Solarium Augusti

Teil des Meridians des Solarium Augusti (Blick nach Süd) unterhalb des Kellers eines Gebäudes in der Via di Campo Marzio in Rom; Fotografien des gesamten freigelegten Teilstücks ohne störende Balken im Vordergrund sind in der Publikation[1] von Edmund Buchner enthalten

Als Solarium Augusti oder Horologium Augusti wird ein großes astronomisches Messinstrument mit einer Kugel auf einem etwa 30 Meter hohen Obelisken als Schattenwerfer bezeichnet, das auf dem Marsfeld in Rom unter Kaiser Augustus errichtet wurde.

Ein vom Deutschen Archäologischen Institut freigelegtes Stück Meridianlinie liegt etwa 1,6 Meter über dem Niveau des Marsfeldes augusteischer Zeit. Man nimmt deshalb an, dass das augusteische Instrument bald zerstört war und zur Zeit des Kaisers Domitian auf dem infolge von Überschwemmungen des Tibers inzwischen höher gelegenen Marsfeld wieder errichtet wurde.[1][2][3] Es existierte bis zum 8. Jahrhundert, bildete vermutlich mit dem Augustusmausoleum, den dazugehörigen Parkanlagen und der Ara Pacis eine bauliche Einheit und wird als eines der wichtigsten politischen Zeichen der Macht des Kaisers Augustus gedeutet.

Das Instrument gilt als unvergleichlich großes Meridianinstrument (Mittagsweiser, Jahres-Kalendarium), als das es bereits der Zeitzeuge Plinius beschrieben hatte.[4][5][6]

Nach den Untersuchungen durch das Deutsche Archäologische Institut, die zwischen 1970 und 1981 stattfanden und von aufwändigen Ausgrabungen begleitet waren, wurde diese Anlage als eine extrem große Sonnenuhr gedeutet.[1] Diese Deutung wird heute nicht mehr aufrechterhalten.[5][3]

Das Meridianinstrument des Kaisers Augustus

Position des Solarium Augusti im alten Rom

Ein Obelisk (Obelisco di Montecitorio) aus Heliopolis in Ägypten, den Augustus im Jahr 10 v. Chr. aufstellen ließ, diente als etwa 30 Meter hoher Gnomon. Seine Ergänzung mit einem ebenfalls großen (Ausdehnung mindestens 200 Meter) ebenen Zifferblatt zu einer Sonnenuhr wurde aber nicht nachgewiesen. Ausgegraben wurde ein etwa 6,6 Meter langes Stück einer skalierten Meridian-Linie, wonach das Solarium Augusti heute als ein mit der Sonne funktionierendes Meridianinstrument (Jahres-Kalendarium, Mittagsweiser) angesehen wird. Der Fundort liegt etwa 1,6 Meter über dem Niveau des Marsfeldes zur Zeit von Augustus. Es wird einer Erneuerung des ursprünglichen, von Plinius beschriebenen Meridianinstruments zugeschrieben, die etwa zur Zeit von Kaiser Domitian erfolgte.

Der in fünf Teile zerbrochene Obelisk und sein ursprünglicher Sockel wurden 1748 ausgegraben.[7] Etwa 40 Jahre später wurde er wieder zusammengesetzt, mit einer neuen Kugel bekrönt und 1792 samt Sockel an seinem heutigen Standort, etwa 250 Meter südlicher vor dem italienischen Parlament auf der Piazza di Montecitorio aufgestellt. Der Kernschatten einer originalen, ähnlich großen (etwa 75 cm Durchmesser) und gleich hoch (etwa 30 Meter) platzierten Kugel als Nodus reicht etwa 80 Meter weit.[2] Der auf der zugehörenden Meridianlinie abzulesende Mittagsschatten dieser Kugel ist zur Wintersonnenwende in Rom etwa 65 Meter vom Obelisk entfernt. Die Meridianlinie ist als Bronzelinie in die Bodenplatten eingelegt und hat zwischen den beiden Sonnwend-Punkten eine Länge von etwa 55 Meter. Quer zur Meridianlinie sind aus Bronze längere Markierungen als Trennlinien zwischen den Tierkreiszeichen und kürzere für die 30-Grad Einteilung der Tierkreiszeichen angebracht. Der Schatten der Kugel zeigte also den Ort der Sonne im Tierkreis. Der bis heute unter dem Anwesen Via del Campo Marzio 48 freigelegte Abschnitt der Meridianlinie hat eine Länge von 6,60 m, unterteilt durch 27 kurze Querlinien zur Gradeinteilung und 1 lange Querlinie als Trennung zwischen benachbarten Zeichen. Sie ist längs der Meridianlinie mit den griechischen Namen der Zeichen beschriftet: Auf der Westseite reicht sie von 19° [KRI]OS (Widder) bis 16° TAUR[OS] (Stier), auf der Ostseite, symmetrisch dazu, von 14° [LE]ON (Löwe) bis 11° PARTH[ENOS] (Jungfrau). Die Gradabstände nehmen von Süden nach Norden zu von 19 cm auf 30 cm. Daraus hat M. Schütz 1990 berechnet, dass sich die schattenwerfende Kugel, die den Obelisken bekrönte, etwa 17,7 m südlich der Trennlinie Löwe-Jungfrau in einer Höhe von ca. 30 bis 31 m befunden haben muss.[8] An der langen Trennlinie Löwe-Jungfrau befindet sich die griechische Inschrift ETESIAI PAUONTAI, die Etesien hören auf. Mit Etesien wurden Winde bezeichnet, die sehr regelmäßig jedes Jahr im Sommer auftraten (heute: Meltemi). Bei der Marke 15° Stier befindet sich die Inschrift THEROUS ARCHE, Sommeranfang. Nach antikem Brauch begann der Sommer nicht mit der Sommersonnenwende, sondern diese bildete die Mitte des Sommers; der Sommer ging also von 15° Stier bis 15° Löwe.

Der ursprüngliche Aufstellungsort der Ara Pacis war dem Solarium zugeordnet: auf dem Gelände östlich davon, zwischen Via in Lucina und Via del Corso, dort wo heute der Palazzo Fiano-Almagià steht.[9]

Der Obelisk des Meridianinstruments

Der früher als Gnomon des Solarium Augusti dienende Obelisk auf der Piazza di Montecitorio

Der etwa 22 Meter lange Obelisk besteht aus Rosengranit und stammt aus den Steinbrüchen von Assuan in Oberägypten. Pharao Psammetich II. ließ ihn um 595 v. Chr. in Heliopolis anlässlich des ersten Jahrestages seiner Thronbesteigung (Sedfest) errichten. Die Römer transportierten ihn 10 v. Chr. nach Rom, um ihn als Gnomon auf dem Marsfeld aufzustellen. Er erhielt ein Fundament und einen beinahe 5 Meter hohen Sockel mit einer den Kaiser Augustus ehrenden und dem römischen Sonnengott Sol geweihten Inschrift. Zusammen mit der als Nodus dienenden Kugel wurden etwa 30 Meter Höhe erreicht.

Die antike Weiheinschrift lautet:

IMP CAESAR DIVI F

AUGUSTUS
PONTIFEX MAXIMUS
IMP XII COS XI TRIB POT XIV
AEGUPTO IN POTESTATEM
POPULI ROMANI REDACTA
SOLI DONUM DEDIT[10]

Imperator Caesar Augustus

Sohn des vergöttlichten (Caesar)
Pontifex Maximus
Imperator zum 12., Konsul zum 11., Inhaber der tribunizischen Gewalt zum 14. Mal
nachdem Ägypten unter die Herrschaft
des römischen Volkes gebracht war
hat (diesen Obelisken) der Sonne zum Geschenk gegeben

Die Grabungen durch das Deutsche Archäologische Institut

Die anfängliche Deutung als Sonnenuhr konnte nicht nur aus physikalischen Gründen (zum Beispiel ungenügende Reichweite des Kernschattens der Nodus-Kugel) nicht aufrechterhalten werden. Es zeigten sich auch erhebliche Mängel beim Umgang mit alten Texten.[11] Eine Gegenüberstellung der Interpretation des Pliniustextes im 18. Jahrhundert durch Euler, Boscovich, Marinoni und anderen mit den Ergebnissen der archäologischen Funde im 20. Jahrhundert und der Virtuellen Archäologie des 21. Jahrhunderts gibt letztlich den Beschreibungen des Zeitzeugen Plinius recht.[12][13]

Es gab seit langem Spekulationen für eine Sonnenuhr,[14] aber auch frühe Hinweise auf die ledigliche Existenz eines Meridianinstruments.[7] Die neuerliche Deutung als Sonnenuhr wurde dennoch populär, was durch die nicht alltäglichen erfolgreichen Grabungen[15] bis 8 Meter unter das heutige Niveau begünstigt wurde. Man grub von einem kleinen Kellerboden aus etwa 6 Meter in die Tiefe, das heißt bis weit unter die Fundamente der Mauern eines mehrstöckigen alten Hauses in der dicht bebauten heutigen Innenstadt Roms. Davon existieren eindrückliche Bilder.[1]

Literatur

  • Paul Zanker: Augustus und die Macht der Bilder. Beck, München 1987, ISBN 3-406-32067-8.
  • Stefan Pfeiffer: Griechische und lateinische Inschriften zum Ptolemäerreich und zur römischen Provinz Aegyptus (= Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie. Band 9). Lit, Berlin/Münster 2015, ISBN 978-3-643-13096-9, S. 225–228 (Zusammenfassung zum Forschungsstand).
  • Peter Heslin: Augustus, Domitian and the So-called Horologium Augusti. In: The Journal of Roman Studies. Band 97, 2007, S. 1–20.
  • Michael Schütz: Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld. In: Gymnasium. Band 97, 1990, S. 432–457 (Widerlegt wesentliche Aspekte von Buchners Rekonstruktion. Kurzgefasst bereits in ders.: Der Obelisk des Augustus. In: Sterne und Weltraum. Jahrgang 27, 1988, S. 575–576.)
  • Frans W. Maes: Die Sonnenuhr des Kaisers Augustus. Aufstieg und Niedergang einer Hypothese. In: Deutsche Gesellschaft für Chronometrie. Jahresschrift 2005. S. 168–184.
  • Edmund Buchner: Die Sonnenuhr des Augustus. Nachdruck aus Römische Mitteilungen 1976 und 1980 und Nachtrag über die Ausgrabung 1980/1981. von Zabern, Mainz 1982, ISBN 3-8053-0430-7.
  • Edmund Buchner: Neues zur Sonnenuhr des Augustus. In: Nürnberger Blätter zur Archäologie. Band 10, 1993–1994, S. 77–84 (Erwiderung auf die Kritik von Schütz).
  • Romolo A. Staccioli: Guida di Roma Antica. Itinerari Archeologichi. Rizzoli, Mailand 1986, ISBN 88-17-16585-9.
  • Lothar Haselberger, Paolo Albèri Auber: The Horologium of Augustus: Debate and Context (= Journal of Roman Archaeology. Supplementum 99). Portsmouth (Rhode Island) 2014, ISBN 978-0-9913730-3-1.
  • Lothar Haselberger: A debate on the Horologium of Augustus. Controversy and clarifications, with responses by P. J. Heslin and M. Schütz and additional remarks by R. Hannah and G. Alföldy. In: Journal of Roman Archaeology. Band 24, 2011, ISSN 1047-7594, S. 47–98.

Weblinks

Commons: Horologium Augusti – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Edmund Buchner: Die Sonnenuhr des Augustus. Nachdruck aus Römische Mitteilungen 1976 und 1980 und Nachtrag über die Ausgrabung 1980/1981. Zabern, Mainz 1982, ISBN 3-8053-0430-7.
  2. a b Michael Schütz: Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld. In: Gymnasium. Band 97, 1990, S. 455.
  3. a b Frans W. Maes: Die Sonnenuhr des Kaisers Augustus. Aufstieg und Niedergang einer Hypothese. In: Deutsche Gesellschaft für Chronometrie. Jahresschrift 2005, S. 183.
  4. Plinius, Naturalis historia 36,72.
  5. a b Michael Schütz: Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld. In: Gymnasium. Band 97, 1990, S. 433.
  6. Frans W. Maes: Die Sonnenuhr des Kaisers Augustus. Aufstieg und Niedergang einer Hypothese. In: Deutsche Gesellschaft für Chronometrie. Jahresschrift 2005, S. 172.
  7. a b Angelo Maria Bandini: De Obelisco Caesaris Augusti e Campi Martii ruderibus nuper eruto. Rom 1750. (Digitalisat)
  8. Michael Schütz: Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld. In: Gymnasium. 97, 1990, S. 455–456/ M. Schütz in L. Haselberger: The Horologium of Augustus: Debate and Context. Portsmouth (Rhode Island) 2014, S. 44. Buchner ist bei Ausgrabungen im Winter 1995 am von Schütz berechneten Ort auf das Fundament des Obelisken gestoßen (Haselberger: The Horologium of Augustus: Debate and Context. Portsmouth (Rhode Island) 2014, S. 102, Figur 1, 103, 186f), ohne diesen Befund zu veröffentlichen.
  9. Romolo A. Staccioli: Guida di Roma Antica. Itinerari archeologichi. 1986, S. 345f.
  10. CIL 6, 702.
  11. Michael Schütz: Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld. In: Gymnasium. Band 97, 1990, S. 432–457.
  12. Plinius, Naturalis historia 36,72. Plinius nennt nur eine einzige skalierte Linie, deren Länge vom Mittagsschatten des Obelisken zur Wintersonnenwende begrenzt wird.
  13. M. Hiermanseder: Interpretation of the function of the Obelisk of Augustus in Rome from antique texts to present time virtual reconstruction. In: ISPRS – International Archives of the Photogrammetry, Remote Sensing and Spatial Information Sciences. XLII-2-W11. Copernicus GmbH, 4. Mai 2019, S. 615–622 (int-arch-photogramm-remote-sens-spatial-inf-sci.net [abgerufen am 21. August 2019]).
  14. O. Richter: Topographie der Stadt Rom. Beck, München 1901, S. 252–253. (online)
  15. Grund- und Aufriss der Sonnenuhr mit Angabe des heute erhaltenen Fragments sowie Angabe des ursprünglichen Aufstellungsortes der Ara Pacis durch Friedrich Rakob In: Romolo A. Staccioli: Guida di Roma Antica. Itinerari archeologichi. Rizzoli, Mailand 1986, ISBN 88-17-16585-9, S. 346.

Koordinaten: 41° 54′ 2″ N, 12° 28′ 42,9″ O

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Obelisk vor dem Palazzo Montecitorio - Rom
Colonna - meridiana sotto Campo Marzio 48 1050300.JPG
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Roma, via di Campo Marzio: tratto della Meridiana di Augusto sotto le cantine di uno stabile al n. 48
Plan Rome-Horologium.png
(c) Joris1919, CC BY-SA 3.0

Kaart van antiek Rome waarop het nl:Horologium van Augustus is uitgelicht. Kaart is afkomstig van FR:wiki en door mij naar een Nederlandse versie bewerkt.

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