Steinkreuznest

Das Steinkreuznest bei Reicholzheim war bereits Gegenstand der Kunst (hier ein Gemälde von Rudolf Schiestl, 1925)

Ein Steinkreuznest, auch Kreuzsteinnest genannt,[1] liegt vor, wenn an einem Aufstellungsort mehrere Steinkreuze bzw. Kreuzsteine beieinander liegen.[2] Diese sind nach Bernhard Losch (1981) vor allem in ländlich geprägten Gegenden vorzufinden, in denen es in der Neuzeit zu keiner Verdichtung von Siedlung und Industrie wie in den Ballungsgebieten kam, so dass diese Kulturdenkmale im Freiland weitgehend erhalten blieben.[3][4]

Entstehung

Um Steinkreuznester ranken sich zahlreiche Sagen, die zum Teil erst nach dem Zusammentragen an einem gemeinsamen Standort entstanden

Das Vorhandensein eines Steinkreuznestes kann verschiedene Gründe haben:[2]

  • Es kann sich zum einen tatsächlich um den ursprünglichen Standort der Kreuze handeln.[2] Nach Wilhelm Funk (1940) beweisen alte Abbildungen, Beschreibungen und Gemarkungspläne, dass man schon früher Steinkreuze gruppenweise zusammengestellt hat. Friedrich Mößinger (1936) nennt als Beispiel einen Sühnebrief von 1403, der für fünf Erschlagene fünf Kreuze fordert.
  • Es kann sich um einen behördlich angewiesenen Platz zur Aufstellung von Steinkreuzen handeln.[2] Mößinger (1936) nennt als Beispiel einen Sühnevertrag von 1494 aus Nagold, der einem Täter auferlegt, eine Sühnekreuz an einer bestimmten Stelle zu errichten, an der bereits andere dergleichen Kreuze standen.
  • Es kann in einigen Fällen auch davon ausgegangen werden – unter anderem aufgrund des teilweise unterschiedlichen Alters der Objekte in einem Steinkreuznest – dass einzelne Steinkreuze in der Vergangenheit umgesetzt wurden beziehungsweise nach Funk (1940) erst später an geeigneter Stelle zu derartigen Nestern zusammengetragen worden sind.[2][4] Dies kam als Maßnahme der Denkmalpflege in jüngerer Zeit vor wenn großräumige Veränderungen in der Landschaft (z. B. Bimsabbau, Flurbereinigung, Ausweisung von Neubaugebieten) die Versetzung von Kreuzen notwendig machten.

Da dieser Sachverhalte zum Teil in Vergessenheit gerieten, entstanden mitunter auch neue Sagen und Legenden, in denen nun mehrere Personen, je nach der Anzahl der Objekte, eine Rolle spielen.[2][4]

Bekannte Ansammlungen

Folgende Steinkreuznester bzw. Kreuzsteinnester mit mindestens 5 Objekten sind bekannt:

f1Georeferenzierung Karte mit allen Koordinaten bekannter Steinkreuznester (mit mindestens 5 Steinkreuzen): OSM | WikiMap

BildAnzahlSteinkreuznestGemeindeLandDatierungSageLage
Bricciuskirche.jpg15Steinkreuznest Cracau[5]MagdeburgDeutschlandDeutschland Deutschland14. bis 15. Jh.unbekannt[5]52° 7′ 0″ N, 11° 39′ 34″ O
Reicholzheim Steinkreuznest.JPG
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14Steinkreuznest bei Reicholzheim[6]WertheimDeutschlandDeutschland Deutschland14. bis 16. Jh.Die Kreuze oberhalb Reicholzheim[7][8]49° 43′ 25″ N, 9° 32′ 26″ O
Kreuzsteine Buehren 01.jpg10Bührener Kreuzsteinnest[9]BührenDeutschlandDeutschland Deutschlandmittelalterlichverschiedene Überlieferungen[9]51° 28′ 55″ N, 9° 40′ 35″ O
Benthe Sieben Trappen.jpg
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8Kreuzsteinnest Sieben-Trappen in Benthe[10]RonnenbergDeutschlandDeutschland DeutschlandmittelalterlichDie Sieben Trappen, verschiedene Überlieferungen[10]52° 20′ 0″ N, 9° 37′ 43″ O
2018 Steinkreuze Wolframs-Eschenbach Gruppe 02.jpg
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8Steinkreuzgruppe in Wolframs-EschenbachWolframs-EschenbachDeutschlandDeutschland Deutschlandmittelalterlich49° 13′ 25″ N, 10° 43′ 23″ O
Spacer.gif7Steinkreuznest Domersleben[11]Wanzleben-BördeDeutschlandDeutschland Deutschlandunbekannt[11]52° 5′ 30″ N, 11° 26′ 2″ O
Podhrad (Cheb), smírčí kříže 2009-10-10.JPG7Steinkreuznest Podhrad[12]ChebTschechienTschechien TschechienHochzeitszug[12]50° 3′ 27″ N, 12° 23′ 39″ O
Neunstetten 1.jpg
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6Steinkreuznest Sieben Fuhrmänner bei Neunstetten[13]
(das laut Sage siebte Steinkreuz fehlt)
HerriedenDeutschlandDeutschland DeutschlandmittelalterlichDie Sieben Fuhrmänner von Neunstetten[14]49° 15′ 32″ N, 10° 27′ 38″ O
Mergentheim Kreuzigung Suehnekreuze.JPG
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6Steinkreuznest in Bad Mergentheim[15]Bad MergentheimDeutschlandDeutschland Deutschland15. bis 18. Jh.verschiedene Überlieferungen[15]49° 29′ 49″ N, 9° 46′ 33″ O
Sechs steine 2.jpg
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6Sechs SteineIlberstedtDeutschlandDeutschland Deutschlandab dem 13. JahrhundertSage51° 47′ 58″ N, 11° 40′ 26″ O
Erlangen Bruck Steinkreuze 002.JPG
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5Steinkreuznest Keltschensteine bei Bruck[16]ErlangenDeutschlandDeutschland DeutschlandspätmittelalterlichKnechte des Keltsch, verschiedene Überlieferungen[16]49° 34′ 9″ N, 10° 59′ 4″ O
Suehnekreuz Falkenstein1.jpg
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5Steinkreuznest Fünf Musikanten bei Falkenstein[17]DonnersdorfDeutschlandDeutschland DeutschlandfrühmittelalterlichDie Musikanten von Falkenstein[18]49° 57′ 44″ N, 10° 25′ 22″ O
2018 Neuhofer Kreuze 01.jpg
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5Steinkreuznest Neunhof[19]NürnbergDeutschlandDeutschland Deutschlandverschiedene Überlieferungen[19]49° 30′ 59″ N, 11° 2′ 54″ O
Suehnekreuz-Stübach6.JPG
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5Steinkreuznest bei Stübach[20]DiespeckDeutschlandDeutschland Deutschlandspätmittelalterlichunbekannt[20]49° 36′ 36″ N, 10° 34′ 59″ O

Verschwundene Ansammlungen

Die folgenden einst bekannten Steinkreuznester bzw. Kreuzsteinnester gelten als verschwunden:[2]

  • Speyer (Rheinland-Pfalz): Ein Steinkreuznest mit über 30 steinernen Kreuzen befand sich noch im 18. Jahrhundert an der Straße von Speyer nach Worms. Nach einer alten Überlieferung soll eine Hochzeitsgesellschaft, die vom Spitzrainhof kam, von feindlichen Reitern angegriffen und umgebracht worden sein. Für jeden Einzelnen der Toten hätte man ein Steinkreuz errichtet.[2][21]
  • Heilbronn (Baden-Württemberg): Ein letztes Kreuz aus einem ansonsten verschwundenen Steinkreuznest im Bereich der heutigen Gabelung Paulinenstrasse/Kreuzenstrasse ist noch vorhanden. Die Kreuzenstrasse wurde anhand des ehemaligen Steinkreuznestes benannt.[2] In einem Markungsplan von 1734 ist das Steinkreuznest vor dem Sülmertor in Heilbronn eingezeichnet.[22]

Literatur

  • Bernhard Losch: Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 1981, ISBN 3-8062-0754-2.
  • Friedrich Mößinger: Steinkreuze zwischen Rhein, Main und Neckar. In: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde. Neue Folge 1936.
  • Wilhelm Funk: Sühnestein und Erinnerungsmal. In: Alte deutsche Rechtsmale. Sinnbilder und Zeugen deutscher Geschichte. Berlin/Bremen 1940.

Weblinks

Commons: Steinkreuznest – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bührener Kreuzsteinnest in: Sonderdruck aus der Festschrift der Kyffhäuser-Kameradschaft Bühren, 1967, S. 7–8.
  2. a b c d e f g h i Standorte. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  3. Bernhard Losch: Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 1981.
  4. a b c Steinere Zeugen in der Landschaft - Fränkische Nachrichten. In: fnweb.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  5. a b Cracau / OT von Magdeburg. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  6. Reicholzheim. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  7. Seite:Badisches Sagenbuch II 638.jpg – Wikisource. In: de.wikisource.org. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  8. Seite:Badisches Sagenbuch II 639.jpg – Wikisource. In: de.wikisource.org. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  9. a b Bühren. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  10. a b Benthe. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  11. a b Domersleben. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  12. a b Podhrad / Pograth. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  13. Neunstetten / OT von Herrieden. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  14. Johann Fluhrer: Die sieben Steinkreuze im Altmühlthale. In: Das Bayernland. 13. Jg., 1902, Nr. 19, S. 226.
  15. a b Bad Mergentheim. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  16. a b Bruck / OT von Erlangen. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  17. Donnersdorf. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  18. Steinkreuz-Sagen aus Unterfranken. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  19. a b Neunhof / OT von Nürnberg. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  20. a b Stübach / OT von Diespeck. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 22. Mai 2020.
  21. Fritz Klotz: Stadtgeschichtliche Miszellen, Ortsgruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz 1967, S. 17 f.
  22. Heilbronn. In: suehnekreuz.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.

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Kreuzsteine Buehren 01.jpg
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Kreuzsteinnest bei Bühren, Samtgemeinde Dransfeld, Landkreis Göttingen, Niedersachsen. 10 Kreuzsteine aus dem Hoch- und Spätmittelalter mit unterschiedlichen Kreuzformen und Techniken, 1955 als Gruppe zusammengestellt.
Neunstetten 1.jpg
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Neunstetten
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Steinkreuz, Wolframs-Eschenbach, Gruppe
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Die Sechs Steine in Ilberstedt, Sachsen-Anhalt
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Steinkreuz, Neuhof, Nürnberg, Baudenkmal
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Hinweisschild zum Steinkreuznest in Reicholzheim. Laut der örtlichen Sage sollen sich 14 Burschen im Streit um ein Mädchen gegenseitig erschlagen haben.
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Steinkreuze bei Reicholzheim. Druck von 1925 auf getönter Tafel.
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Die fünf mittelalterlichen Steinkreuze am südlichen Ortseingang des Erlanger Stadtteils Bruck. Das erste Kreuz ist ohne Zeichen, beim zweiten ist am Fuß ein Weberschiffchen eingemeißelt, am dritten Kreuz befinden sich Wetzrillen sowie am rechten Arm die Buchstaben PK. Das vierte Kreuz hat Armstützen und einige kleine Löcher. Das letzte Kreuz hat ebenfalls Armstützen und am Kopf ein kleines eingeritztes Kreuz. Sie werden die Schweden- oder Keltschensteine genannt. Sie sollen aus der Fehde des Fuhrmanns Kunz Keltsch stammen. Der Sage nach sollen hier fünf Knechte des Keltsch, die im Kampf mit Nürnberger Söldnern gefallen sein sollen, begraben liegen. Auch soll ein Richtschwert unter einem der Steine liegen. Ursprünglich standen die Steine in der Flur, seither wurden sie mehrmals umgesetzt.
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Das Steinkreuznest in Reicholzheim, größtes Steinkreuznest Deutschlands, mit 14 Rotsandsteinkreuzen. Laut der örtlichen Sage sollen sich 14 Burschen im Streit um ein Mädchen gegenseitig erschlagen haben.
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