St. Wendel zum Stein
St. Wendel zum Stein ist eine kleine Kapelle an der Jagst nahe Dörzbach im Hohenlohekreis. Sie befindet sich im gleichnamigen Naturschutzgebiet.
Lage
Links der Jagst lagert eine Kalksinterterrasse mit einer zehn Meter hohen Felswand. Diese Terrasse entstand durch Kalkausscheidungen mehrerer an der Grenzlinie zwischen unterem und mittlerem Muschelkalk liegender Quellen und wird auf ein Alter von rund 5000 Jahren geschätzt. Die Stelle ist das größte Kalksintervorkommen im Hohenlohekreis. Am Felsen wurde im Mittelalter Baumaterial für Häuser in Dörzbach und Krautheim abgebaut. Dabei legte man Höhlen frei, die in der Eisenzeit bewohnt waren, was auf die Hallstatt- und La-Tène-Zeit datierte Funde bewiesen.
Kapelle
Zwischen 1511 und 1515 wurde als Gelübdeerfüllung im Auftrag Ursulas von Berlichingen eine dem Schutzheiligen der Hirten, St. Wendelin, geweihte Wallfahrtskapelle im spätgotischen Stil an die Felswand gebaut. Sie wurde an der Stelle einer romanischen Vorgängerkapelle errichtet und ist die dritte Kapelle an diesem Ort. Zur Kapelle gehört ein gleich altes Mesnerhaus, unter dem eine als Kindlesbrunnen bezeichnete Quelle entspringt. Bereits im Jahr 1478 wurde die Steinkappel in einer Besitzurkunde der Herren von Bachenstein erwähnt. Die erste Kapelle dürfte bereits im 6. Jahrhundert in einer Tuffsteingrotte oberhalb der heutigen Kapelle in den mächtigen Kapellenfelsen hineingebaut worden sein. Spuren davon sind deutlich zu sehen. Der Sage nach hat ein Schäfer an diesem Platz einen Schatz gefunden und aus Dankbarkeit Gott gegenüber dort eine Kapelle gebaut. Neuzeitliche Funde lassen die Sage plausibel erscheinen. In vorchristlicher Zeit befand sich dort ein keltisches Quellenheiligtum mit Quelle, Baum und Felsen. Zur Entstehungszeit der ersten Kapelle war es durch einen Erlass Papst Gregors des Großen nicht ungewöhnlich, dass heidnische Kultstätten in christliche Andachtsstätten umgewidmet wurden.
Seit 1997 kümmert sich der Förderverein Sankt-Wendel-Kapelle Dörzbach um Pflege und Erhalt der Kapelle. Das Mesnerhaus wurde renoviert, das Turmdach der Kapelle erneuert, die Kapellenfenster wurden restauriert.
In der Kapelle werden seit jüngerer Zeit vermehrt Gottesdienste und Andachten gefeiert. Im Sommer 2006 wurden im mittleren Jagsttal die „Pfade der Stille“ eingeweiht. Die St.-Wendel-Kapelle ist in den Dörzbacher Streckenabschnitt integriert. Sie und der Kocher-Jagst-Radweg, der unmittelbar oberhalb der Kapelle über den Maifestplatz führt, bringen seitdem wieder zahlreiche Besucher.
Höhlen
Im Jahr 1936 wurde in dem Tuffsteinfelsen rechts von der Kapellengrotte die Marderhöhle entdeckt. In ihr fand man mehrere menschliche Skelette, dazu zahlreiche Grabbeigaben wie Schmuck, Werkzeuge und Keramik, eine keltische Silbermünze und Bernsteinperlen. Die Funde wurden in die späte Hallstatt- und die darauffolgende frühe La-Tène-Zeit (etwa 500 v. Chr.) datiert.
Naturschutzgebiet
Die Felswand, das Jagstufer darunter und der Klebwald oberhalb wurden 1979 mit einer Gesamtfläche von 12,1 Hektar (Schutzgebietsnummer 1082) unter Naturschutz gestellt. Dadurch sollen seltene Pflanzen wie z. B. die Hirschzunge geschützt sowie der Kalkfelsen mit seinen mittelalterlichen und prähistorischen Zeugnissen aufgrund seiner landeskundlichen und kulturellen Bedeutung erhalten werden.
Chorgewölbe
Wandmalerei
Rückwand aus Naturfels
rechter Seitenaltar
Einsiedlerhöhle oberhalb der Kapelle
Literatur
- Gustav Hofmann: Urkirchen in Württemberg, Zeitschrift für württ. Landesgeschichte VI. Jahrgang, Stuttgart 1942.
- Ernst Eduard Hahn: Heiligtümer der Germanen. Hohenloher Druck- und Verlagshaus, Gerabronn/Crailsheim 1970.
- Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Hrsg. von dem K. statistisch-topographischen Bureau. Kohlhammer, Stuttgart 1883.
- Ottmar Schönhuth: Die Kapelle St. Wendel zum Stein im Jagsttal, aus: Heftreihe württ. Franken, Heft 3, Aalen 1849.
- Emil Kost: Die Besiedlung württ. Frankens in vor- u. frühgeschichtlicher Zeit, aus: Heftreihe württ. Franken, Schwäbisch Hall 1936.
- Hans Mattern: Das Jagsttal von Crailsheim bis Dörzbach. Baier BPB Verlag, Crailsheim 1995, ISBN 3-929233-04-5.
- G. Himmelheber: Kunstdenkmäler im Oberamt Künzelsau, Frankfurt 1962.
- Gerhard Herm: Die Kelten, Augsburg 1996.
- Gemeinde Dörzbach: Festschrift zum Heimattag 1936, Festschrift zum Heimattag 1961, 150 Jahre Dörzbacher Maifest (1986).
- Ludwig Eyth: Der Bezirk Künzelsau, Schwäbisch Hall nach 1906.
- "Förderverein St.-Wendel-Kapelle Dörzbach" (Fritz Ebert / Klaus-Dieter-Seifert): Festschrift zum Kapellen- und Maifestjubiläum 2011.
- Jürgen H. Rauser: Dörzbacher Heimatbuch. Gemeinde Dörzbach, Dörzbach 1980 (Heimatbücherei Hohenlohekreis. Band 3)
- Carl Weitbrecht: Württemberg wie es war und ist, Stuttgart um 1900.
- Karl und Anton Weller: Württembergische Geschichte im südwestdeutschen Raum. 7. Auflage. Theiss, Stuttgart und Aalen 1972, ISBN 3-8062-0104-8.
- Fritz Ebert /„Förderverein St.-Wendel-Kapelle Dörzbach“: eigene Veröffentlichungen und Unterlagen mit weiteren Literaturangaben.
Weblinks
- Dörzbach Freizeit
- Geotope im Regierungsbezirk Stuttgart (PDF; 535 kB)
- Serviceangebot zum Geotourismus der Universität Freiburg
Koordinaten: 49° 22′ 0,04″ N, 9° 43′ 4,81″ O
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Der rechte Seitenaltar der Kapelle St. Wendel zum Stein.
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Detailaufnahme der Informationen zu den Höhlen vom Infoschild der Pfade der Stille bei St. Wendel zum Stein.
Brunnen/Mesnerhaus von St. Wendel zum Stein
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Die Einsiedlerhöhle oberhalb von St. Wendel zum Stein.
Wandmalerei in St. Wendel zum Stein
Gewölbe des Chors in St. Wendel zum Stein
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Blick vom Chor auf die gegenüberliegende Felswand der Kapelle St. Wendel zum Stein.
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Blick zum Chor der Kapelle St. Wendel zum Stein.
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Wallfahrtskapelle von 1515 bei Dörzbach. Vorne: Jagst.
Hinten: Große, teilweise abgebaute, ca. 10m hohe Kalktuff-Barre. Darin mehrere Primärhöhlen sichtbar. Sedimentation aus Karstquellen seit dem Holozän noch aktiv.