Stausee Mattmark

Stausee Mattmark
Mattmarksee und der Allalingletscher
Mattmarksee und der Allalingletscher
Mattmarksee und der Allalingletscher
LageSchweiz Schweiz
Kanton Wallis Wallis
ZuflüsseSaaser Vispa, Schwarzbergtalbach, Ofentalbach, namenlose Bergbäche[1]
AbflussSaaser Vispa
Stausee Mattmark (Kanton Wallis)
Stausee Mattmark (Kanton Wallis)
Koordinaten640363 / 98636
Daten zum Bauwerk
SperrentypErdschüttdamm
Bauzeit1960–1967
Höhe des Absperrbauwerks117[2]
Höhe über Gewässersohle93 m[3]
Höhe der Bauwerkskrone2204 m ü. M.
Bauwerksvolumen10 500 000 m³
Kronenlänge780 m
Kraftwerksleistungelektrische Leistungen der zweistufigen Anlage:
1. Stufe: Zermeiggern: 74 MW
2. Stufe: Stalden: 180 MW
Gesamtleistung: 254 MW[4]
BetreiberKraftwerke Mattmark AG
Daten zum Stausee
Höhenlage (bei Stauziel)2197 m ü. M.
Wasseroberfläche1,76 km²dep1
Stauseelänge3,2 km
Speicherraum100 Mio. m³[3]
Gesamtstauraum101 Mio. m³[3]
Einzugsgebiet37,1 km²
Bemessungshochwasser150 m³/s
Besonderheiten

Höchster Erdschüttdamm der Schweiz

Detailkarte
Blick von seinem südlichen Ende zum Staudamm Mattmark

Der Stausee Mattmark ist ein Stausee, der sich auf dem Gebiet der Gemeinde Saas-Almagell am südlichen Ende des Saastales im Bezirk Visp des Kantons Wallis in der Schweiz befindet. Der See wird von der Kraftwerke Mattmark AG zur Energieerzeugung genutzt. 1965 forderte ein Gletscherabbruch während des Baus 88 Tote.[5]

Geschichte

Natürlicher Vorgängersee

(c) ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz / Fotograf: Swissair Photo AG / LBS_R1-735998 / CC BY-SA 4.0
Mattmarkebene vor Aufstau des Sees im August 1950

Vor dem Bau der Staumauer gab es im Tal der jungen Saaser Vispa einen Bergsee. Seine wechselnde Form und Grösse hing von den Vorstössen und Rückzügen des Allalingletschers ab. Zu den Hochständen der Gletscherausdehnung um 1600, 1820 und 1850/60 überdeckte die Zunge des von der Westflanke hinunterreichenden Allalingletschers die ganze Talbreite und bildete so einen natürlichen Gletscherstausee. Beim Abschmelzen der Barriere kam es mehrmals zu katastrophalen Seeausbrüchen. Gemäss Chroniken sollen in den Jahren 1589, 1633, 1680 und 1772 besonders schlimme Sturzfluten die Dörfer und Weiden im Saastal zerstört haben. Die Flut von 1633 zwang mehrere Familien zur Auswanderung. Andere arbeiteten während Jahren an der Wiederurbarmachung des Talgrundes und gelobten, nicht zu heiraten, bis das Werk vollendet sei. In den nächsten 14 Jahren fand in der Kirchgemeinde Saas keine einzige Hochzeit statt. Die Ausbrüche 1589 und 1633 reichten bis nach Visp und verwüsteten dort das Kulturland.[6] Beim Ausbruch von 1680 wurden sogar 18 Häuser in Visp zerstört. Um solche Katastrophen zu verhindern, wollte man um 1900 einen unterirdischen Abflusskanal bauen, doch die Mittel dazu fehlten.

Künstlicher Stausee

Es wurden früh vereinzelte Studien zur Nutzung des Gefälles zwischen Mattmark und dem Rhonetal gemacht. Die Idee wurde 1954 durch ein Studiensyndikat, an dem die Suiselectra, ein Ingenieurbüro aus Basel, und die Elektrowatt beteiligt waren[7], wiederaufgenommen.

Am 25. März 1959 fand im Hotel Beau-Site in Saas-Fee die Gründung der Kraftwerke Mattmark AG mit Firmensitz in Saas-Grund statt.[8] Der Stausee befindet sich auf dem Gebiet der politischen Gemeinde Saas-Almagell, das Einzugsgebiet für das ganze Wasserkraftwerk erstreckt sich über die Territorien der vier Saaser Gemeinden Saas-Almagell, Saas-Balen, Saas-Fee und Saas-Grund. Die Gebietshoheit wurde aus rechtlichen Gründen der Gemeinde Saas-Almagell übertragen.[9]

In den Jahren 1958 bis 1959 wurde die sechs Meter breite Fahrstrasse von Saas-Almagell nach Mattmark gebaut, womit die Baustelle des Staudamms erschlossen war.[10][11] Die Bauarbeiten am Staudamm begannen im Mai 1960 und sollten bis 1966 dauern. Wegen der Katastrophe im Sommer 1965 verlängerte sich die Bauzeit bis 1967.[12] Die Einweihungsfeier des Stausees erfolgte am 25. Juni 1969 durch Bischof Nestor Adam auf dem Staudamm. In diesem Jahr wurde erstmals der Vollstau erreicht und die Stauanlage dem kommerziellen Betrieb übergeben.[13]

Im Frühling 2007 wurde der Stausee das erste Mal komplett entleert, um Revisionen der Anlagen durchzuführen. Da man aber die früher als üblich einsetzende Schneeschmelze nicht voraussehen konnte, mussten die Arbeiten frühzeitig eingestellt werden, sodass im Februar und März 2008 nochmals eine komplette Entleerung des Sees vonnöten war.

Katastrophe von 1965

Nächtliche Arbeiten nach dem Abbruch des Allalingletschers
Gedenkstätte für die 88 ums Leben gekommenen Bauarbeiter

Am 30. August 1965 wurden durch einen Gletscherabbruch des Allalingletschers 88 Bauarbeiter, 56 davon italienischer Nationalität, unter 2'000'000 m³ Eis und Geröll begraben. Bei den Bergungsarbeiten konnte unter der stellenweise bis zu 50 Meter starken Geröllschicht keiner der Verschütteten lebend geborgen werden. Das Risiko bei der Errichtung der Unterkunftsbaracken direkt unterhalb der schliesslich abgebrochenen Gletscherzunge wurde nicht beachtet. Kein anderer Stausee in der Schweiz forderte beim Bau so viele Opfer.[14][15][16][17][18] Sieben Jahre nach dem Unglück sprach die Walliser Justiz alle 17 Angeklagten, darunter Ingenieure und Manager der Elektrowatt sowie Beamte der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt, frei. Der Journalist Kurt Marti brachte 2005 zutage, dass die Verantwortlichen der Baustelle um die Gefahren des Allalingletschers wussten und dass das Gericht bei seiner Entscheidung sämtliche belastenden Fakten ausblendete. Wenig später bestätigte das Kantonsgericht in Sitten das Urteil und erlegte den Angehörigen der Opfer die Hälfte der Verfahrenskosten auf, was in Italien für zusätzliche Empörung sorgte.[16]

Kraftwerke Mattmark

Mattmarksee im Winter

Das Einzugsgebiet der Kraftwerke Mattmark umfasst 88 km². Dazu gehören Kreuzboden, Almageller- und Furggbach sowie Allalin- und Hohlaubgletscher. Das Zwischeneinzugsgebiet mit der Region Saas-Fee, Schweib- und Riedbach hat eine Grösse von 74 km².

Die installierte Gesamtturbinenleistung beträgt 260,6 MW, die mittlere Jahresproduktion 652,0 Mio. kWh. Darin sind auch die Angaben zum Kraftwerk Saas Fee enthalten, das sein Wasser nicht aus dem Stausee Mattmark bezieht.

Die einzelnen Kraftwerke haben folgende Kennzahlen:

  • Kraftwerk Zermeiggern (zwei vertikalachsige Francis-Turbinen zu 37 MW)
  • Pumpstation Zermeiggern (zwei vertikalachsige Pumpen 1-flutig, 4-stufig zu 23 MW)
  • Kraftwerk Stalden (zwei eindüsige, horizontalachsige Doppel-Pelton-Turbinen zu 92,5 MW)
  • Kraftwerk Saas Fee (eine zweidüsige, horizontalachsige Peltonturbine zu 1,55 MW)[19][4]

Literatur

  • Bernhard Gilg: Das Kraftwerk Mattmark. In: Schweizerische Bauzeitung. 79. Jg., Nr. 35, 31. August 1961
  • Toni Ricciardi, Sandro Cattacin, Rémi Baudouï: Mattmark, 30. August 1965. Die Katastrophe. Seismo, Zürich 2015, ISBN 978-3-03777-161-7.

Dokumentation

Weblinks

Commons: Mattmarksee – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Geoserver der Schweizer Bundesverwaltung (Hinweise)
  2. Rico Senti, Marcel Lutz: Mattmark. Hrsg.: Schweizerisches Talsperrenkomitee. (swissdams.ch [PDF; 461 kB]).
  3. a b c Speicherseen der Schweiz. Bundesamt für Energie
  4. a b Bundesamt für Energie BFE: Statistik der Wasserkraftanlagen. Abgerufen am 14. Juni 2020.
  5. Paul Martone: Saastal. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  6. Walter Ruppen: Visp VS. Siedlung und Bauten (= Schweizerische Kunstführer. 1953, Nr. 356, Ser. 36). 1981, ISBN 3-85782-356-9.
  7. Bernhard Gilg: Das Kraftwerk Mattmark. In: Schweizerische Bauzeitung. 79. Jg., Nr. 35, 31. August 1961.
  8. Kraftwerke Mattmark AG. In: Handelsregister des Kantons Wallis. Abgerufen am 14. Juni 2020.
  9. Paul Martone: Saastal. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  10. Peter Josef Ruppen, Gustav Imseng, Werner Imseng: Saaser Chronik 1200–1988. Hrsg.: Verkehrsverein Saas-Fee. S. 123 f., 163.
  11. Geschichte. In: Saas Almagell Online. Abgerufen am 14. Juni 2020.
  12. Sonia Fenazzi: Symbol für die Schattenseite der Schweizer Geschichte. In: Swissinfo. SRG, 28. August 2015, abgerufen am 14. Juni 2020.
  13. Das Unternehmen Kraftwerke Mattmark AG. In: kwm.ch. Abgerufen am 14. Juni 2020.
  14. Christian Raaflaub: Mattmark: Dunkle Seite der Baugeschichte. In: Swissinfo. 30. August 2005.
  15. Tod in Mattmark. In: NZZ. 31. August 2015.
  16. a b 88 Tote – Die Schande von Mattmark. In: Tages-Anzeiger. 26. August 2015.
  17. Bauarbeiten am Mattmark-Staudamm In: Schweizer Filmwochenschau. 26. August 1965.
  18. Mattmark, die unbewältigte Tragödie In: Tages-Anzeiger. 28. August 2015.
  19. Energiegewinnung im Saastal. In: kwm.ch. Archiviert vom Original am 8. März 2015; abgerufen am 22. Februar 2024.

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Die quadratische Nationalfahne der Schweiz, in transparentem rechteckigem (2:3) Feld.
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Mattmarksee im Saastal (Wallis, Schweiz)
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Mattmark, Blick nach Südsüdwesten (SSW) von der Moräne des Allalingletschers über die Mattmarkebene Richtung Grüenberghorn und Schwarzberggletscher
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Gedenkstätte an die 88 Todesopfer der Gletscher-Katastrophe vom 30. August 1965 beim Bau der Mattmark-Staumauer.
Aufnahme nach Errichtung der Tafel zum 50-jährigen Gedenken. (Keine Übersetzung des französischen Original-Textes)