei einigen alten auf Föhr wohnenden Ansiedlern, und dort habe ich Aufzeichnungen nach dem Munde des (damals etwa 80 Jahre alten, jetzt verstorbenen) Pastor Frerks gemacht."[8]

Ebenso wie die ausgestorbene Wyker Mundart ist das Halligfriesische als Fortsetzung des Strander Friesisch zu betrachten.

Quellen

Das wichtigste Literaturdenkmal des Strander Friesisch ist eine Übersetzung des Kleinen Katechismus von Martin Luther, die um 1600 entstanden ist. In Strander Friesisch ist außerdem das Spottlied Hans Tadesen gieng awer die Marcke schnaer verfasst.

Daneben sind der Miren-söngh (Morgengesang) und der Een-Söngh (Abendgesang), die der von Nordstrand stammende Pastor Anton Heimreich (1626–1685), wiedergibt, zu nennen. Beides sind Übertragungen ursprünglich hochdeutscher geistlicher Lieder.[9]

Als falsch hat sich die auf Neocorus zurückgehende Behauptung erwiesen, die Umschrift des Taufbeckens in der St.-Clemens-Kirche in Büsum, das ursprünglich von Pellworm stammen soll, wäre in friesischer Sprache verfasst.[10]

Literatur

  • Anton Heimreich: Yn Miren-Söngh, Yn Een-Söngh. In: M. Antoni Heimreichs ernewrete NordFresische Chronick. In der Fürstl. Druckerey gedruckt durch Johann Holwein, impensis autoris, Schleßwig 1668 (slub-dresden.de [abgerufen am 22. August 2022]).
  • Otto Bremer: Pelwormer Nordfriesisch. In: Niederdeutsches Jahrbuch. Band 15, 1889, S. 104–105 (archive.org [abgerufen am 22. August 2022]).
  • Ferdinand Holthausen: Nordfriesische Studien : 1. Nordstrander Sprachproben. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur und Sprache (PBB). Band 45, 1921, S. 1–4 (archive.org [abgerufen am 22. August 2022]).
  • Beitrag zur Kenntniß der friesischen Sprache. Geschrieben im Jahr 1757; mitgetheilt von Herrn Organisten Peters in Wrixum auf Föhr, in: Staatsbürgerliches Magazin, mit besonderer Rücksicht auf die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Band 5, 1826, S. 739–745, urn:nbn:de:gbv:8:2-6424462.
  • Dietrich Hofmann: Der alte friesische Dialekt von Wyk auf Föhr, in: Fryske Studzjes (Festschrift J.H. Brouwer). Assen : Van Gorcum, 1960. S. 267–277
  • Dietrich Hofmann: Der alte friesische Dialekt von Wyk auf Föhr, in: Gesammelte Schriften II : Studien zur Friesischen und Niederdeutschen Philologie. Hamburg : Buske, 1989. S. 128–138
  • Tanno Hüttenrauch: The Lord´s Prayer in all Dialects of North Frisian. Das Vaterunser in allen Nordfriesischen Dialekten. 2021 (archive.org [abgerufen am 22. August 2022]).
  • Walther Ziesemer: Nordfriesischer Katechismus in Strander und Föhringer Mundart. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Band 48, 1922, S. 53–74 (archive.org [abgerufen am 22. August 2022]).

Einzelnachweise

  1. Walther Ziesemer: Nordfriesischer Katechismus in Strander und Föhringer Mundart. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Band 48, 1922, S. 53–74; S. 55 (archive.org [abgerufen am 22. August 2022]).
  2. Walther Ziesemer: Nordfriesischer Katechismus in Strander und Föhringer Mundart. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Band 48, 1922, S. 53–74; S. 54 und 56 (archive.org [abgerufen am 22. August 2022]).
  3. Johannes Laß: Besondere Nachrichten von Nordstrand aufgeschrieben von Johann Laß aus Husum, 1757, in: Vermischte historisch-politische Nachrichten in Briefen von einigen merkwürdigen Gegenden der Herzogthümer Schleßwig und Hollstein, ihrer natürlichen Geschichte und andern seltenen Alterthümern : 1 / gesammelt von Johann Friedrich Camerer. - Flensburg und Leipzig bey Johann Christoph Korte, 1758. S. 330. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 24. August 2022]).
  4. Anton Friedrich Büsching: Kurzgefassete Staats-Beschreibung der Herzogthümer Holstein und Schleswig. Hamburg, bey Johann Carl Bohn. 1752. S. 104. (uni-goettingen.de [abgerufen am 24. August 2022]).
  5. Hans Nicolai Andreas Jensen: Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig : Band 1. - Flensburg. Druck und Verlag von A. S. Kastrup. 1840. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 24. August 2022]).
  6. Otto Bremer: Zeugnisse für die frühere Verbreitung der nordfriesischen Sprache. In: Niederdeutsches Jahrbuch. Band 15, 1889, S. 102. (archive.org [abgerufen am 24. August 2022]).
  7. Das Herzogtum Schleswig in seiner ethnographischen und nationalen Entwicklung : 1. Abteilung. Von August Sach. Halle a.S., Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, 1896. S. 267. (archive.org [abgerufen am 24. August 2022]).
  8. Theodor Siebs: Geschichte der friesischen Sprache, in: Grundriss der Germanischen Philologie : erster Band / herausgegeben von Hermann Paul. - Verbesserte und vermehrte Auflage. - Strassburg : Karl J. Trübner, 1901. - S. 1170. (archive.org [abgerufen am 24. August 2022]).
  9. Ferdinand Holthausen: Nordfriesische Studien : 1. Nordstrander Sprachproben. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur und Sprache (PBB). Band 45, 1921, S. 1–4; S. 1 (archive.org [abgerufen am 22. August 2022]).
  10. A. von Zahn: Taufbecken in Büsum. In: Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst. Band 2, 1858, S. 229–231 (archive.org [abgerufen am 22. August 2022]).