St. Nikomedes (Borghorst)

St. Nikomedes

Die katholische Pfarrkirche St. Nikomedes ist ein denkmalgeschütztes Kirchengebäude in Borghorst, einem Ortsteil von Steinfurt, der Kreisstadt des Kreises Steinfurt in Nordrhein-Westfalen. Sie ist dem Nikomedes geweiht. Auf Pfarreigebiet steht die kleine Aloysiuskapelle aus der Zeit des Rokoko.

Geschichte und Architektur

Die Kirche steht an der Stelle der 1885[1] abgebrochenen ehemaligen Stiftskirche des Stiftes Borghorst. Sie wurde von 1885 bis 1889 von Hilger Hertel dem Älteren errichtet. Das Gebäude ist eine Hallenkirche in neugotischem Stil mit Werkstein-Fassaden. Der Turm der Kirche ist 99 Meter hoch[2] und somit nach der St.-Antonius-Basilika in Rheine (102,5 Meter) und dem Ludgerusdom in Billerbeck (100 Meter) der dritthöchste Kirchturm des Münsterlandes.

Ausstattung

Stiftskreuz

Bedeutendster Ausstattungsgegenstand von St. Nikomedes ist ein goldenes Reliquienkreuz, das sog. Borghorster Stiftskreuz. Es handelt sich dabei um eine der bedeutenden ottonischen Goldschmiedearbeiten in Westfalen. Der Entstehungsort ist nicht bekannt, entstanden ist es im 11. Jahrhundert. Es hat einen Holzkern und ist auf der Vorderseite mit Goldblech, auf der Rückseite mit Kupferblech beschlagen.

Das Kreuz wurde am 29. Oktober 2013 aus der Kirche gestohlen.[3] Im Februar 2017 konnte das mit mehreren Millionen Euro versicherte Kunstwerk sichergestellt werden[4] und die mittlerweile ermittelten drei Täter aus Bremen wurden zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Nach genauer Prüfung und Umsetzung des Präsentations- und Sicherheitskonzeptes im Jahr 2018, soll das Kunstwerk in Kürze wieder in die Kirche zurückkehren[5].

Weitere Ausstattung

  • Becken eines Taufsteins aus dem 13. Jahrhundert, sog. „Bentheimer Typ“; Bronzefuß und -deckel stammen aus dem 20. Jahrhundert.
  • Vesperbild aus Holz von 1430
  • Steingruppe aus dem 15. Jahrhundert: Anna lehrt Maria die heilige Schrift.
  • Figuren vom barocken Hochaltar der Stiftskirche, vom Vredener Bildhauer Johann Elsbeck (schuf auch den im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hochaltar in der Stiftskirche St. Felizitas Vreden)
    • Holzfigur des hl. Nikomedes aus dem 18. Jahrhundert
    • Holzfigur des hl. Laurentius vom 18. Jahrhundert
  • Steinmadonna, durch ein Chronostichon auf 1724 datiert

Bleiglasfenster

Blick durch das Hauptschiff zur Chorapsis

St. Nikomedes hat über 40 Fenster(flächen), die von unterschiedlichen Künstlern farblich gestaltet wurden.[6]

Etliche Fenster, insbesondere im Chorraum und auf der Empore wurden von der Firma Hertel & Lersch in den Jahren 1885 bis 1886 gestaltet. Sie zeigen biblische Szenen wie Jesus am Ölberg, die Geißelung Jesu, Maria und Johannes unter dem Kreuz, und auch Heiligenfiguren (St. Liudger, St. Nikomedes von Rom, St. Laurentius von Rom).

Etliche Fenster, insbesondere in den Seitenschiffen, wurden von dem Künstler Paul Weigmann geschaffen. Sie stammen teilweise aus dem Jahr 1978 und zeigen Ornamente aus Symbolen des Himmlischen Jerusalem (Zinnen, Türme, Tore) und Heilige und Gerechte (u. a. St. Liudger, St. Paulus, Maria Königin des Rosenkranzes, Adolf Kolping, Arnold Janssen, Clemens August von Galen, Maximilian Kolbe). Weitere Fenster wurden von Weigmann in den Jahren 1984–1985 gestaltet; sie zeigen biblische Szenen, wie z. B. die Krönung Mariens, die Hochzeit zu Kanaa, den Baum des Lebens. Im Maßwerk etlicher Fenster finden sich Fragmente der historischen Verglasung.

Die Fenster in der Stiftskapelle wurden 1968 von dem Künstler Franz Heilmann geschaffen.

Orgel

Fleiter-Orgel auf der Westempore

Die Orgel wurde 1926–1927 von dem Orgelbauer Ludwig Fleiter (Münster) erbaut. Das ursprünglich deutsch-romantische Instrument mit orchestralen Klangfarben wurde nach dem Zweiten Weltkrieg entsprechend den damalig aufkommenden Klangidealen „barockisiert“.

Ursprünglich stand das Instrument als Einheit auf der nördlichen Westempore. Nach Einbau einer neuen Orgelempore im Turmraum der Kirche wurde das Positiv auf die neue Empore in einem eigenständigen Gehäuse aufgestellt; später wurde das Gehäuse des Positivs von der Orgelbaufirma Fleiter erneuert und dem Prospekt auf der Nordempore angepasst.[7] Ein Teil der Register des Positivs, die Chamaden, befinden sich in einem eigenen Orgelgehäuse auf der südlichen Westempore.

Das Instrument hat 68 Register auf drei Manualwerken und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind elektropneumatisch.[8]

I Hauptwerk C–g3
01.Prinzipal16'
02.Bordun16'
03.Prinzipal08'
04.Viola di Gamba0008'
05.Hohlflöte08'
06.Gemshorn08'
07.Oktave04'
08.Rohrflöte04'
09.Quinte0213'
10.Oktave02'
11.Cornett III
12.Mixtur IV-V0113'
13.Cymbel IV012'
14.Trompete16'
15.Trompete08'
II Positiv C–g3
16.Stillgedackt16'
17.Prästant08'
18.Traversflöte08'
19.Dolce08'
20.Cor de Nuit08'
21.Prinzipal04'
22.Flöte04'
23.Salicional04'
24.Nasard0223'
25.Oktavin02'
26.Waldflöte02'
27.Quinte0113'
28.Schwiegel01'
29.Scharfcymbel IV 0023'
30.Trompette[A 1]16'(n)
31.Trompette[A 1]08'(n)
32.Oboe08'
33.Krummhorn08'
34.Klarinette[A 2]08'(n)
35.Trompette[A 1]04'(n)
Tremolo
III Schwellwerk C–g3
36.Grossgedackt16'
37.Prinzipal08'
38.Starktongamba 0008'
39.Jubalflöte08'
40.Bourdon08'
41.Aeoline08'
42.Vox Céleste08'
43.Prästant04'
44.Bachflöte04'
45.Quinte0223'
46.Nachthorn02'
47.Terz0135'
48.Sifflöte01'
49.Mixtur VI-VIII0113'
50.Trompete08'
51.Knopfregal08'
52.Clairon04'
Tremulant
Pedalwerk C–f1
53.Untersatz32'
54.Prinzipalbaß16'
55.Violon16'
56.Subbaß16'
57.Echobaß16'
58.Oktave08'
59.Bourdon08'
60.Oktave04'
61.Choralbaß04'
62.Blockflöte02'
63.Cornettmixtur III
64.Contraposaune 0032'
65.Posaune16'
66.Trompete08'
67.Clairon04'
68.Singend Cornett02'
  • Koppeln
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
    • Suboktavkoppeln: III/I, III/II, III/III
    • Superoktavkoppeln: III/I, III/II, III/III
  • Anmerkungen
  1. a b c Horizontales Register.
  2. Durchschlagendes Register.
(n) = später hinzugefügtes Register

Glocken

St. Nikomedes verfügt über ein barockes Geläut mit insgesamt sechs Glocken. Es ist eines der wenigen vollständig erhaltenen historischen Kloster- bzw. Stiftsgeläute in Westfalen. Die Glocken wurden von der alten Stiftskirche übernommen. Die sechs Läuteglocken hängen in einem Holzglockenstuhl aus dem 19. Jahrhundert, der Erbauungszeit des heutigen Turms, wurden von verschiedenen Meistern gegossen. Die älteste Glocke aus dem Jahre 1507 stammt von dem Glockengießer Wolter Westerhues. Die drei kleinsten Glocken (Nr. 4–6) hingen bis zum Neubau der Kirche in einem Dachreiter.[9]

Nr.NameJahrGießerØ (mm)Masse (kg)Nominal
1Salvatorglocke1741Johann Schweys13941.600cis1 +3
2Große Marienglocke1507Wolter Westerhues13021.300d1 +7
3Kleine Marienglocke1692Gottfried Delapaix1191950e1 +3
4Anna-, Agatha- und Nikomedesglocke1737Johann Schweys51885g2 +7
5Schutzengelglocke1615Everhardus de Vos545110g2 +7
6Antoniusglocke1781Christoffel Heinrich Fricke36835c3 -2

Außerhalb des Turmhelms, auf der Westseite des Turms hängen zwei kleine Uhrschlagglocken aus den Jahren 1661 und 1663.[10]

Nr.NameJahrGießerØ (mm)Masse (kg)Nominal
IStundenschlagglocke (Barbaraglocke)1661623d2 +3
IIViertelschlagglocke1663420h2 +7

Besonderheiten

  • Im Heimatmuseum Heimathaus Borghorst befinden sich sechs als Torsten bezeichnete hölzerne Kerzenleuchter.
  • Es gibt in der Pfarrei ein Lied zum hl. Nikomedes und ein eigenes Fronleichnams- und Prozessionslied Menschen, dient aus frohem Triebe.
  • Die Gemeinde besitzt zwei Weihnachtskrippen, die im Zweijahresrhythmus abwechselnd aufgestellt werden. Die in geraden Jahren aufgestellte ist von Joseph Krautwald und wurde in den 1970er Jahren angeschafft. Diejenige für ungerade Jahre ist die historische, deren älteste Figuren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen. Bei einer Restaurierung in den 1980er Jahren stellte man fest, dass die bis Dato für Gipsfiguren gehaltenen Figuren tatsächlich Holzschnitzarbeiten sind.[11] Im Jahr 2020 wurde von der bisherigen Verfahrensweise abgewichen und die Krippe mit den alten Figuren aufgebaut.[12]
  • Für die Fronleichnamsprozessionen gibt es einen Baldachin mit historistischen und neogotischen Stilelementen. Seit der Fusion wird jedoch der neuere, schlichte und leichtere aus der heutigen Filialkirche St. Mariä Himmelfahrt, einer Pfarrgründung und Bauwerk der 1950er Jahre, verwendet.
  • In den 2000er Jahren ließ die Gemeinde ein Hungertuch erstellen, das von der in Westfalen üblichen Filetstopfarbeit abweicht und farbig gestaltet ist. Es ist konsumkritisch und thematisiert als lokalen Bezug auch die Textilkrise, die in Steinfurt-Borghorst für enorme Umwälzungen sorgte.[13]
  • Zum Palmsonntag gibt es eine Besonderheit: Die Kommunionkinder des betreffenden Jahres tragen einen Palmstock, der im Unterschied zu den sonst mit verschiedenfarbigen Krepp- oder Seidenpapierschleifen umwundenen komplett weiß gehalten ist. Auch gibt es, allerdings nur von Mädchen getragen, einen sog. „Kreuzpalm“, d. h. zusätzlich zu dem oberen Buchsbaumbund sind noch zwei weitere kreuzförmig am Palmstock befestigt.[14]

Literatur

  • Ursula Quednau (Red.): Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Nordrhein-Westfalen. Band 2: Westfalen. Deutscher Kunstverlag, München/ Berlin 2011, ISBN 978-3-422-03314-2, S. 1043–1044.
  • Hans Jürgen Warnecke Der Jungfernchor im freiweltlich-adligen Damenstift St. Nikodemes Borghorst in Westfalen Hefte für Geschichte Kunst und Volkskunde, Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung Münster 67. Band 1989.

Einzelnachweise

  1. Hans Jürgen Warnecke: Der Jungfernchor im freiweltlich-adligen Damenstift St. Nikodemes Borghorst. In: Westfalen. Hefte für Geschichte Kunst und Volkskunde, Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung Münster, Jg. 67 (1989), S. 285.
  2. St. Nikomedes-Kirche, abgerufen am 17. Januar 2019.
  3. Neue Osnabrücker Zeitung; Westfälische Nachrichten
  4. https://www.wn.de/Muensterland/Kreis-Steinfurt/Steinfurt/2017/02/2699113-Video-Millionenschwerer-Kirchenschatz-Das-Borghorster-Stiftskreuz-ist-wieder-da
  5. Michael Bönte: Das Borghorster Stiftskreuz kehrt zurück – Plan liegt vor. In: Kirche+Leben, 6. Januar 2019, S. 14.
  6. Vgl. die Informationen und bildliche Darstellung der Fenster auf der Website der Stiftung Forschungsstelle Glasmalerei
  7. Informationen zur Orgel; siehe auch die Informationen zur Orgel auf der Website der Gemeinde
  8. Zur Disposition (gesehen am 26. Dezember 2018)
  9. Informationen zu den Glocken auf der Website der Gemeinde; vgl. auch die Videoaufnahme bei youtube
  10. Vgl. die Informationen zu den Glocken auf der Website der Gemeinde.
  11. Borghorster Heimatblätter 1985
  12. Info vor Ort
  13. Vgl. die Informationen@1@2Vorlage:Toter Link/www.muensterschezeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. der Kirchengemeinde in der WN
  14. Dietmar Sauermann: Ostern in Westfalen. Materialien zur Geschichte eines volkstümlichen Kirchenfestes. Coppenrath-Verlag, Münster 1986, ISBN 3-88547-297-X.

Weblinks

Commons: St. Nikomedes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 52° 7′ 35,4″ N, 7° 23′ 53″ O

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Fronleichnamsprozession in Steinfurt-Borghorst 2008; NRW, Germany. Historischer Segensaltar (angefertigt um 1900) vor dem alten Rathaus.
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Kirchenliedplan (Copyright: Schöpfungshöhe!) für die Fronleichnamsprozession 22. Juni 2000 (wie in den Vorjahren und dann bis 2002)
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Pfarrkirche St. Nikomedes in Borghorst (Steinfurt)
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Borghorster Stiftskreuz aus dem 11. Jahrhundert
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Letzte Fronleichnamsprozession (bis auf "ausnahmsweise" im Jahr 2005) an der Aloysiuskapelle in Steinfurt-Borghorst, NRW, Germany. Ab 2003 wurde der Weg geändert und die Kapelle war danach nur noch 2005 einmalig Segensstation. Gescanntes Analogfoto.
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Krippe aus dem 19. Jahrhundert in St. Nikomedes Borghorst, Ortsteil der Kreisstadt Steinfurt in NRW, Germany.
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Borghorst St. Nikomedes, Krippe für ungerade Jahre
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Borghorst, St. Nikomedus, Fleiter-Orgel auf der Westempore