Starrer Rotator

Der Starre Rotator ist ein ideales Modell der Mechanik, welches zur Beschreibung von rotierenden Körpern genutzt wird. Bei diesem Modell drehen sich zwei oder mehrere Massenpunkte eines Körpers in einem jeweils festen Abstand um eine Hauptträgheitsachse. Zur Beschreibung im dreidimensionalen Raum werden üblicherweise drei unterschiedliche Hauptträgheitsachsen mit den Trägheitsmomenten , , definiert, welche als Konvention üblicherweise in der hier genannten Reihenfolge zunehmen.

Linearer starrer Rotator

Ein allgemeiner diatomarer Starrer Rotator

Beim linearen Starren Rotator besteht der Körper aus zwei oder mehreren linear angeordneten Massepunkten, die einen jeweils festen Abstand zum Massenschwerpunkt haben. Die Rotationsachse verläuft durch den Massenschwerpunkt. Beispiele für derartig aufgebaute Moleküle sind das Wasserstoffmolekül oder Kohlenstoffdioxid. Das Trägheitsmoment für diese Rotation berechnet sich klassisch nach der Gleichung

wobei oftmals anstatt der Summe der Massenpunkte mit den jeweiligen Abständen zur Drehachse, die reduzierte Masse mit dem Abstand der beiden Massen genutzt wird.

Eine Besonderheit beim linearen Starren Rotator ist, dass das Trägheitsmoment der Hauptträgheitsachse null beträgt. Hieraus folgt, dass dieser Rotator mit den zwei identischen Trägheitsmomenten beschrieben werden kann.

Klassische Berechnung der Energie

Bei einer klassischen Betrachtung des Starren Rotators entspricht die Gesamtenergie der Rotationsenergie des Systems. Diese hängt mit der Winkelgeschwindigkeit um die Hauptträgheitsachse des Trägheitsmoments nach

zusammen.

Quantenmechanische Berechnung der Energie

In der Quantenmechanik wird der Starre Rotator durch eine Wellenfunktion beschrieben. Seine Energieeigenwerte ergeben sich durch die Lösung der stationären Schrödingergleichung

.

Da das Teilchen keinem elektrischen Potential ausgesetzt ist und nur kinetische Energie besitzt, lautet der Hamilton-Operator:

Hierbei entspricht dem Laplaceoperator. Dieser ist in Kugelkoordinaten als

definiert, wobei der erste Term durch den konstanten Abstand entfällt. Daher kann ein neuer Operator als

definiert werden. Durch Beschreibung der Schrödingergleichung in Kugelkoordinaten anstatt kartesischen Koordinaten kann diese in zwei Funktionen aufgeteilt werden. Die Erstere ist nur von abhängig, während die Kugelflächenfunktion sowohl vom Polarwinkel als auch dem Azimutwinkel abhängt. Durch Einsetzen der zuvor genannten Gleichungen in die Schrödingergleichung erhält man:

Die Anwendung des gekürzten Laplaceoperators auf die Kugelflächenfunktion gibt einem diese mit dem Faktor multipliziert zurück.

Hieraus folgt, dass die erlaubten Rotationsenergieniveaus sich nach der Formel

Nach Einführen der Rotationskonstante als

und Substition von mit der Rotationsquantenzahl kann die oftmals gebräuchlichere Form

geschrieben werden, woraus die in der Spektroskopie üblichen Rotationsterme nach

berechnet werden können.

Sphärischer Rotator

Methan ist ein Beispiel für einen sphärischen Rotator

Ein sphärischer Rotator liegt vor, wenn die Trägheitsmomente der Hauptträgheitsachsen identisch sind und somit . Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass die Rotationsenergieniveaus analog zum linearen Rotator berechnet werden können. Ein Beispiel für einen solchen Rotator ist das Methanmolekül. Da bei diesem Rotator kein permanentes Dipolmoment vorliegt, treten Übergänge in den Rotationsniveaus erst aufgrund von Zentrifugaldehnung des Moleküls auf, da hierdurch ein permanentes Dipolmoment induziert wird (vgl. Abschnitt Auswahlregeln).

Zentrifugaldehnung

Eine übliche Anpassung des Modells des Starren Rotators zum Beschreiben realer Systeme ist das Zulassen einer Dehnung der Abstände durch die bei einer Rotation auftretende Zentrifugalkraft. Die Korrektur erfolgt üblicherweise, indem eine von abhängige Dehnungskonstante eingeführt wird. Dadurch erhält man die erlaubten Rotationsenergieniveaus fortan durch die Gleichung

Die Dehnungskonstante kann für zweiatomige Moleküle aus der Rotationskonstante und der Wellenzahl der Grundschwingung nach der Gleichung

bestimmt werden.

Symmetrischer Rotator

Fluormethan ist aufgrund des Fluoratoms ein spitzer symmetrischer Rotator
Benzol ist ein flacher symmetrischer Rotator

Symmetrische Rotatoren zeichnen sich dadurch aus, dass die Trägheitsmomente von je zwei Hauptträgheitsachsen identisch sind. Im Fall von spricht man von einem flachen und bei von einem spitzen symmetrischen Rotator. Da nur noch zwei Hauptträgheitsmomente identisch sind, wird für die Rotationsterme eine weitere Rotationsquantenzahl analog zu in der Kugelflächenfunktion benötigt.

Bei einem spitzen symmetrischen Rotator entspricht der Rotationskonstante und , während bei einem flachen symmetrischen Rotator der Rotationskonstante entspricht. Die Energieniveaus eines symmetrischen Rotators können aus den Rotationstermen beziehungsweise analog zum linearen Rotator durch Anwenden des Hamiltonoperators auf die Schrödingergleichung gewonnen werden. Dies führt für zu der Lösung

für den spitzen beziehungsweise

für den flachen symmetrischen Rotator.

Asymmetrischer Rotator

Wasser ist ein Beispiel für einen asymmetrischen Rotator

Beim asymmetrischen Rotator unterscheiden sich die Trägheitsmomente aller Hauptträgheitsachsen voneinander. Dies führt dazu, dass es keine allgemein gültigen Formeln zur Berechnung der Energieniveaus bei quantenmechanischer Betrachtung gibt, für bestimmte Rotationquantenzahlen existieren jedoch exakte Formeln.[1] Klassisch kann die Energie weiterhin über die Hauptträgheitsmomente und den Winkelgeschwindigkeiten berechnet werden.

Auswahlregeln

Die Übergänge der Energieniveaus eines Starren Rotators folgen bestimmten Regeln, den sogenannten Auswahlregeln. Die Änderung der Rotationsenergieniveaus durch Emission oder Absorption von elektromagnetischer Strahlung ist immer dann erlaubt, wenn das Übergangsdipolmoment des Übergang nach der Gleichung

nicht verschwindet. Die Gleichung kann für reine Rotationsübergänge, wie sie im Starren Rotator als einzige möglich sind, nach Integration über die vibronischen Funktionsanteilen vereinfacht werden zu

Hieraus folgt, dass Rotationsübergänge durch elektromagnetische Strahlung nur bei Molekülen mit einem permanenten Dipolmoment erlaubt sind, also Molekülen, bei denen das Integral nicht verschwindet. Die hiernach erlaubten Übergänge treten für Funktionen mit mit gegenüber um

geänderten Quantenzahlen auf, was den Änderungen der Rotationsquantenzahlen

entspricht. Diese Regeln werden als Auswahlregeln bezeichnet.

Literatur

  • Gerd Wedler, Hans-Joachim Freud: Lehrbuch der Physikalischen Chemie. 6. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2013, ISBN 978-3-527-32909-0, S. 532–540.
  • Peter Atkins, Julio de Paula: Physical Chemistry. 10. Auflage. Oxford University Press, 2014, ISBN 978-1-4292-9019-7, 12B–12C, S. 488–498.
  • Kurt W. Kolasinski: Physical chemistry. 1. Auflage. Wiley, New York 2017, ISBN 978-1-118-75112-1, 25.2, S. 604–608.
  • Reiner Salzer, Steffen Thiele, Lydia Suemmchen: Rotationsschwingungsspektren. In: chemgapedia.de. Wiley-VCH, abgerufen am 13. Juli 2018.

Einzelnachweise

  1. P. D. Jarvis, L. A. Yates: The molecular asymmetric rigid rotor Hamiltonian as an exactly solvable model. In: Molecular Physics. Band 106, Nr. 7, 2008, doi:10.1080/00268970802050394, arxiv:0803.2562.

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