St.-Francis-Talsperre

St.-Francis-Talsperre
Lageplan des Stausees
Damm nach Dammbruch
Überreste heute (2009)

Koordinaten: 34° 32′ 49,3″ N, 118° 30′ 45,4″ W

Die St.-Francis-Talsperre war eine gekrümmte Gewichtsstaumauer aus Beton mit einem großen Stausee nahe bei Los Angeles in Kalifornien. Die Staumauer wurde von 1924 bis 1926 unter der Leitung von William Mulholland, einem Ingenieur des Los Angeles Department of Water and Power, gebaut. Die Staumauer brach wenige Minuten vor Mitternacht am 12. März 1928. Die entstehende Flutwelle tötete zwischen 550 und 600 Menschen. 2019 wurden dort ein Saint Francis Dam Disaster National Monument und ein Saint Francis Dam Disaster National Memorial ausgewiesen.

Der Nutzen der Talsperre

Mulholland, ein autodidaktischer Bauingenieur und gebürtiger Ire, hatte den mit 380 km längsten Aquädukt der Welt vom Owens Valley nach Los Angeles entworfen und gebaut. Dieser diente seit seiner Fertigstellung 1913 der Wasserversorgung von Los Angeles. Die Stadt wuchs aber so schnell, dass ab 1920 mehr Wasser benötigt wurde. Mehrere kleinere Stauseen wurden 1921 gebaut, um die Stadt im Falle einer Dürre oder eines Schadens an dem Aquädukt zu versorgen, aber es wurde ein noch größeres Reservoir benötigt.

Mulholland hatte schon 1911 den San Francisquito Canyon, ca. 50 km nördlich von Los Angeles, als eine mögliche Stelle für eine Talsperre angesehen. Der Aquädukt lief den Canyon entlang, und zwei Generatorstationen nutzten Wasser des Aquädukts, um elektrischen Strom für Los Angeles zu erzeugen. Der Ort schien ideal zu sein, nicht nur weil der Stausee vor einer Dürre schützen würde, sondern auch weil er Ersatzwasser nach Los Angeles leiten konnte, wenn der Aquädukt von Erdbeben beschädigt oder sabotiert würde.

Der Bau der Staumauer

Heute wissen Geologen, dass der Fels im San Francisquito Canyon ungeeignet ist, um eine Talsperrenanlage darauf zu gründen. Aber in den 1920er Jahren fanden zwei der führenden Geologen und Bauingenieure in Kalifornien, John C. Branner von der Stanford University und Carl E. Grunsky, keine Störungen in dem Fels. Die Staumauer wurde sogar direkt über die San Francisquito-Erdbebenverwerfung gebaut, wobei diese allerdings bis heute inaktiv ist. Grunsky war 1928 einer derjenigen, die mit der Untersuchung der Ursachen des Dammbruchs beauftragt wurden, zusammen mit seinem Sohn E. L. Grunsky und dem Geologen der Stanford University Bailey Willis. Sie fanden, dass insbesondere der Boden auf der Ostseite ungeeignet war, da dort neben einem alten Erdrutsch im Untergrund ein von zahlreichen Rissen durchsetzter Glimmerschiefer anstand, der durch Sickerwasser anschwoll und so zu Hebungen führte.[1]

1924 begann der Bau der St.-Francis-Talsperre; der Name ist eine anglisierte Version des Flussnamens. Das Projekt begann heimlich, damit die Farmer, die das Wasser aus dem San Francisquito Creek brauchten, die Talsperre nicht bemerkten und den Bau nicht aufhielten.

Bedeutsame Veränderungen

Die St.-Francis-Staumauer sollte 53 m hoch sein und einen Stauraum von 37 Mio. m³ (30.000 acre-feet) beinhalten. Gleich nach Beginn der Bauarbeiten entschied Mulholland, die Staumauer um drei Meter und die Kapazität auf 39 Mio. m³ zu erhöhen. Da noch nicht viel gebaut worden war, waren nur kleine Veränderungen nötig. Dann aber, im Juli 1925, als die Staumauer halb fertig war, entschied Mulholland, die Mauer noch einmal um drei Meter auf nunmehr insgesamt 59 Meter zu erhöhen. Ein Flügeldamm musste deshalb auf der westlichen Seite gebaut werden, damit das Wasser nicht seitlich überlief. Die neue Stauraumgröße war 47 Mio. m³ (38.170 acre-feet).

Gewichtsstaumauern wie die St.-Francis-Staumauer oder wie heute der Hoover Dam (Bogengewichtsstaumauer) nutzen ihr Eigengewicht, um dem Wasserdruck zu widerstehen. Die St.-Francis-Staumauer war aber von 53 auf 59 m erhöht worden, ohne dass ihre Breite nennenswert vergrößert worden war.

Der Wasserkrieg

1927 gab es einige Menschen im Owens Valley, die den sogenannten kalifornischen Wasserkrieg führten und mehrmals den Los-Angeles-Aquädukt mit Dynamit sprengten. Die St.-Francis-Talsperre bewahrte Los Angeles in dieser Zeit vor Wassermangel; außerdem wurde mit dem Wasser aus dem Stausee Strom erzeugt. Mulholland nannte die Talsperre daher „providential“, was in etwa so viel bedeutet wie „Vorsehung“.

Auf der Höhe des Wasserkrieges wurde auch die St.-Francis-Talsperre bedroht. Ein anonymer Anrufer ersuchte die Polizei, einige Beamte schnell dorthin zu schicken. Es wurde aber kein Versuch gemacht, die Staumauer zu sprengen.

Bruch der Staumauer

Vorgeschichte

1926 und 1927 gab es verschiedene Risse in der Staumauer. Einige begannen zu lecken. Mulholland inspizierte diese Risse und fand sie bedeutungslos, denn alle Betonmauern bekommen mit der Zeit Risse.

Am 7. März 1928 war der Stausee zum ersten Mal vollständig gefüllt. Neue Leckagen wurden vom Staumeister Tony Harnischfeger entdeckt, aber Mulholland war überzeugt, dass sie relativ unbedeutend waren.

Eine andere Ursache des Versagens könnte der Bau einer neuen Straße entlang des östlichen Widerlagers sein, das auf einem alten Bergrutschgelände angelegt war. Bis zum 8. März 1928 wurde dort auf der Straßenbaustelle mit Dynamit gesprengt, und viel davon gleich neben dem instabilen Widerlager. Es ist unbekannt, ob die Sprengungen den Fels gelockert haben können.

Am Morgen des 12. März entdeckte der Staumeister Harnischfeger ein neues Leck und war beunruhigt, dass es die Staumauer unterhöhlen könnte. Mulholland, sein Sohn Perry und sein Assistent Harvey van Norman kamen zur Untersuchung. Perry hielt das Leck für gravierend, aber Mulholland hielt es für typisch für Betonstaumauern und erklärte es als sicher.

Der Bruch

Die Staumauer versagte am 12. März 1928 um 23:57 Uhr, rund zwölf Stunden nachdem Mulholland sie inspiziert hatte. Es gab keine überlebenden Augenzeugen des Bruches, aber ein Mann, der einen Kilometer entfernt auf der Straße war, erinnerte sich später an ein seltsames Rütteln des Bodens und den Klang von stürzenden, fallenden Steinen. Die Erschütterungen, die er fühlte, waren kein Erdbeben (Seismographen zeichneten keine signifikanten Erdbewegungen auf), sondern eher das Fallen außerordentlich schwerer Betonstücke, die von der Staumauer herunterfielen.

Es wurde nie genau festgestellt, wie und warum die Staumauer versagte. Der Ingenieur und Geologe J. David Rogers hat die umfangreichste Beschreibung des Bruches veröffentlicht, der seiner Meinung nach vom Auftrieb, der Instabilität des alten Bergrutschgeländes und der unklugen Mauererhöhung herrührte.

Die Flutwelle

45 Millionen Kubikmeter Wasser stürzten den San Francisquito Canyon hinab, zermalmten die schweren Betonwände eines Wasserkraftwerks und spülten alles auf ihrem Weg weg. Die Flut setzte sich im Santa Clara River fort. Die Städte Castaic Junction im Los Angeles County, Fillmore, Bardsdale und Santa Paula im Ventura County wurden besonders hart getroffen.

Der Staumeister Tony Harnischfeger war wahrscheinlich der erste, der in der rund 38 Meter hohen Flutwelle umkam, als sie seine kleine Unterkunft im San Francisquito Canyon traf. Seine Leiche wurde nie gefunden.

Tapferkeit zeigten die Telefonisten und Polizisten auf Motorrädern, die die Bevölkerung vor der Gefahr warnten, bis die ansteigende Flut sie zum Rückzug zwang.

Nachspiel

Die genaue Opferzahl bleibt bis heute unbekannt. Die offizielle Zählung vom August 1928 ergab 385 Tote. Allerdings wurden jedes Jahr bis in die 1950er Jahre weitere Leichen entdeckt, und die Überreste eines weiteren Opfers wurden erst 1992 bei Newhall tief im Boden gefunden. Generell anerkannt ist eine Zahl zwischen 550 und 600 Toten.

Riss in Staumauerbereich nach dem Bruch (1928)

Mulholland nahm alle Schuld bereitwillig auf sich. In der folgenden juristischen Anhörung zum Unglück hielt er es allerdings noch für möglich, dass der Staudamm sabotiert worden sein könnte. Die Untersuchungsberichte von Grunsky und Willis kamen zu dem Schluss, dass nach damaligen Stand der Wissenschaft nicht vorhersehbare Schwächen des Untergrunds hauptverantwortlich waren (siehe oben). Mulholland wurde in der offiziellen Untersuchung von strafrechtlicher Schuld freigesprochen, man empfahl aber, dass zukünftig keine Person mehr allein für den Entwurf und die Konstruktion von Staudämmen zuständig sein sollte.[2] Mulholland trat in der Folge 1929 von seinem Amt zurück. Das Misstrauen der Öffentlichkeit führte dazu, dass die von ihm verantworteten Dämme (wie der Mulholland Dam in Hollywood) und anderen Bauten zur Wasserversorgung einer gründlichen Untersuchung unterzogen und teilweise verstärkt wurden.

Die Talsperre ist nicht wieder aufgebaut worden. Verschiedene große Betonstücke sind nicht fortgespült worden, einschließlich des Mittelstücks der Staumauer, das aufrecht stehen blieb. Nach dem Tod eines jungen Mannes, der von einem großen Betonstück fiel, während er die Ruinen zwei Monate nach dem Bruch auskundschaftete, wurden die Überreste gesprengt und mit dem Presslufthammer in Trümmer geschlagen.

Was heute geblieben ist, sind ein paar verwitterte Bruchstücke grauen Betons und verrostete Überbleibsel der Geländer auf der Mauerkrone. Die Ruinen sind von der San Francisquito Canyon Road aus leicht zu sehen, ungefähr 8 km nördlich der Stadt Newhall.

Künstlerische Verarbeitung

Der Bruch des Staudamms ist Gegenstand des Liedes St. Francis Dam Disaster von Frank Black (2001).

National Monument und National Memorial

Am 12. März 2019 wurde mit Unterzeichnung des Kongress-Gesetzes John D. Dingell, Jr. Conservation, Management, and Recreation Act durch Präsident Donald Trump auf getrennten Flächen ein US-amerikanisches National Monument mit Namen Saint Francis Dam Disaster National Monument und ein Saint Francis Dam Disaster National Memorial ausgewiesen.[3] Beide Flächen werden vom United States Forest Service innerhalb des Angeles National Forest betreut.

Literatur

  • Charles F. Outland: Man-Made Disaster: The Story of St Francis Dam. A.H. Clark Company, 1977. (Outlands Studie über die Talsperre und die folgende Flut, zuerst 1963 veröffentlicht, ist das einzige umfassende Werk über die Talsperre, den Bruch und die Katastrophe)
  • John Nichols: St. Francis Dam Disaster. Arcadia Publ., 2002, ISBN 0-7385-2079-9. (Bilddokumentation mit über 200 kommentierten zeitgenössischen Fotos über die Folgen des Dammbruchs)
  • Doyce B. Nunis Jr. (Hrsg.): St. Francis Dam Disaster Revisited. Historical Society of South California, 2002, ISBN 0-914421-27-1. (Eine Sammlung von Artikeln über die Talsperre einschließlich Beiträgen von Catherine Mulholland, William Mulhollands Enkelin, und Dr. J. David Rogers. Eines der beiden heute erhältlichen Bücher über die St.-Francis-Talsperre)
  • Norris Hundley, Donald C. Jackson: Heavy Ground: William Mulholland and the St. Francis Dam Disaster, University of California Press 2015
  • Fred A. Noetzli: Der Bruch der St. Francis-Staumauer in Kalifornien. Schweizerische Bauzeitung. Band 91, Nr. 16, 21. April 1928, S. 193–196.

Siehe auch

Weblinks

Commons: St. Francis Dam – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Norris Hundley, Donald C. Jackson: Heavy Ground: William Mulholland and the St. Francis Dam Disaster, University of California Press 2015, S. 296ff
  2. St. Francis Dam Desater, Water and Power Associates
  3. Lisa Murkowski: Text - S.47 - 116th Congress (2019-2020): John D. Dingell, Jr. Conservation, Management, and Recreation Act. 12. März 2019, abgerufen am 21. Mai 2022.

Auf dieser Seite verwendete Medien

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San Francisquito Reservoir on topo v2.jpg
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This map shows the approximate extent of the former San Francisquito Reservoir. The reservoir was impounded by the St. Francis Dam which failed in 1928. According to this depiction the reservoir was approximately 2.8 miles (4.5 km) long. In addition to the reservoir this map also shows the location of part of the Los Angeles Aqueduct from which it was filled; it was built as a storage stucture for the aqueduct. Also visible on the map at full size is the location of Powerhouse #2 which figures in the story of the flood created by the failure of the dam. The dark blocks indicate private inholdings in the national forest.

The reservoir extent was determined by tracing at or just below the 1840-foot elevation contour; the pool elevation was about 1835 feet when full and when the dam collapsed. The topo map includes sections of the Warm Springs Mountain 7.5" quadrangle (o34118e5) and the Green Valley quadrangle (o34118e4) from the USGS obtained as DRG files.

Note: The location and orientation of the dam (at the southwest extent of the reservoir) is approximate. Additionally, the elevation data in this map is from after the breach of the dam, which caused significant erosion of the hillside at the southeast abuttment; the dam was probably a little smaller than this reconstruction depicts.
Man pointing at crack in Saint Francis Dam after its collapse.jpg
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Man pointing at crack in Saint Francis Dam after its collapse. Photo taken after the March 12, 1928 collapse of the Saint Francis Dam; this disastrous civil engineering failure cost over 600 lives in the resulting flood and brought the end of William Mulholland's career as the chief engineer of the Los Angeles Bureau of Water Works and Supply.
St. Francis Dam after the 1928 failure.jpg
St. Francis Dam Flood March 12-13, 1928, Los Angeles County, California. Taken from the same location as photo sht00664, showing the remains of the dam and reservoir floor. The dam failed at 11:58:30 p.m. Monday March 12, 1928. The left (west) abutment of the dam was entirely swept away and the inactive San Francisquito Fault is clearly visible, being located along the contact zone of schist and conglomerate.
St. Francis Dam base remains tkksummers.jpg
Autor/Urheber: Konrad Summers from Santa Clarita (Valencia) , California, USA, Lizenz: CC BY-SA 2.0

This photograph shows the remains of the base of the St. Francis Dam. After its collapse in 1928 the remaining blocks, including what had been the the large center section which had remained standing, were blasted and jack hammered. This was done in order to discourage sightseers and to avoid additional accidents after a teen fell to his death after ascending the remaining standing block of the concrete dam. Nevertheless, some of the steps that defined the face of the curved concrete gravity dam are visible in the foreground of these remains. This image differs from the original digital photograph; the contrast and color saturation have been modestly enhanced.

Note: It would be interesting to learn from someone who knows whether or not the foreground piece that shows the steps is the remains of the block that remained standing after the collapse.