Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Stickstoff (lateinischNitrogenium) ist ein chemisches Element mit der Ordnungszahl 7 und dem Symbol N. Im Periodensystem steht es in der fünften Hauptgruppe bzw. der 15. IUPAC-Gruppe oder Stickstoffgruppe sowie der zweiten Periode. Das Symbol N leitet sich von der lateinischen Bezeichnung nitrogenium ab (von altgriechischνίτρονnítron „Laugensalz“ und -gen, meist als „Salpeterbildner“ übersetzt). Die deutsche Bezeichnung Stickstoff erinnert daran, dass molekularer Stickstoff Flammen durch Verdrängen von Sauerstoff löscht („erstickt“) und dass in reinem Stickstoff Lebewesen ersticken, weil Sauerstoff fehlt. Ältere Bezeichnungen sind Azot oder Azotum, von denen sich weiterhin der Name einiger Stickstoffverbindungen ableitet, Stickgas und Zoogenium.
Elementar tritt Stickstoff in der Regel nur in Form zweiatomiger Moleküle auf (molekularer Stickstoff, auch Distickstoff, Summenformel N2) und ist mit 78 % der Hauptbestandteil der Luft. In der Erdkruste kommt anorganisch gebundener Stickstoff selten vor; von Bedeutung ist er nur in Salpetervorkommen.
Natürlich vorkommende chemische Verbindungen des Stickstoffs, wie Nitrate und Ammoniumsalze, wurden schon in der Antike und von den Alchimisten verwendet. Beide Verbindungstypen kann man neben ihrem Vorkommen als Mineralien auch aus Exkrementen herstellen. So stellten die Ägypter beispielsweise Ammoniumchlorid (Salmiak) aus Kamelmist her und Salpeter wurde lange Zeit aus dem Boden von Ställen gewonnen. Carl Wilhelm Scheele wies 1771 Stickstoff als Bestandteil der Luft nach – er bezeichnete ihn als „verdorbene Luft“ – und wurde im Jahr 1772 von Daniel Rutherford bestätigt.[10]Antoine de Lavoisier gab dem Gas den Namen azôte (von altgriechischἄζωτοςázōtos „das Leben nicht unterstützend, lebensfeindlich“, also „erstickender, das Leben nicht unterhaltender Stoff“).[11]Jean-Antoine Chaptal führte den Namen nitrogène 1790 ein (von lateinischnitrogenium), nachdem man erkannt hatte, dass der Salpeter und die Salpetersäure Stickstoff-Verbindungen sind.[12] Daher stammt die übliche Übersetzung „Salpeterbildner“ (nitrogenium ist abgeleitet von altgriechischνίτρονnítron „Laugensalz“, das in der Antike verschiedene Salze im modernen Sinn bezeichnete – vergleiche die anfänglichen Ausführungen zur Geschichte des Natriums –, und -gen, gemeinsam „[Laugen-]Salzbildner“).[11] Reiner Ammoniak wurde erstmals im Jahr 1774 von Joseph Priestley dargestellt.[13] Dass Luft Sauerstoff und Stickstoff in einem konstanten Verhältnis von etwa 1:4 enthält hatte Henry Cavendish 1783[14] erkannt.
Schon im 19. Jahrhundert erkannte man, dass ein großer Teil der pflanzlichen Materie Stickstoff enthält und er ein wichtiges Bauelement aller Lebewesen ist. Er ist das wesentliche Element der Proteine und Proteide und der DNS. Stickstoff ist daher auch Baustein aller Enzyme, die den pflanzlichen, tierischen und menschlichen Stoffwechsel steuern. Stickstoff ist für das Leben auf der Erde unentbehrlich.
Stickstoff in der Luft
Die Lufthülle der Erde besteht zu 78,09 Vol-% (75,53 % Gewichtsanteil) aus molekularem Stickstoff (Distickstoff N2). Lediglich eine kleine Anzahl von Mikroorganismen kann ihn nutzen, ihn in ihre Körpersubstanz einbauen oder auch an Pflanzen abgeben. Pflanzen können, soweit bekannt, den gasförmigen Stickstoff der Luft nicht unmittelbar nutzen. Die Überführung in eine Form, die von den Pflanzen verwertbar ist, geschieht durch:
Knöllchenbakterien: Diese Bakterien dringen in die Wurzeln der sogenannten Leguminosen ein. Sie ernähren sich von den Assimilaten der Pflanze. Im Tausch dafür liefern sie der Wirtspflanze Ammonium. Dieses wurde durch ein spezielles Enzym, der Nitrogenase, unter hohem Energieaufwand aus dem Luftstickstoff reduziert. Diese Lebensgemeinschaft ist eine Symbiose. Sie ermöglicht den Leguminosen die Besiedelung auch schlechter Standorte, weshalb der Mensch diese Pflanzen insbesondere im ökologischen Landbau zur Anreicherung des Bodens mit Stickstoff nutzt. Hier stellen Leguminosen die Hauptstickstoffquelle dar.
Freilebende Mikroorganismen: Die nichtsymbiotische Stickstoffbindung beruht auf der Fähigkeit einiger freilebender Mikroorganismen (zum Beispiel Azotobacter und Cyanobakterien), Luftstickstoff zum Aufbau von körpereigenen Proteinen zu verwenden. Bei ackerbaulicher Nutzung wird die Größenordnung der Bindung von atmosphärischem Stickstoff durch freilebende Mikroorganismen mit 5–15 kg/ha und Jahr angenommen.
Elektrische Entladung bei Gewittern: In niederschlagsreichen Gebieten können jährlich 20–25 kg N pro ha durch Regen dem Boden zugeführt werden. Das geschieht bei elektrischen Entladungen, wenn sich Sauerstoff und Stickstoff zu Stickstoffoxiden verbinden. Letztendlich reagieren diese Oxide mit dem Regenwasser zu Salpetersäure und im Boden können Nitrate entstehen.
Ammoniaksynthese: Die Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch haben zu Anfang des 20. Jahrhunderts ein Verfahren entwickelt, mit dem aus Luftstickstoff und WasserstoffAmmoniak hergestellt werden kann. Die durch das Haber-Bosch-Verfahren möglich gewordene Nutzung des Stickstoff der Atmosphäre hat zur wesentlichen Ertragssteigerung landwirtschaftlicher Produktionen beigetragen. Die Ernährungssicherung konnte damit wesentlich verbessert werden. Die Pflanze baut aus dem aufgenommenen Ammoniak pflanzliche Proteine auf, die Mensch und Tier als Nahrung und zum Aufbau der eigenen Körperproteine dient. Im menschlichen und tierischen Organismus werden die Proteine zum großen Teil wieder abgebaut und mit dem Kot und Harn ausgeschieden. Zum heutigen Zeitpunkt wurde im Schnitt bereits jedes dritte Stickstoffatom in der Biosphäre einmal von der Düngemittelindustrie verarbeitet.[17]
Autoabgase: Durch die Verbrennung fossiler Energieträger (Benzin, Diesel) werden durch den Autoverkehr Stickstoffverbindungen freigesetzt. Bei dem Verbrennungsvorgang entstehen Stickoxide (NOx, vor allem Stickstoffdioxid NO2, aber auch Stickstoffmonoxid NO und andere NOx-Verbindungen). In der Vergangenheit wurden diese direkt in die Umgebung entlassen. Heutzutage besitzen Autos Katalysatoren, welche diese Verbindungen reduzieren: NOx wird im Katalysator zu Ammoniak reduziert. Dieses wird im Beisein von Wasser in Ammonium umgewandelt (Ammoniak/Ammonium-Gleichgewicht in angesäuerter Lösung: NH3 + H3O+ ⇔ NH4+ + H2O). Sowohl die oxidierten als auch die reduzierten Stickstoffverbindungen werden über die Luft verfrachtet und tragen zu einem beträchtlichen Teil zur Eutrophierung benachbarter Ökosysteme bei.
Stickstoff im Boden
In der Ackerkrume (A-Horizont) liegen meist mehr als 95 % des Gesamtstickstoffs als organisch gebundener Stickstoff in lebender Wurzelmasse, abgestorbener Pflanzenmasse, Humusstoffen und Bodenlebewesen vor. Der Rest von weniger als 5 % ist anorganischer Stickstoff in Form von Ammonium oder Nitrat und in sehr geringer Menge in Form von Nitrit. Dieser mineralische Stickstoffgehalt wird im Frühjahr vor der Düngung mit der Nmin-Methode bestimmt. Der Gesamtstickstoffgehalt der Böden ist stark von deren Kohlenstoffgehalt abhängig. Er wird durch Klima, Vegetation, Bodenart, Geländegestalt und Maßnahmen des Landwirts, wie Bodenbearbeitung, beeinflusst.[18]
Stickstoff in Pflanzen
Aufgaben in der Pflanze
Stickstoff wird in die Photosyntheseprodukte eingebaut, um unter anderem Eiweiße herzustellen, und fördert so das Wachstum. Eine wichtige Bedeutung kommt dem Stickstoff als essentieller Bestandteil der Desoxyribonukleinsäure und des Chlorophylls zu. Je nach Art liegt der Anteil der Trockensubstanz bei 2–6 %, oder bei durchschnittlich 1,5 %.[19] Die Aufnahme des Stickstoffs erfolgt meist in Form von Ammonium- oder Nitratsalzen.
Mangelsymptome
kümmerlicher Wuchs
blassgrüne Farbe der Blätter. Ältere werden chlorotisch und fallen vorzeitig ab.
zu frühes Blühen (Notblüte)
Vergilbungen
Überschusssymptome
Mastiger Wuchs
Blätter dunkelgrün
Blüte verzögert
Pflanze frost- und krankheitsanfällig
Blattgewebe wirkt schwammig und weich
Stickstoff als Mineral
In der Natur wurde erstmals kristalliner Stickstoff als Einschluss in Diamant in den Flusssedimenten des São Luís Rivers nahe Juína in Brasilien entdeckt. Das in orthorhombischer Struktur kristallisierende Allotrop von Stickstoff (auch δN) wurde von seinen Erstbeschreibern Oliver Tschauner, Oded Navon und Christian Schmidt als Deltanitrogen bezeichnet und von der International Mineralogical Association (IMA) unter der Eingangs-Nr. 2019-067b als eigenständige Mineralart anerkannt.[20][21]
Da Deltanitrogen erst 2019 als anerkannt wurde, ist das Mineral weder in der zuletzt 2009 aktualisierten 9. Auflage der Mineralsystematik nach Hugo Strunz noch in der zuletzt 2018 überarbeiteten Lapis-Systematik nach Stefan Weiß verzeichnet. Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana kennt den Deltanitrogen noch nicht.
Die von der Mineraldatenbank „Mindat.org“ weitergeführte Strunz-Klassifikation in der 9. Auflage (auch Strunz-mindat) ordnet Deltanitrogen in die Klasse der „Elemente“ und dort in die Abteilung der „Halbmetalle (Metalloide) und Nichtmetalle“ (englischMetalloids and Nonmetals; vergleiche auch gleichnamige Abteilung der Strunz-Klassifikation). Eine weitere Eingruppierung in eine bestimmte Unterabteilung bzw. Stroffgruppe fand bisher nicht statt (Stand 2024).[22]
Gewinnung und Darstellung
Primär wird Stickstoff heute durch die fraktionierte Destillation verflüssigter Luft in Luftzerlegungsanlagen nach dem Linde-Verfahren mit einer Reinheit von bis zu 99,99999 % gewonnen. Stickstoff mit Verunreinigungen unter 1 ppb erfordert zusätzliche Reinigungsschritte. Für das Entfernen des verbliebenen Sauerstoffs existiert eine biologische Methode unter Verwendung von Reiskeimlingen.
Schematischer Aufbau des Membranverfahrens
Stickstoff mit einem Reinheitsgrad von ca. 99 % wird wesentlich kostengünstiger durch mehrstufige Adsorption/Desorption an Zeolithen erhalten. Eine weitere Methode zur dezentralen Gewinnung von Stickstoff ist das Membranverfahren. Hierbei wird Druckluft mit einem Druck von 5 bis 13 bar durch eine Kunststoffmembran gepresst. Die Diffusionsgeschwindigkeit von Stickstoff und Argon durch diese Membran ist deutlich langsamer als jene von Sauerstoff, Wasser und Kohlendioxid, dadurch wird der Gasstrom auf der Innenseite der Membran mit Stickstoff angereichert. Durch Anpassung der Durchströmgeschwindigkeit kann die Reinheit des Stickstoffs gesteuert werden (bis 99,995 % bei Kleinstmengen, 99 % bei industriellen Maßstäben.)
Eine etwas altertümliche Methode ist das Binden des Luftsauerstoffs unter Erhitzen an Kohle und das anschließende Auswaschen des entstandenen Kohlenstoffdioxids. Der Luftsauerstoff kann auch durch das Überleiten der Luft über glühendes Kupfer oder durch eine alkalischePyrogallol- bzw. Natriumdithionitlösung entfernt werden.
Im Labor kann reiner Stickstoff durch Erhitzen einer wässrigen Ammoniumnitritlösung oder einer Lösung des Gemisches Ammoniumchlorid/Natriumnitrit auf etwa 70 °C dargestellt werden:
Alternativ ist eine Thermolyse von Natriumazid möglich, die zur Herstellung von spektroskopisch reinem Stickstoff verwendet wird.[23]
Molekularer Stickstoff ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas, welches bei tiefen Temperaturen (−196 °C) zu einer farblosen Flüssigkeit kondensiert. Stickstoff ist in Wasser wenig löslich (23,2 ml Stickstoff in 1 l Wasser bei 0 °C)[25] und nicht brennbar. Stickstoff ist das einzige Element der Stickstoffgruppe, das mit sich selbst (p-p)π-Bindungen bildet.[26] Der Atomabstand dieser Dreifachbindung beträgt 109,8 pm.
Spektrum einer Stickstoff-Gasentladung
In einer Gasentladungs-Spektralröhre werden bei einem Restdruck von ca. 5–10 mbar die Molekülorbitale des Stickstoffs beim Betrieb mit 1,8 kV Hochspannung, 18 mA Stromstärke und einer Frequenz von 35 kHz zum Leuchten angeregt. Bei der Rekombination der ionisierten Gasmoleküle wird hierbei das charakteristische Farbspektrum abgestrahlt.[27]
Der kritische Punkt liegt bei: Temperatur 126,19 K (−146,95 °C), Druck 33,9 bar, Dichte 0,314 g/cm3. Der Tripelpunkt liegt bei: Temperatur: 63,15 K (−210 °C), Druck 0,125 bar.[28]
Alle diese Verbindungen haben eine trigonale pyramidale Struktur und ein freies Elektronenpaar. Über dieses freie Elektronenpaar können sie als Nukleophile und als Basen reagieren.
Der molekulare Distickstoff N2 ist durch die im Stickstoffmolekül vorhandene stabile Dreifachbindung und die damit verbundene hohe Bindungsdissoziationsenergie von 942 kJ/mol[29] sehr reaktionsträge. Deswegen braucht es in der Regel einen hohen Energieaufwand, um diese Verbindung zu trennen und Stickstoff an andere Elemente zu binden. Hoch ist auch die erforderliche Aktivierungsenergie, die gegebenenfalls durch geeignete Katalysatoren verringert werden kann.
Polymerer Stickstoff
In einer Veröffentlichung im August 2004 gaben Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz bekannt, dass sie unter Drücken von über 110 GPa bei einer Temperatur von über 2000 K eine neue kristalline Form, sogenannter „polymerer Stickstoff“ mit Einfachbindungen erzeugt haben. Diese Modifikation besitzt eine einzigartige kubische Struktur, die sogenannte „cubic gauche“-Struktur.
Durch die hohe Instabilität sind die Einsatzmöglichkeiten begrenzt, man könnte sich polymeren Stickstoff aber zum Beispiel als Sprengstoff oder Energiespeicher vorstellen. Polystickstoff wäre dann mit Abstand der stärkste nicht-nukleare Sprengstoff.[30]
Eine weitere, dem schwarzen Phosphor analoge polymere und als Schwarzer Stickstoff bezeichnete Form des Stickstoffs wurde 2020 beschrieben. Die Struktur enthält zweidimensionale Schichten, in denen die Stickstoffatome über ein einheitliches Zickzack-Muster vernetzt sind. Diese 2D-Schichten ähneln in ihren elektronischen Eigenschaften dem Graphen, so dass das Material für viele technische Anwendungen interessant sein könnte.
Die Herstellung erfolgte durch Lasererhitzung von Stickstoff bei einem Druck von 140 GPa in einer Diamantzelle.[31][32]
Hexastickstoff N6
Ein internationales Forschungsteam berichtete 2025 in Nature erstmals über die Synthese von molekularem Hexanitrogen (N₆), einem neuen metastabilen Stickstoff-Allotrop. Durch die Reaktion von Chlor oder Brom mit Silberazid bei Raumtemperatur über die Zwischenstufe Chlorazid und anschließender Stabilisierung in Argon-Matrizen bei 10 Kelvin gelang die Isolierung und Charakterisierung der Verbindung. Bei Raumtemperatur beträgt die Halbwertszeit der Verbindung nur 35,7 Millisekunden.
Synthese von Hexastickstoff
Spektroskopische Analysen und Berechnungen bestätigten die Struktur. N₆ setzt bei Zersetzung ausschließlich Stickstoff frei. Für die Zersetzungsenthalpie wurden sehr hohe Enthalpien mit −774,9 kJ·mol−1 bzw. −9220 kJ·kg−1 abgeschätzt, die etwa dem Doppelten den von bekannten Sprengstoffen wie TNT oder HMX entsprechen soll.[33]
Zersetzung von Hexastickstoff
Die Autoren schlagen die Verbindung als möglichen Kandidaten für zukünftige Energiespeichermaterialien vor. Mit Blick auf die eher teure Herstellung, die geringe Temperaturstabilität bei der Handhabung und der schwer beherrschbaren Energiefreisetzung bei der Zersetzung besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf.[34]
Isotope
Es sind insgesamt 17 Isotope zwischen 9N und 25N sowie weitere Isomere des Stickstoffs bekannt. Von diesen sind zwei, die Isotope 14N und 15N, stabil und kommen in der Natur vor. Das Isotop mit dem größeren Anteil an der natürlichen Isotopenzusammensetzung ist 14N mit 99,636 %, 15N hat einen Anteil von 0,364 %.[35] Die langlebigsten instabilen Isotope sind 13N, das mit einer Halbwertszeit von 9,965 Minuten unter β+-Strahlung in 13C übergeht, und 16N, das mit einer Halbwertszeit von 7,13 Sekunden unter Betazerfall zu 16O zerfällt. Alle anderen Isotope haben nur kurze Halbwertszeiten von Sekunden oder Millisekunden.[36]
Das 15N-Isotop wurde von Naude (1929) entdeckt und schon wenige Jahre später von Norman und Werkman (1943) in ersten Feldversuchen eingesetzt. Auch heute noch wird dieses Isotop in ähnlicher Weise für biochemische Untersuchungen des Stickstoffstoffwechsels im Ackerboden oder in Pflanzen, aber auch bei der Umsetzung von Proteinen als Indikator eingesetzt. Der Anteil von 15N am Stickstoff der Atmosphäre beträgt 0,3663 %.
Anreichern kann man 15N wie andere Isotope gasförmiger Stoffe zum Beispiel durch Thermodiffusionstrennung.
Die Eigenschaft chemisch nicht zu reagieren (Inert-Eigenschaft) wird genutzt:
zur Füllung von Flugzeugreifen großer Flugzeuge. Das Vermeiden von Sauerstoff (etwa zu 21 % in Luft enthalten) bei etwa 10 bar Druck verhindert, dass Flugzeugreifen unter der großen Hitzeentwicklung (durch Reibung und Walken) bei Landung oder beim Startlauf von innen in Brand geraten können. Ein kleiner günstiger Nebeneffekt ist, dass Stickstoff etwa 2,5 % leichter als Luft ist.
Da Stickstoff im Gegensatz zu CO2 den pH-Wert nicht reduziert, also nicht säuernd wirkt, können auch Milchmix- und Kaffeegetränke ohne sauren Geschmack geschäumt werden.[38]
in Getränkezapfanlagen, wenn auf Grund von baulichen Umständen (langer Leitungsweg, großer Höhenunterschied) ein hoher Zapfdruck notwendig wird. Stickstoff wird hier zusammen mit Kohlenstoffdioxid als Mischgas verwendet. Da sich Stickstoff nicht im Getränk löst, kann auch bei höheren Drücken ohne zu viel Schaumbildung bzw. Aufcarbonisierung gezapft werden. Stickstoff hat bei gleichem erhöhten Druck eine geringere Löslichkeit in – stets wasserbasierten – Getränken als Kohlenstoffdioxid. Durch Entspannen beim Zapfen werden dadurch kleinere Schaumbläschen erreicht.
zur Exekution der Todesstrafe hat der US-amerikanische Bundesstaat Oklahoma im April 2015 den Einsatz von Stickstoffgas zum Ersticken gesetzlich zugelassen.[39] Auch in Alabama und Mississippi ist es zugelassen.[40] Im Januar 2024 wurde auf diese Weise erstmals ein Mensch in Alabama hingerichtet. Im Gegensatz zu Behauptungen der Behörden, dies sei „vielleicht die humanste Hinrichtungsmethode“, berichteten Zeugen von einem mehrere Minuten andauernden, qualvollen Todeskampf.[41] Siehe auch Stickstoffhypoxie.
Siedender Stickstoff in einem Metallbecher (−196 °C), Leder-Handschuh als Kälteschutz
Aufgrund des niedrigen Siedepunkts wird flüssiger Stickstoff als Kältemedium in der Kryotechnik eingesetzt. Der Stickstoff entzieht dabei dem Kühlgut seine Verdampfungsenthalpie und hält dieses solange kalt, bis er verdampft ist. Gegenüber flüssigem Sauerstoff, der bei −183 °C (90 K) siedet, ist der Siedepunkt von flüssigem Stickstoff um weitere 13 K niedriger, er siedet bei −196 °C (77 K) und bringt Luftsauerstoff und andere Gase zur Kondensation, die auf diese Weise getrennt werden können.
Flüssiger Stickstoff (Dichte 0,8085 kg/L bei −195,8 °C)[12] wird unter anderem dazu verwendet, bei Hochtemperatursupraleitern den supraleitenden Zustand zu erzeugen. Er wird auch zur Lagerung biologischer und medizinischer Proben, Eizellen und Sperma, sowie zum Schockfrieren von biologischem Material verwendet. Ein Beispiel ist auch die Kühlung von Infrarot-Fotoempfängern, um deren thermisches Rauschen zu verringern oder überhaupt erst einen halbleitenden Zustand in ihnen herbeizuführen.
Im Tiefbau dient er der Bodenvereisung. Im Bereich der Werkstofftechnik benutzt man Flüssigstickstoff, um Restaustenit in bestimmten gehärteten Stählen zu beseitigen oder die Werkstoffe durch „Tiefkühlen“ künstlich zu altern. Flüssiger Stickstoff wird auch eingesetzt, um zum Beispiel Getriebewellen so weit zu schrumpfen, dass aufgesetzte Zahnräder durch Presspassung auf der Welle halten. Beim Recycling von Kabeln wird der Isolierstoff durch Kühlen mit flüssigem Stickstoff spröde und kann vom Metall (Aluminium bzw. Kupfer) abgeschlagen werden.
Bei der (in Deutschland nicht zugelassenen) „Stickstoffbestattung“ (Promession) wird der Leichnam in einem Bad aus flüssigem Stickstoff eingefroren und anschließend zu einem Pulver zermahlen.
Stickstoffverbraucher bekommen Stickstoff oft statt in Druckgasflaschen als Flüssigstickstoff in Thermobehältern ähnlich einer Thermosflasche bereitgestellt. Diese Behälter bezeichnet man als Dewargefäß. Der Stickstoff wird dazu flüssig aus ebenfalls doppelwandigen Tankfahrzeugen abgefüllt.
Chemische Reaktionen
Als Azotierung bezeichnet man eine chemische Reaktion, bei der ein Reaktionspartner Stickstoff aufnimmt.
Ein typisches Beispiel für eine Azotierung ist die Darstellung von Kalkstickstoff aus Calciumcarbid und Stickstoff:
Sicherheitshinweise
Obwohl Luft zu über 78 % aus Stickstoff besteht und Stickstoff ein Inertgas und somit ungiftig ist, müssen bei der Handhabung von gasförmigem Stickstoff in größeren Mengen Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden – beispielsweise wenn aufgrund der Menge an Stickstoff die Gefahr besteht, dass Personen Arbeitsbereiche wie Maschinenräume betreten, welche aus Brandschutzgründen mit Stickstoffgas gefüllt sind, und durch Verdrängung kein oder nur eine ungenügende Menge an Sauerstoff für die Atmung vorhanden ist. Betritt eine Person einen solchen Bereich, kommt es zu einer heimtückischen, da durch die betroffene Person nicht bewusst wahrnehmbaren, normobaren Hypoxie durch Stickstoff, welche nach einigen Sekunden zu leichten Bewusstseinsstörungen gefolgt von Bewusstlosigkeit und nach wenigen Minuten zum Tod durch Erstickung führt. So kam es beispielsweise im Vorfeld der ersten Mission des Space Shuttle im März 1981 zum Tod zweier Techniker, welche einen aus Brandschutzgründen mit Stickstoff gefüllten Bereich in der Mobile Launcher Platform betreten hatten.[42]
Der Grund für diese Gefahr liegt darin, dass der menschliche Körper über keine hinreichend schnelle Sensorik im Glomus caroticum zur Erkennung der Unterversorgung mit Sauerstoff verfügt. Das Gefühl von Erstickung tritt bei einem Anstieg des Kohlendioxidgehalts im Blut auf, gefolgt von heftigem Atemreflex und Panik. Kann hingegen das Kohlendioxid in einer reinen Stickstoffatmosphäre problemlos abgeatmet werden, was in größeren mit Stickstoff gefüllten Räumen der Fall ist, kommt es zu keinem wahrnehmbaren Erstickungsgefühl und die Unterversorgung mit Sauerstoff führt zur vom Betroffenen nicht bewusst wahrnehmbaren Hypoxie.[43]
Daher müssen in Bereichen, in denen mit größeren Mengen Stickstoff hantiert wird und die potentielle Gefahr einer Erstickung beispielsweise bei Fehlfunktionen besteht, neben der nötigen Belüftung auch spezielle Warneinrichtungen vorhanden sein, die einen Sauerstoffmangel optisch oder akustisch anzeigen. Zusätzlich kann das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung nötig sein, welche das Unterschreiten des Sauerstoffgehalts unter einen Grenzwert rechtzeitig anzeigt.
Nachweis
Stickstoff, der in organisch gebundener Form vorliegt, kann qualitativ mittels Lassaignescher Probe und quantitativ mittels der Stickstoffbestimmung nach Will-Varrentrapp, der Kjeldahlschen Stickstoffbestimmung, über ein Azotometer oder die Elementaranalyse erfasst werden. Für anorganisch gebundenen Stickstoff werden als Nachweisreaktion die Kreuzprobe für Ammoniumionen oder die Ringprobe für Nitrationen durchgeführt. Zur Durchführung der Ringprobe wird die Probelösung (schwefelsauer, schwermetallfrei) mit frischer Eisen(II)-sulfat-Lösung versetzt und mit konzentrierter Schwefelsäure unterschichtet. An der Grenzfläche zwischen beiden Flüssigkeiten werden die Nitrationen zu Stickstoffmonoxid (NO) reduziert. Dieses Radikal bildet in wässriger Lösung mit weiteren Eisenionen einen braunen Komplex, der als „Ring“ an der Phasengrenze im Reagenzglas sichtbar wird:
Cyanwasserstoff (Blausäure) ist eine farblose bis leicht gelbliche, brennbare, sehr flüchtige und wasserlöslicheFlüssigkeit. Cyanwasserstoff und seine Salze, die Cyanide, zum Beispiel Kaliumcyanid und Natriumcyanid, sind hochgiftig. Ähnliches gilt für Hydrazin, das als Raketen- und Satellitentreibstoff und in Brennstoffzellen eingesetzt wird.
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↑Angegeben ist der von der IUPAC empfohlene Standardwert; da die Isotopenzusammensetzung dieses Elements örtlich schwanken kann, ergibt sich für die mittlere Atommasse der in Klammern angegebene Massenbereich. Siehe: Michael E. Wieser, Tyler B. Coplen: Atomic weights of the elements 2009 (IUPAC Technical Report). In: Pure and Applied Chemistry. 2010, S. 1, doi:10.1351/PAC-REP-10-09-14.
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Titanium nitride coating 90.jpg Autor/Urheber: Peter Binter Original uploader was Binter at de.wikipedia,
Lizenz:CC BY 3.0 Titanium nitride coated drill, 70 mm, Photographed by Peter Robert Binter, 25.06.2005