Straßenbahn Lübeck

stillgelegte Straßenbahn
Straßenbahn Lübeck
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Wagen der Lübecker Straßenbahn 1905 auf der Van-Höveln-Straße kurz vor der Marli-Straße
Basisinformationen
StaatDeutschland
StadtLübeck
Eröffnung1881
Elektrifizierung1894
Stilllegung15. November 1959
BetreiberLübecker Straßenbahn
Infrastruktur
Spurweite1100 mm
Betrieb
Linien15
Netzplan
Netzplan
Das Netz der Lübecker Straßenbahn im Jahr 1934 mit Eröffnungs- und Stilllegungsdaten der elektrifizierten Strecken
Innenansicht eines Wagens um 1905
Wagenhalle in der Finkenstraße um 1911
Das Innere einer Wagenhalle
Lazarettwagen im Ersten Weltkrieg
Denkmal (1935) für die gefallenen Straßenbahner vor dem einstigen Areal des Depots im Stadtteil St. Gertrud, Roeckstraße
Überführung am 26. September 1959 zur Verschrottung, Aufnahme Moislinger Allee, stadtauswärtsfahrend
ehem. Wendeschleife der Linie 15 am Markt in Schlutup (2022)
Schiene in der Beckergrube (2023)

Die Straßenbahn Lübeck in der Hansestadt Lübeck bestand von 1881 bis 1959. Die Spurweite der Lübecker Straßenbahn betrug von Anfang an – wie bei der Straßenbahn in Kiel und Braunschweig – 1100 mm und geht zurück auf die metrische Umrechnung der 3½ englischen Fuß oder 42 englischen Zoll Schienenkopfinnenabstand der Kapspur, was exakt 1067 Millimetern sind.

Geschichte

In der damals etwas über 50.000 Einwohner zählenden Stadt hatte im Dienste der Allgemeinheit Hermann Wilhelm Fehling die Errichtung einer Pferdebahn in die Wege geleitet.[1] Die Strecke führte vom Kolosseum an der Kronsforder Allee über Mühlenstraße, Breite Straße, Koberg, Große Burgstraße zum Tannenhof an der Israelsdorfer Allee, mit einem Abzweig zur Roeckstraße, wo eine Stallung errichtet wurde.[2] Am 30. April 1881 wurde auf einer ersten Teilstrecke der Verkehr aufgenommen, die gesamte Strecke wurde kurze Zeit später nach Beendigung der Bauarbeiten am 15. Mai festlich eröffnet. Am 7. Juni folgte eine Zweigstrecke vom Markt über die Holstentorbrücke und den Lindenplatz in die Fackenburger Allee (Höhe Waisenhof) und die Moislinger Allee (Höhe Lachswehrallee) bei der V. St.-Lorenz-Schule[3]. Dabei wurde an der Possehlstraße die Lübeck-Büchener Eisenbahn höhengleich gekreuzt. Durch Übernahme von Zinsgarantien konnten die Bürger erreichen, dass letztere Strecke nicht nur erhalten, sondern sogar zur Finkenstraße verlängert werden konnte. Der Betrieb war nur am Anfang rentabel. Nach Erweiterung des Streckennetzes konnte nach 1882 keine Dividende mehr ausgezahlt werden. 1893 wurde die Lübecker Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft durch eine Berliner Gesellschaft übernommen, um den Betrieb als elektrische Straßenbahn zu führen. Dazu wurde die Betriebsführung der „Allgemeinen Lokal- und Straßenbahn AG“ (ALSAG) in Berlin übertragen, die die Strecken elektrifizierte und den Verkehr durchführte. Am 12. Mai 1894 wurde der Betrieb auf der ersten Linie aufgenommen. Die Wagen verkehrten im Einmannbetrieb mit Zahlkästen. Für die elektrischen Fahrzeuge wurde gegenüber der bisherigen Halle an der Roeckstraße ein neues Depot errichtet.

Für die Deutsch-Nordische Handels- und Industrie-Ausstellung entstand 1895 auf dem Marlier Feld eine „Ausstellungsbahn“, die vom 21. Juni bis Mitte Oktober betrieben wurde.

Die ALSAG bot die auf sie konzessionierte Straßenbahn nach einigen Verhandlungen mit der Stadt Lübeck im Jahr 1902 zum Kauf an. Es kam allerdings keine Einigung zustande. Damit der Bau einer Strecke vom Bahnhof nach Marli, die die ALSAG für unrentabel hielt, durchgeführt werden konnte, erhielt der Baurat Ferdinand Wallbrecht als Eigentümer mehrerer dort gelegener Baugrundstücke die Konzession zum Bau und Betrieb der „Marlibahn“ von der Untertrave über Beckergrube, Königstraße, Hüxstraße, Moltkestraße zur Kaserne auf Marli. In der späteren Goebenstraße, an der Endhaltestelle auf Marli, stand von 1905 bis 1925 eine weitere Wagenhalle. Am 9. Juni 1905 wurde der Betrieb auf der 4,2 km langen Strecke eröffnet, die als „Lübecker Straßenbahn“ firmierte. Auch hier verkehrten Einmannwagen, allerdings mit einer Art Automat, der die Fahrkarten ausgab. Diese Strecke war entgegen den Erwartungen der ALSAG rentabel. Die neue Bahn wurde 1908 von der Stadt Lübeck für 380.000 Mark gekauft.

Nach weiteren Verhandlungen zwischen ALSAG und der Stadt Lübeck einigte man sich 1909 auf den Kauf der ALSAG-Straßenbahn für 3,6 Millionen Mark. Ab dem 1. April 1909 wurde der gesamte Straßenbahnbetrieb als städtische „Lübecker Straßenbahn“ geführt. Lindner entwickelte sich zu ihrem „Hauslieferanten“.[4]

Es wurden nun weitere Linien eröffnet: 1911 zum Moislinger Baum, zum Vorwerker Friedhof, zur Ratzeburger Allee und zur Hansastraße, die den inneren Stadtbereich gut erschlossen. 1912 wurden Überlandlinien nach Kücknitz mit Zweigstrecke nach Schlutup (1914) sowie nach (Bad) Schwartau eröffnet. Die Zahl der Einwohner war bedingt durch die Industrialisierung auf über 100.000 gestiegen. Bis 1914 wuchs das Streckennetz auf 15 Linien an. Die bereits geplante Verlängerung von Kücknitz nach Travemünde unterblieb wegen des Ersten Weltkrieges und der sich anschließenden Notzeiten. Ein neuer Betriebshof mit Werkstatt wurde an der Finkenstraße errichtet.

1924 eröffnete eine Strecke nach Herrenwyk, 1925 gab es Streckenverlängerungen in der Ratzeburger Allee, Kronsforder Allee, Fackenburger Allee und 1926 nach Moisling. Damit war die größte Ausdehnung des Netzes erreicht.

Die ersten Eigenbauten erhielt die Flotte in Form von zwei Beiwagen im Jahr 1914. Zur Beförderung der Schlutuper Fischfrauen und ihrer Fischkörbe konstruierte man zuerst zwei Wagen (166, 167) die mit Mitteleinstieg und Längsbänken versehen waren. Umgangssprachlich wurden diese Wagen „Zeppelinwagen“ genannt, im offiziellen Sprachgebrauch hießen sie „Fischwagen“. Ein dritter entstand 1916. Zu Beginn des Weltkrieges wurden die ersten beiden Wagen zu Lazarettwagen umgerüstet. Alle drei Wagen wurden 1949 ausgemustert.

Ab 1925 betrieb die Straßenbahn auch Buslinien. In den 1930er Jahren wurde wie in vielen anderen Städten auch ein vollständiger Ersatz der Straßenbahn durch Omnibusse geplant, auch bedingt durch die engen Straßen in der Altstadt. Die Strecken Richtung Marli, Vorwerker Friedhof, Landgraben, Hansering und Ostkrankenhaus wurden stillgelegt. Die sich zuspitzende politische Lage verbot weitere Einstellungen, durch die Abgabe von Bussen an die Wehrmacht musste der Straßenbahnverkehr teilweise wieder aufgenommen werden. Infolge des Luftangriffs auf Lübeck am 29. März 1942 war der Straßenbahnverkehr unterbrochen, nach wenigen Tagen wurden die Strecken nach Kücknitz, Herrenwyk und Schlutup aber wieder befahren, und im Laufe des Mai waren auch die Strecken der Altstadt wieder befahrbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde noch eine neue Strecke in die Hirtenstraße eröffnet und die Strecke zum Landgraben reaktiviert.

Mit der Zunahme des motorisierten Individualverkehrs verlor die Straßenbahn immer mehr Fahrgäste. Die hinsichtlich der Kapazität kleineren und flexibler einsetzbaren Busse des heutigen Stadtverkehrs Lübeck lösten die Straßenbahn nach und nach ab. So wurden ab Mitte der 1950er Jahre weitere Strecken stillgelegt. 1955 wurde der Betrieb auf der Strecke nach Moisling eingestellt, 1957 die Streckenäste in Richtung Landgraben und Hirtenstraße. Der Rest des Netzes blieb bis zum 15. November 1959 in Betrieb. Die neueren Wagen wurden zum benachbarten Straßenbahnbetrieb Kiel und zur Straßenbahn in Braunschweig abgegeben. Die dortigen Straßenbahnbetriebe hatten/haben die gleiche Spurweite.

Debatten um die Wiedereinführung eines Straßenbahnsystems in Lübeck wurden in der Vergangenheit, dem internationalen Trend seit den 1990er Jahren folgend, immer wieder geführt. Sie haben bislang jedoch keinerlei Ergebnisse erbracht, da auch der politische Wille zu dem Thema uneinheitlich ist. 2010 wurden 120.000 Euro für ein Gutachten zu der Problematik bewilligt.

Offene Gleisreste der früheren Straßenbahn sind nur sehr vereinzelt zu finden, unter anderem am Schlutuper Markt. Unter einigen Straßenbelägen befinden sich noch Gleise, die teilweise bei Sanierungsarbeiten sichtbar werden oder durch charakteristische Spurrillen im Asphalt erkennbar sind. Im Innenstadtbereich gibt es nach wie vor zahlreiche Oberleitungsrosetten an alten Gebäuden. Außerhalb der Altstadt existiert zudem noch das 1938 errichtete Transformatorenhaus an der Travemünder Allee, dessen geschnitzter Giebelschmuck im Stil der nationalsozialistischen Zeit zu großen Teilen erhalten ist.

Liniennetz

Nach Einführung von Liniennummern am 1. Februar 1911 gab es folgende Linien:

Straßenbahnnetz um 1910
LinieStrecke
1Markt – Moislinger Allee
2Schwartauer Allee – Bahnhof – Markt – Mühlentorplatz – Ratzeburger Allee
3Israelsdorfer Allee – Markt – Mühlentorplatz – Cronsforder Allee
4Betriebshof Roeckstraße – Burgtor – Breite Straße – Mühlentorplatz – Cronsforder Allee
5Marlistraße – Moltkeplatz – Hüxstraße – Markt – Fackenburger Allee – Krempelsdorf
6Moltkeplatz – Hüxstraße – Beckergrube – Bahnhof
7Fackenburger Allee – Vorwerker Friedhof

Literatur

  • Straßenbahn-Magazin: Ausgabe 12/2009, Lübecker Tram-Geschichte: Als die Außenlinien kamen.
  • 75 Jahre Verkehrsbetriebe Lübeck. Stadtwerke Lübeck (Herausg.), Lübeck, Mai 1956.
  • Wolf-Rüdiger Saager, Lutz Bartoschek, Thomas Saager: 125 Jahre Nahverkehr Lübeck: ein Streifzug durch die Geschichte. Stadtverkehr Lübeck GmbH, Lübeck 2006 (ohne ISBN).
  • Dieter Waltking: Straßenbahnen in Deutschland. Alba-Verlag, Düsseldorf 1969.
  • Straßenbahn-Magazin: Ausgabe 11/2009, Seit einem halben Jahrhundert Geschichte: Die Straßenbahn in Lübeck.
  • Straßenbahn-Magazin: Ausgabe 01/2010, Geschichte: Schrumpfkurs ab 1935.
  • Jan Zimmermann: St. Gertrud. Ein photographischer Streifzug 1860–1945. Bremen 2007.
  • Wolf-Rüdiger Saager: 100 Jahre Nahverkehr in Lübeck. Stadtwerke Lübeck (Herausg.) in Zusammenarbeit mit dem Verein Lübecker Verkehrsfreunde e.V. (VLV), Lübeck 1981.

Weblinks

Commons: Straßenbahn Lübeck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hermann Wilhelm Fehling. In: Lübeckische Blätter, 49. Jg., Nummer 50, Ausgabe vom 15. Dezember 1907, S. 709.
  2. Als diese später zu klein wurde, diente sie der Feuerwehr als Gebäude.
  3. Luther-Schule
  4. Wolf-Rüdiger Saager: 100 Jahre Nahverkehr in Lübeck. Stadtwerke Lübeck (Herausg.) in Zusammenarbeit mit dem Verein Lübecker Verkehrsfreunde e.V. (VLV), Lübeck 1981, S. 60

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Symbol: stillgelegte Straßenbahn
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Innenansicht der Wagen der Lübecker Straßenbahn Bahnhof-Marli
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Außenansicht der zusätzlichen Wagenhalle in der Finkenstraße
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Das Liniennetz der Lübecker Straßenbahn 1934 mit Eröffnungs- und Stilllegungsdaten der Streckenäste

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Straßenbahn am 26.9.1959 in der Moislinger Allee stadtauswärts fahrend, letzte Fahrt zum Depot in der Finkenstraße
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Innenansicht der zusätzlichen Wagenhalle in der Finkenstraße in der Länge.
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Ehrenmal am Straßenbahndepot.

Ehrenmal am ehem. Straßenbahndepot in Lübeck (Foto: August 2009) Vom ehemaligen Straßenbahndepot des Stadtverkehr Lübeck in der Roeckstraße hat sich nur das Kriegerdenkmal für die gefallenen Lübecker Straßenbahner des Ersten Weltkrieges neben der Pförtnerei des ehemaligen Betriebsgeländes erhalten.

Entstehung: 1935. Material: Stahl auf gemauerter Ziegelstele, die einzelnen Backsteine enthalten als Relief die Namen der Gefallenen und das Entstehungsjahr des Denkmals. Standort: Roeckstraße
HL Damals – Straßenbahnnetz – 1910.JPG
Straßenbahnnetz samt allen Linien der Lübecker Straßenbahn im April 1910.
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Teil der 1959 stillgelegten Straßenbahn in der Beckergrube Höhe Possehlhaus.
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Wendeschleife der 1959 stillgelegten lübeckischen Straßenbahnlinie 15 am Markt in Schlutup.
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Transport deutscher Verwundeter in Lübeck mit den ehemaligen Fischwagen ins Barackenlazarett
HL Damals – StB BHF-Marli.jpg
Wagen der Lübecker Straßenbahn Bahnhof-Marli; Anmerkung: Point of view: Van-Höveln-Straße kurz vor der Marlistraße