Sporttourer

Sporttourer mit Vollverkleidung (Suzuki GSX 750 F)
Yamaha Fazer mit Halbschale

Sporttourer sind straßenzugelassene Motorräder, die Alltags- und Tourentauglichkeit mit sportlichen Fahrleistungen und Fahrwerkseigenschaften kombinieren. Während die Motorleistungen der offenen Versionen unwesentlich von den Supersportlern abweichen, hat man im Gegensatz zu diesen eine bequemere Sitzposition und eine etwas komfortablere Federung. Auch der Beifahrer findet auf der durchgehenden Sitzbank etwas mehr als ein notdürftiges Sitzpolster vor, so dass durchaus auch ein Reisen zu zweit möglich ist. Fast alle Sporttourer haben eine Vollverkleidung oder zumindest eine Halbverkleidung. Über optionale Gepäcksysteme vom Hersteller können Seitenkoffer montiert werden.

Konzeptionelle Abgrenzung

Die Auslegung des Motors ist für gewöhnlich gegenüber der Supersportler-Version modifiziert. Durch geänderte Nockenwellenprofile und Ventilöffnungszeiten, längere Ansaugkanäle und schwere Kurbelwellen wird das Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich gegenüber seiner Maximalleistung optimiert. Eine reduzierte Maximaldrehzahl verbessert die Standfestigkeit der Motoren. Die Verkleidung ist breiter, höher und komfortabler dimensioniert und bietet einen besseren Wind- und Wetterschutz als Supersportler. Der Motorradrahmen ist zugunsten einer aufrechteren Körperhaltung ausgelegt. Ein größerer Radstand und entspannterer Lenkungswinkel verbessern den Geradeauslauf, jedoch nicht bis zu dem Grad wie bei reinen Tourern. Das zusätzliche Gewicht einer größeren Verkleidung, längerem Fahrwerk und Rahmen sowie zusätzlichen Motor- und Ausstattungskomponenten verändert das Verhältnis von ungefederten zu gefederten Massen, was das Fahrverhalten auf unebenen Fahrbahnbelägen beruhigt. Antiblockiersysteme sind für gewöhnlich serienmäßig montiert, einige Hersteller bieten auch Verbundbremsen und Antriebsschlupfregelungen an. Ein voluminöser Kraftstofftank vergrößert die maximale Reichweite, ein sehr lang übersetzter letzter Gang (Overdrive) verringert die Drehzahl und den Kraftstoffverbrauch auf langen Autobahnetappen. Die Bodenfreiheit ist gegenüber reinen Tourern vergleichsweise hoch, um auch eine sportliche Fahrweise mit großer Schräglagenfreiheit zu ermöglichen. Bevorzugt eingesetzte Kardanantriebe sind gegenüber Kettenantrieben langlebiger und wartungsärmer.

Typisch sind serienmäßig abschließbare, spritzwasserdichte und in die Verkleidung integrierte Hartschalenkoffer in Fahrzeugfarbe. Im Zubehör werden zumeist elektronisch einstellbare Fahrwerke, Griffheizung, Tempomat, Navigationssystem, Bordspannungssteckdosen und ein Reifendruckkontrollsystem angeboten.

Motorradmodelle

Die Kategorisierung eines Motorrads als Sporttourer ist manchmal umstritten, da diverse Modelle sich sowohl als Sporttourer als auch als Tourer klassifizieren lassen. Fast alle europäischen und japanischen Motorradhersteller haben Sporttourer im Programm. Die Entwicklung in den 2010er Jahren ging in Richtung vollverkleideter Sporttourer mit über einem Liter Hubraum, einer Nennleistung von mehr als 72 kW (98 PS) und einer Endgeschwindigkeit oberhalb von 200 km/h.

Marktübersicht in Produktion befindlicher Sporttourer

BildHerstellerModellMotorHubraumLeistungAntriebLeergewichtVerkaufsstart (Modellpflege)
BMWR 1250 RS
(Bild noch Vorgängermodell)
2 Zylinder, Boxermotor1254 cm³100 kW (136 PS)Kardanantrieb243 kg[1]2019
BMWK 1600 GT6 Zylinder in Reihe1649 cm³118 kW (160 PS)Kardanantrieb306 kg2011 (2022)
HondaVFR 800 F (RC 79)4 Zylinder, V-Motor782 cm³78 kW (106 PS)Kettenantrieb242 kg2014
HondaVFR 1200 F (SC 63)4 Zylinder, V-Motor1237 cm³127 kW (173 PS)Kardanantrieb267 kg2009 (2012)
KawasakiZZR 14004 Zylinder, Reihenmotor1441 cm³147 kW (200 PS)Kettenantrieb268 kg2006 (2008)
KawasakiZ 1000 SX4 Zylinder, Reihenmotor1043 cm³105 kW (143 PS)Kettenantrieb230 kg2010 (2013)
KTM1290 Super Duke GT2 Zylinder, V-Motor1301 cm³127 kW (173 PS)Kettenantrieb205 kg2016
Moto GuzziV100 Mandello2 Zylinder, V-Motor1042 cm³85 kW (116 PS)Kardanantrieb233 kg2023
SuzukiHayabusa 1300 ABS4 Zylinder, Reihenmotor1340 cm³149 kW (203 PS)Kettenantrieb266 kg2008 (2013)
TriumphTriumph Sprint GT 1050 (215ND)3 Zylinder, Reihenmotor1050 cm³96 kW (131 PS)Kettenantrieb268 kg2010
YamahaFJR 1300 A4 Zylinder, Reihenmotor1298 cm³105 kW (143 PS)Kardanantrieb264 kg2001 (2013)

Weitere Sporttourer waren unter anderem:

Marktentwicklung

Unter den 50 meistverkauften Motorrädern in Deutschland befanden sich 2013 mit BMW F 800 GT (Platz 20), Kawasaki Z1000 SX (Platz 26), BMW K 1300 S (Platz 33) und BMW R 1200 RT (Platz 39) lediglich vier Sporttourer.[2] Laut Heinz May kaufen Motorradfahrer „derzeit lieber die Spezialisten wie Sportler, Naked Bikes oder Tourer – und wenn sie zu Alleskönnern greifen, dann zu den Reiseenduros.“[3] Die Verkaufszahlen der Reiseenduro BMW R 1200 GS K50 waren in dem gleichen Zeitraum mehr als doppelt so hoch wie die vier vorgenannten Sporttourer zusammen. Die Verkaufszahlen dieses Modells (samt Vorgänger und Nachfolger) führen seit vielen Jahren die deutsche Zulassungsstatistik an[4] (deutlich über 9.200 Exemplare 2020 in Deutschland).[5]

Der Trend zum Zweitmotorrad hat eine stärkere Spezialisierung der Fahrgattungen zur Folge, da er die Nachfrage nach „Sowohl-als-auch-Motorrädern“ verringert. Geringere durchschnittliche Jahreslaufleistung von unter 4000 km pro Jahr[6] hat die Anforderung an den Komfort verringert, zumal die Anfahrt in den Urlaub oft per Autoreisezug oder Anhänger erfolgt und die Langstreckentauglichkeit von nachrangiger Bedeutung wurde. Tourentaugliche Reiseenduros sind mit bis zu 150 PS Nennleistung, semi-aktiven Fahrwerken und viel Fahr- und Reisekomfort in das Sporttourer-Segment eingedrungen. Clemens Gleich (Heise) bezeichnete 2014 „Sporttourer in Europa als praktisch unverkäuflich“[7], sie werden jedoch auch Ende 2019 noch angeboten.[8]

Rezeption

Die Zeitschrift Motorrad definiert Sporttourer als „Maschinen, die für viel Fahrspaß plus bequeme Anreise ins Zielgebiet“ stehen und „auch bei Rennstreckentrainings Laune“ machen: „Sowohl-als-auch-Motorräder, die nicht extrem waren, nur extrem vielseitig: gute Tourentauglichkeit und hohe Alltagskompetenz, gepaart mit flotten Fahrleistungen und sportlichen Fahreigenschaften.“[9] Ausschlusskriterien sind eine fehlende Verkleidung, Behäbigkeit, „grobe Fahrwerksschwächen“ und eine „aufrechte Körperhaltung“.[9]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fahrtest: BMW R 1250 RS. In: motorradundreisen.de. 19. Juli 2019, abgerufen am 16. Juni 2022.
  2. Neuzulassungen Krafträder 2013 Deutschland (Memento desOriginals vom 14. Juli 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ivm-ev.de. In: Industrie-Verband Motorrad Deutschland e. V.
  3. Heinz May: Eine für alles. In: Focus. 16. September 2014, abgerufen am 12. Februar 2015.
  4. Volker Pfau: BMW R 1250 GS: Mehr Allrounder geht nicht. In: tz.de. 4. Oktober 2019, abgerufen am 16. Juni 2022.
  5. Uli Baumann: Motorrad-Neuzulassungen 2020: Die Bestseller der Marken. In: motorradonline.de. 25. Januar 2021, abgerufen am 14. Juni 2022.
  6. Fahrleistungs- und Verbrauchsrechnung. In: DIW Berlin. Wochenbericht 41/04.
  7. Clemens Gleich: New Old School. In: Heise online. 10. April 2014, abgerufen am 12. Februar 2015.
  8. Johannes Müller: BMW R 1250 RS gegen Kawasaki Z 1000 SX: Sporttourer im Vergleichstest. In: motorradonline.de. 16. Dezember 2019, abgerufen am 16. Juni 2022.
  9. a b Thomas Schmieder: Sporttourer im Wandel der Zeit: Sind Generalisten out? In: Motorrad, Ausgabe 15/2014. 3. Juli 2014, abgerufen am 1. September 2014.

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