Staubsturm (Mars)

Staubstürme auf dem Mars erreichen durch die dünne Marsatmosphäre (ca. 1,2 % der Dichte der Erdatmosphäre[1]) hohe Windgeschwindigkeiten um die 100 km/h, allerdings nur einen geringen Winddruck. Ihre Intensität ist also viel geringer als die von Stürmen auf der Erde.[2] Sie können sich jedoch über große Flächen ausdehnen und sogar den gesamten Planeten einhüllen.

Die aktuelle Forschung beschäftigt sich unter anderem damit herauszufinden, wann und unter welchen Voraussetzungen globale Staubstürme auf dem Mars entstehen.

Überblick

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Lokale Staubsturmfront nördlich von Utopia Planitia, südlich der Nordpoleiskappe des Mars.
In der linken Bildhälfte ist die typische Landschaft der nördlichen subpolaren Ebenen zu sehen, in der sich zahlreiche Dünenfelder gebildet haben. Ende Mai entwickelte sich südwestlich davon in Arabia Terra, im Übergangsgebiet von den nördlichen Tiefebenen zum südlichen Marshochland, ein weiterer, viel größerer Sturm, der sich innerhalb weniger Wochen zu einem globalen, planetenweiten Staubsturm entwickelte. Dies war einer der stärksten Staubstürme, die jemals auf dem Mars beobachtet wurden.
Bildbreite: ca. 200 km, Norden ist rechts, (Mars Express, 3. April 2018)

Durch starke Winde, welche häufig auf dem Mars auftreten, kann ein kleiner Staubsturm entstehen. Diese können sich zu größeren Stürmen erweitern. Wenn ein Sturm entstanden ist, kann er mehrere Wochen bis Monate andauern.

Durchschnittlich alle drei Marsjahre (ca. 5½ Erdjahre) entwickeln sich aus normalen Staubstürmen innerhalb weniger Wochen globale Stürme, die den gesamten Planeten einhüllen. Ein globaler Staubsturm beginnt üblicherweise auf der südlichen Hemisphäre. Aufgewirbelter Staub wird dann durch eine intensivierte Hadley-Zirkulation an andere Stellen des Planeten transportiert. Staubstürme, die sich auf der nördlichen Hemisphäre befinden, weiten sich anscheinend nicht global aus.

Entstehung

Wenn Sonnenlicht auf den Boden trifft, wird die Marsluft in Bodennähe aufgewärmt, während die oberen Atmosphärenschichten noch kühl bleiben. Dadurch werden die warmen und kalten Luftschichten instabil. Die warme Marsluft steigt nach oben und nimmt den feinen Marsstaub mit. Die geringere Oberflächengravitation des Mars (38 % der irdischen Fallbeschleunigung) begünstigt das Aufsteigen des Staubs in größere Höhen.

Staub wird durch mehrere unterschiedliche Mechanismen in die Atmosphäre gebracht, unter anderem durch Wind an der Oberfläche, Staubteufel oder Saltation. Diese Mechanismen hängen von der Größe der Staubpartikel ab. Damit grobkörnige Partikel durch den Saltationsprozess aufsteigen können, muss die Windgeschwindigkeit Werte zwischen 25 und 30 Meter pro Sekunde erreichen. Die Saltation von Staub, der größere Körner enthält, kann dazu führen, dass feinere Partikel mit angehoben werden. Dies kann nachfolgend zu lokalen, regionalen und globalen Staubstürmen führen, da diese feinen Partikel länger in der Atmosphäre verbleiben. Da Staubteufel relativ häufig auf der Marsoberfläche auftreten, wurde vorgeschlagen, dass auch sie für die Anhebung aller Größen von Staubteilchen verantwortlich sein könnten.

Nachdem der Staub die Atmosphäre erreicht hat, kann er einige Stunden, Tage, oder im Falle eines lokalen Staubsturms auch mehrere Tage oder Wochen dort verbleiben. Staub kann zu anderen Orten auf dem Planeten durch die globale Zirkulation (Hadley-Zellen oder planetarische Wellen) gebracht werden oder auch durch mesoskalige und lokale Winde. Der meridional aufsteigende Teil einer Hadley-Zelle hebt warme Marsluft bis zu 40 km während des Südsommers in die Höhe und transportiert sie in die nördliche Hemisphäre. Der südwärtige Fluss einer Hadley-Zirkulation wurde durch MOC-Bilder im Marsjahr (MY) 24 beobachtet, als mehrere regionale Staubstürme auftraten.

Der Mechanismus, der diese planetenweiten Staubstürme verursacht, ist weiterhin kaum verstanden. Staub in der Marsluft beeinflusst die atmosphärische Temperatur und hat einen bedeutenden Effekt auf die allgemeine Zirkulation in der marsianischen Atmosphäre. Deshalb müssen bei einer Modellierung von globalen Klimamodellen die Strahlungseffekte des Marsstaubs berücksichtigt werden. Während des Tages absorbiert der Staub die Sonnenstrahlung und wärmt die untere Atmosphäre durch diabatische Heizung. Dadurch könnte der Staub z. B. die Hadley-Zirkulation beeinflussen. Im Vergleich zu einer staubfreien Atmosphäre lässt eine Erhöhung des Staubgehalts der Atmosphäre die meridionale Zirkulation vertikal und horizontal ausdehnen.

Größere Staubstürme treten normalerweise während des Sommers der marsianischen Südhemisphäre auf. Wie auf der Erde werden auf dem Mars die Jahreszeiten durch die Neigung der Achse verursacht. Die Umlaufbahn des Mars ist jedoch sehr viel elliptischer als die der Erde. Dadurch erhält der Planet in Sonnennähe weit mehr Strahlung als in Sonnenferne, und die Südsommer sind wärmer als die Nordsommer. Wissenschaftler sind sich noch nicht sicher, weshalb so lange Zeiträume zwischen dem Auftreten von Staubstürmen existieren.

Laut James Shirley vom Jet Propulsion Laboratory scheinen globale Staubstürme dann mit einer höheren Wahrscheinlichkeit aufzutreten, wenn der Bahndrehimpuls des Mars zunimmt. Andere Planeten beeinflussen den Impuls des Mars, wenn er den Schwerpunkt des Sonnensystems umkreist. Das Drehmoment, der durch die anderen Körper des Sonnensystems entsteht, variiert mit einer Zykluszeit von 2,2 Jahren. Dies ist länger als die Umlaufszeit des Mars, welche ungefähr 1,9 Jahre beträgt. Shirley fand heraus, dass globale Staubstürme dann auftreten, wenn dieses Drehmoment während des ersten Teils der Staubsturmsaison zunimmt.[3] Keiner der bekannten globalen Staubstürme trat in Jahren auf, in denen das Drehmoment während des ersten Teils der Staubsturmjahreszeit abnahm.

Diese physikalische Hypothese sagt voraus, dass eine schwache Kopplung der Orbital- und Rotationsbewegungen von ausgedehnten Körpern (wie anderen Planeten) eine Modulation von Zirkulationsströmen in ihren Atmosphären hervorrufen kann. Mit dieser Hypothese werden Zyklen der Intensivierung und Abschwächung von großräumigen Zirkulationsströmungen vorhergesagt, wobei die Phasenlage dieser Änderungen direkt mit der Änderungsrate des Bahndrehimpulses bezüglich des Trägheitsrahmen verbunden ist. Die Hypothese wurden durch Vergleiche zwischen berechneten dynamischen Zeitreihen der zeitlichen Änderungsrate des Bahndrehimpulses und historischen Beobachtungen bestätigt.

Ablauf eines globalen Staubsturms

Mars vor und während eines Staubsturms (Juli 2018)

Laut Gierasch (1974)[4] läuft die Sturmentstehung folgendermaßen ab: Ein oder mehrere regionale Stürme entwickeln sich während des südlichen Marssommers oder -frühlings in einer von drei bevorzugten Regionen:

Diese lokalen Staubstürme dehnen sich innerhalb eines Zeitraums von typischerweise vier Tagen weiter aus. Während weiterer vier Tage beschleunigt sich die Ausdehnung, es entwickeln sich neue Aktivitätszentren, während sich bestehende verbinden. Zuerst beginnt die Sturmerweiterung hauptsächlich in einer Ost-West-Richtung. Nach weiteren 5 bis 10 Tagen hat dann der Staub den gesamten Planeten eingenommen. Viele der Kernregionen, die sich während der Anfangsphase aufgebaut hatten, bleiben weiterhin aktiv und sind auch während der späteren Phasen des Sturms unterscheidbar. Sobald ein großer Staubsturm seine Endphase erreicht hat, bildet sich der planetenweite Dunst über eine Periode von mehreren Wochen zurück.

Liste von Marsstürmen

Die folgende Tabelle listet Beispiele von beobachteten Staubstürmen auf dem Mars.[5][6] Seit 1924 wurden zehn globale Staubstürme entdeckt. Die tatsächliche Anzahl solcher Ereignisse ist wohl höher. Bevor Mars durch Orbiter permanent überwacht wurde, war die Beobachtung nur mit erdbasierten Teleskopen möglich. In der Saison, in der die Stürme am wahrscheinlichsten auftreten, ist der Mars zur Beobachtung jedoch schlecht positioniert.[7]

ZeitpunktMarsjahrDauerBereichAnmerkungenLsUrsprungsgebiet
1909 (Aug)
1911 (Nov)
1922192°
1924 (Okt)GlobalGlobaler Staubsturm im Mars-Südsommer310°
1924 (Dez)237°Isidis Planitia
1939Utopia ?
1941 (Nov)Südlich Isidis
1943210°Isidis
1956MY1GlobalGlobaler Staubsturm im Mars-Südsommer249°Hellespontus
1958MY2310°Isidis
1971 (Jul)MY9Staubsturm im Mars-Südfrühling213°Hellespontus
1971 (Sep)MY9GlobalBeobachtet bei Ankunft von Mariner 9, globaler Staubsturm im Mars-Südsommer260°Hellespontus
1973MY10GlobalGlobaler Staubsturm im Mars-Südsommer300°Solis Planum, Hellespontus
1977 (Feb)MY12GlobalBeobachtet von Viking 1/2, globaler Staubsturm im Mars-Südfrühling205°Thamasia Fossae
1977 (Jun)MY12Beobachtet von Viking 1/2275°
1979MY13Staubsturm im Mars-Südfrühling225°?
1982MY15GlobalGlobaler Staubsturm im Mars-Südsommer208°
1994MY21GlobalGlobaler Staubsturm im Mars-Südsommer254°
2001MY25GlobalGlobaler Staubsturm im Mars-Südfrühling185°
2007MY28GlobalGlobaler Staubsturm im Mars-Südsommer, beobachtet von den Rovern Spirit und Opportunity262°
2012MY31
2018MY34GlobalBeobachtet von den Rovern Curiosity und Opportunity190°

Weblinks

Commons: Staubstürme auf dem Mars – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt: Jahrbuch. 2002 (books.google.de).: „Die Mars-Atmosphäre besitzt eine Dichte von 0,016 kg/m³ (Erde 1,293 kg/m³)“
  2. The Fact and Fiction of Martian Dust Storms. (Nicht mehr online verfügbar.) National Aeronautics And Space Administration, archiviert vom Original am 18. Juni 2018; abgerufen am 18. Juni 2018.
  3. James H. Shirley, Michael A. Mischna: Orbit-spin coupling and the interannual variability of global-scale dust storm occurrence on Mars. Abgerufen am 15. August 2018.
  4. GIERASCH, P. J.: Martian Dust Storms. (PDF) Abgerufen am 22. Juli 2018.
  5. Richard W. Zurek: Martian Great Dust Storms: An Update. (PDF) Abgerufen am 22. Juli 2018.
  6. James H. Shirley, Michael A. Mischna: Orbit-spin coupling and the interannual variability of global-scale dust storm occurrence on Mars. In: Planetary and Space Science. Band 139, 16. April 2016, S. 37–50, doi:10.1016/j.pss.2017.01.001, arxiv:1605.01452 [abs].
  7. Guy Webster, NASA: Study Predicts Next Global Dust Storm on Mars. NASA, 5. Oktober 2016, abgerufen am 22. August 2018 (englisch).

Auf dieser Seite verwendete Medien

PIA16454 Regional Dust Storm Weakening, Nov. 25, 2012.jpg
A regional dust storm visible in the southern hemisphere of Mars in this nearly global mosaic of observations made by the Mars Color Imager on NASA's Mars Reconnaissance Orbiter on Nov. 25, 2012, has contracted from its size a week earlier (PIA16450).

Small white arrows outline the area where dust from the storm is apparent in the atmosphere. Locations of NASA's Mars rovers Opportunity and Curiosity are labeled. A newer, smaller dust storm is visible northwest of Opportunity.

Black areas in the mosaic are the result of data drops or high angle roll maneuvers by the orbiter that limit the camera's view of the planet. Equally-spaced blurry areas that run from south-to-north (bottom-to-top) result from the high off-nadir viewing geometry, a product of the spacecraft's low-orbit.

Malin Space Science Systems, San Diego, provided and operates the Mars Color Imager. NASA's Jet Propulsion Laboratory, a division of the California Institute of Technology in Pasadena, manages the Mars Reconnaissance Orbiter for NASA's Science Mission Directorate, Washington. Lockheed Martin Space Systems, Denver, is the prime contractor for the project and built the spacecraft.
Dust storm co.tif
Autor/Urheber: ESA, Lizenz: CC BY-SA 3.0 igo
Dieses Bild der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigt einen lokalen Staubsturm mit einer sich aufwölbenden Wolkenfront in der Nähe der Nordpoleiskappe des Mars. Dieser Sturm wurde im April 2018 aufgenommen und ist einer von mehreren lokalen Staubstürmen, die während der letzten Monate am Mars beobachtet wurden.
PIA22487-Mars-BeforeAfterDust-20180719.gif
PIA22487: Mars Before and After Dust Storm

Side-by-side movies shows how dust has enveloped the Red Planet, courtesy of the Mars Color Imager (MARCI) camera onboard NASA's Mars Reconnaissance Orbiter (MRO).

The view from May shows Valles Marineris chasms (left), Meridiani center, an autumn dust storm in Acidalia (top) and the early spring south polar cap (bottom). The view from July shows the same regions, but most of the surface was obscured by the planet-encircling dust cloud and haze.

Malin Space Science Systems, San Diego, provided and operates MARCI. NASA's Jet Propulsion Laboratory, a division of Caltech in Pasadena, California, manages the Mars Reconnaissance Orbiter for NASA's Science Mission Directorate, Washington. Lockheed Martin Space Systems, Denver, built the spacecraft.
PIA22329-Mars-DustStorm-20180606.jpg
PIA22329: Dust Storm Covers Opportunity

This global map of Mars shows a growing dust storm as of June 6, 2018. The map was produced by the Mars Color Imager (MARCI) camera on NASA's Mars Reconnaissance Orbiter spacecraft. The blue dot shows the approximate location of Opportunity.

The storm was first detected on June 1. The MARCI camera has been used to monitor the storm ever since.

Full dust storms like this one are not surprising, but are infrequent. They can crop up suddenly but last weeks, even months. During southern summer, sunlight warms dust particles, lifting them higher into the atmosphere and creating more wind. That wind kicks up yet more dust, creating a feedback loop that NASA scientists still seek to understand.

Malin Space Science Systems, San Diego, provided and operates MARCI. NASA's Jet Propulsion Laboratory, a division of Caltech in Pasadena, California, manages the Mars Reconnaissance Orbiter for NASA's Science Mission Directorate, Washington. Lockheed Martin Space Systems, Denver, built the spacecraft.
PIA16450 Martian Dust Storm, Nov. 18, 2012.jpg
This nearly global mosaic of observations made by the Mars Color Imager on NASA's Mars Reconnaissance Orbiter on Nov. 18, 2012, shows a dust storm in Mars' southern hemisphere. Small white arrows outline the area where dust from the storm is apparent in the atmosphere.

Locations of NASA's Mars rovers Opportunity and Curiosity are labeled.

Black areas in the mosaic are the result of data drops or high angle roll maneuvers by the orbiter that limit the camera's view of the planet. Equally-spaced blurry areas that run from south-to-north (bottom-to-top) result from the high off-nadir viewing geometry, a product of the spacecraft's low-orbit.

Malin Space Science Systems, San Diego, provided and operates the Mars Color Imager. NASA's Jet Propulsion Laboratory, a division of the California Institute of Technology in Pasadena, manages the Mars Reconnaissance Orbiter for NASA's Science Mission Directorate, Washington. Lockheed Martin Space Systems, Denver, is the prime contractor for the project and built the spacecraft.