Stein (Uhr)

Schnittansicht eines typischen Lochsteins (rot) einer mechanischen Uhr.
Lager mit Deckstein, welcher beispielsweise eingesetzt wird, um die Welle der Unruh axial zu fixieren.
Steine (rot) in einer Co-Axial-Hemmung

Stein (engl. jewel, franz. pierre oder rubis) bezeichnet in der Uhrmacherei ein aus Edelsteinen gefertigtes Lager. Diese Lagersteine sind z. B. Lochsteine, Decksteine, Wälzlagersteine, Palettensteine und die Ellipse in Uhrwerken. Der Hersteller der Steine wurde Pierrist oder Uhrensteinmacher genannt.[1]

Eigenschaften

Lagersteine (synonym Lochsteine) bilden aufgrund ihrer Lochung zusammen mit den metallischen Zapfen der Räderwerkswellen, der Unruhwelle und der Ankerwelle[2] Gleitlager für Uhren. Im Vergleich zu Metall ergibt sich eine geringere Reibung und ein geringerer Verschleiß. Lagersteine wurden 1704 durch den Schweizer Mathematiker Nicolas Fatio de Duillier entwickelt.[3]

Die Lager wurden früher aus natürlichen Edelsteinen hergestellt, während sie heute aus synthetischem Rubin oder anderen Korunden bestehen. Sie werden in die Werkplatte (grau im Bild) eingepresst oder innerhalb einer Fassung aus Gold (franz. Chaton) festgeschraubt und justiert. Die halbkugelförmige Vertiefung in einem Lochstein (ohne Deckung) bezeichnet man als Ölsenkung, welche zur Aufnahme des Uhrenöls dient (gelb im Bild).

Steine von Wälzlagern (z. B. im Kugellager des Rotors einer Automatikuhr) sind kugel- oder rollenförmig. Diese Wälzlagersteine sowie die Decksteine sind nicht gelocht und werden nicht als Lagersteine bezeichnet.[4]

Weiterhin werden als Gleitlager Steine an der Hemmung (Ankerpalettensteine, Hebelstein) verwendet. Diese wurden erstmals von Thomas Mudge verwendet, welcher um 1757 die Ankerhemmung erfand.[5]

Anzahl der Steine

In einem Uhrwerk verpresste Steine und ein mit Stoßsicherung befestigter Unruh-Deckstein.

Eine hochwertige mechanische Armbanduhr mit Handaufzug benötigt mindestens 15 funktionelle Steine:

  • zehn Lochsteine (davon je zwei für die Zapfen von Unruh, Anker, Ankerrad, Sekundenrad und Kleinbodenrad)
  • zwei Decksteine für die Unruh
  • zwei Palettensteine für den Anker
  • einen Hebelstein (Ellipse)

Darüber hinaus können noch zwei zylindrische Wälzlager für das Federhaus, zwei Lochsteine für das Minutenrad und jeweils zwei Decksteine für Anker und Ankerrad vorhanden sein.[6][7] Je komplexer ein Uhrwerk aufgebaut ist (Grande Complication), umso mehr Lagersteine sind generell notwendig, z. B. mit automatischem Aufzug (+ mindestens 4 Steine für das Kugellager des Rotors), ewigem Kalender, Chronograph oder Repetitionsschlagwerk erhöht sich die Zahl der erforderlichen Steine. Allerdings sagt die Anzahl der Steine nichts über die Qualität des Uhrwerks aus (siehe Finissage), sondern soll vielmehr der eigenen Reputation oder der Abhebung von Wettbewerbern dienen. So verarbeiten Hersteller von Luxusuhren wie A. Lange & Söhne zwischen 30 und 70 Lagersteine. Als Verkaufsargument gestaltet man auch spezielle Ziffernblätter, welche einen Hinweis auf die verbaute Steinzahl geben sollen.[8]

Im Zuge der Industrialisierung in Europa stieg auch die Nachfrage nach hochwertigen und handgefertigten Uhren. Mit zahlreichen Innovationen in der Lagertechnik stieg auch die Nachfrage nach Rubinen. Mit der Entdeckung verschiedener künstlicher Verfahren (Verneuil-Verfahren) konnte man zunehmend auf synthetische Rubine (Korund) zurückgreifen, bei gleichen Materialanforderungen wie Festigkeit oder den Verarbeitungsmöglichkeiten.[9]

Literatur

  • Hermann Brinkmann: Einführung in die Uhrenlehre (= Die Uhrmacherschule. Bd. 2). 10. unveränderte Auflage. Wilhelm Knapp, Düsseldorf 2005, ISBN 3-87420-010-8.
  • George Daniels: Watchmaking. Updated 2011 edition. Philip Wilson Publishers, London 2011, ISBN 978-0-85667-704-5.
  • Otto Böckle, Wilhelm Brauns: Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk. Arbeitsfertigkeiten und Werkstoffe. 8.–10. Auflage. Wilhelm Knapp, Halle (Saale) 1951 (Reprint, herausgegeben von Michael Stern. Heel, Königswinter 2010, ISBN 978-3-86852-288-4).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eintrag Pierrist. In: Illustriertes Fachlexikon der Uhrmacherei, Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie, FH 1961–2022
  2. Helmut Kahlert, Richard Mühe, Gisbert L. Brunner, Christian Pfeiffer-Belli: Armbanduhren: 100 Jahre Entwicklungsgeschichte. Callwey, München 1983; 5. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-7667-1241-1, S. 505.
  3. Georges-Albert Berner: Illustriertes Fachlexikon der Uhrmacherei. Stichwort Fatio (Nicholas). (elektronische Version). Abgerufen am 17. Februar 2012.
  4. Georges-Albert Berner: Illustriertes Fachlexikon der Uhrmacherei. Stichwort Stein. (elektronische Version). Abgerufen am 26. Januar 2012.
  5. Georges-Albert Berner: Illustriertes Fachlexikon der Uhrmacherei. Stichwort Mudge (Thomas). (elektronische Version). Abgerufen am 17. Februar 2012.
  6. Willis I. Milham: Time and Timekeepers. Omnigraphics, Detroit MI 1945, ISBN 978-0780800083, S. 114–116.
  7. Ed Hahn: What does 17 jewels mean?. In: Sec. 1.1.3 Mechanical Watch FAQ v.1.0. TimeZone.com. Archiviert vom Original am 1. Juli 2008.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.timezone.com Abgerufen am 4. Februar 2012.
  8. Herrenuhren: Steine / Lagersteine / Rubine (elektronische Version). Abgerufen am 29. Juni 2016.
  9. Autor: Bernhard NeumannLehrbuch der Chemischen Technologie und Metallurgie: I Brennstoffe Anorganische Industriezweige Springer-Verlag, 8. März 2013, ISBN 978-3-642-92056-1, 586 Seiten

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Watch jewel bearing and capstone.svg
Drawing of a jewel bearing and capstone in a mechanical watch. The bearing is sectioned through the axis. The jewels (red) are made of synthetic ruby. The lower jewel is called the 'hole jewel', the upper one is the 'capstone' or 'end jewel'. This type of bearing is used in watches where friction is critical, such as in the balance wheel pivots. With ordinary bearings (shown in Watch jewel bearing.svg), when the watch is vertical the shoulder of the shaft bears against the face of the hole jewel, increasing friction. This causes the watch's rate to vary with its position. In contrast, in this type, the capstone provides a low friction surface for the rounded end of the pivot to press against instead, reducing friction. The hole for the pivot is slightly convex (hourglass shaped) so that if the pivot is not exactly vertical it won't jam in the hole. The surface of the lower jewel ('bombé') is also slightly convex, holding a drop of oil (yellow) between the jewels, in contact with the pivot, by capillary attraction. The jewels are press-fitted into holes in the movement's supporting plates (grey). Information for this drawing came from Henry B. Fried (1954) Bench Practices for Watch and Clockmaker, Arlington Book Co., Virginia, USA, Book 3, Ch. 1, p.140-188
Coaxial Toon 600.svg
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A slightly simplified representation of Daniels' co-axial escapement.
Watch jewel bearing.svg
Drawing of jewel bearing used in a mechanical watch. The donut-shaped bearing is shown sectioned through its axis. This type is called a 'hole jewel', used for most of the ordinary wheels in the gear train. The bearing (red) is usually made of synthetic sapphire (ruby). It is press-fitted into a hole in the movement's supporting plate (grey). The cup-shaped depression in the top of the jewel is the oil cup; it's purpose is to hold the lubricating oil (yellow) in contact with the bearing shaft by capillary action. In wheels where friction is critical, a 'capstone' (shown in Watch jewel bearing and capstone.svg) is added on the end to prevent the shoulder of the shaft from bearing against the face of the jewel. Information for this drawing came from Henry B. Fried (1954) Bench Practices for Watch and Clockmaker, Arlington Book Co., Virginia, USA, Book 3, Ch. 1, p.140-188
Chinese movement escapement and jewels.jpg
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The balance wheel, pallet fork, escapement wheel, and a few of the gears of a Chinese movement in a skeleton watch, as seen in File:Automatic skeleton watch.jpg.