Solare Fernwärme

Solarthermieanlage des Wärmeverbundes Marstal

Solare Fernwärme bezeichnet die Versorgung von größeren Wohn- und Industriegebieten mittels großer Kollektorfelder und Wärmenetzen mit erneuerbarer, emissionsfreier Solarthermie.[1] Um die Wärmeversorgung zu verstetigen, sind solare Fernwärmeanlagen in aller Regel mit Wärmespeichern ausgerüstet, oftmals große Erdgrubenspeicher, die eine saisonale Wärmespeicherung für das Winterhalbjahr ermöglichen[2]. Solare Fernwärmesysteme werden bisher stets mit weiteren Wärmequellen wie z. B. Wärmepumpen, Power-to-Heat-Anlagen, Blockheizkraftwerken, Spitzenlastkesseln oder Industrieabwärme kombiniert; möglich ist auch die Ergänzung bereits bestehender Fernwärmenetze mit Solarthermiekollektoren.

Begriff

Im Zusammenhang mit solarer Fernwärme werden im deutschsprachigen Raum zwei verschiedene Begrifflichkeiten verwendet: solare Fernwärme und solare Nahwärme. Eine Abgrenzung der Begriffe fehlt. Im Englischen wird der Begriff solar district heating verwendet.

Anwendung

In Dänemark und Schweden ist diese Art der Wärmeerzeugung stark verbreitet. Im Pionierland Dänemark waren mit Stand September 2016 Solare Fernwärmeanlagen mit 1 Mio. m² Kollektorfläche installiert.[3] In Deutschland und Österreich wurden einige Pilotanlagen realisiert. Insgesamt waren Ende 2016 199 solare Fernwärmeheizwerke mit einer thermischen Nennleistung von mindestens 700 kW in Europa gelistet. Die leistungsfähigste Anlage stand zu diesem Zeitpunkt in der dänischen Kommune Silkeborg und verfügt bei einer Kollektorfläche von ca. 157.000 m² über eine thermischen Leistung von 110 MW.[4] Eine weitere große Anlage, deren Anfänge bereits in die 1990er Jahre zurückreichen, ist der mehrfach erweiterte Wärmeverbund Marstal, der 2012 eine solarthermische Leistung von 23,4 MW aufwies.[3] Der Markt für solare Fernwärme wuchs zwischen 2013 und 2017 um durchschnittlich 35 % jährlich. Für 2018 wird damit gerechnet, dass solare Fernwärmeanlagen europaweit erstmals mehr als eine Terawattstunde thermischer Energie produzieren werden.[5]

In Deutschland existierten Ende 2020 44 Anlagen mit einer Leistung von ca. 75 MW und einer Kollektorfläche von ca. 107.000 Quadratmetern.[6] 2019 waren es noch rund 30 in Wärmenetze einspeisende Solarthermieanlagen mit einer Gesamtleistung von ca. 50 MW gewesen.[7] Als Haupttreiber für den Boom gelten die langfristig kalkulierbaren günstigen Wärmegestehungskosten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund steigender CO2-Preis und europäischer Richtlinien zur schrittweisen Dekarbonisierung der Fernwärme.[6]

Kosten

Infolge technischer Weiterentwicklung seit den Anfängen in den 1970er Jahren sanken die Wärmegestehungskosten von solaren Fernwärmesysteme, die zunächst noch mit Förderungen unterstützt wurden. Mit Stand 2017 sind große solare Fernwärmesysteme in bestimmten Staaten wie Dänemark ohne Subventionen wirtschaftlich voll konkurrenzfähig mit anderen Arten der Wärmeerzeugung.[8]

Da mit zunehmender Größe der Solarthermie-Anlage die Wärmegestehungskosten sinken, geht der Trend zu größeren Anlagen. Diese können Wärme mit Preisen von drei bis fünf Cent pro Kilowattstunde produzieren.[9] Für Dänemark werden die Wärmegestehungskosten auf 3 bis 6 ct/kWh angegeben. Diese niedrigen Wärmegestehungskosten sind unter anderem auf günstige saisonale Wärmespeicher zurückzuführen.[3] Große Erdbecken-Speicher mit 75.000 bzw. 200.000 m³ Fassungsvermögen wurden u. a. in Marstal und Vojens errichtet.[10]

Betrieb

Während die Wärmespeicherung bei privaten Solarthermie-Anlagen ein wichtiges Thema ist, kann bei solaren Fernwärme-Anlagen teilweise oder ganz darauf verzichtet werden. Teilweise werden große Saisonalspeicher realisiert. Ferner können die Anlagen aufgrund der hohen kontinuierlichen Wärmeabnahme in großen Netzen ihre Wärme meist stetig einspeisen. Falls diese gespeichert werden muss, kann neben stationären Speichern das Netz teilweise selbst als Speicher genutzt werden.[9]

Vorteilhaft an der solaren Fernwärme ist, dass sie günstiger ist als die Brennstoffkosten für Bioenergie- und fossile Energieträger, und somit in solar unterstützen Wärmenetzen Energiekosten eingespart werden können. Üblicherweise kann die Solarthermieanlage die Wärmeversorgung im Sommerhalbjahr alleine decken, sodass die Fernwärmekessel im Sommerhalbjahr nicht im niedrigen Teillastbereich und damit auch niedrigem Wirkungsgrad laufen müssen. Zudem macht die Betriebspause im Sommer die Wartung der Kessel einfacher und leichter planbar.[11]

Literatur

  • J. Berner: Sonnenwärme aus dem Netz: Sonnenkollektoren speisen immer häufiger Wärmenetze mit umweltfreundlicher Energie. Mit solarer Nahwärme können Kommunen ihre Klimaziele erreichen, und die Branche gewinnt einen neuen Absatzmarkt. SONNE WIND & WÄRME stellt den Markt und aktuelle Projekte vor. In: Sonne Wind & Wärme Nr. 6/2018, S. 76–79
  • Viktor Wesselak, Thomas Schabbach, Thomas Link, Joachim Fischer: Handbuch Regenerative Energietechnik, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage, Berlin/Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-53072-6.
  • Nicolas Perez‐Mora et al.: Solar district heating and cooling: A review. In: International Journal of Energy Research. Band 42, Nr. 4, 2018, S. 1419–1441, doi:10.1002/er.3888 (englisch).

Einzelnachweise

  1. Solar District Heating. solar-district-heating.eu, abgerufen am 30. April 2019 (englisch, deutsch).
  2. A. Dahash et al.: Advances in seasonal thermal energy storage for solar district heating applications: A critical review on large-scale hot-water tank and pit thermal energy storage systems. In: Applied Energy. Band 239, 2019, S. 296–315, doi:10.1016/j.apenergy.2019.01.189.
  3. a b c Viktor Wesselak, Thomas Schabbach, Thomas Link, Joachim Fischer: Handbuch Regenerative Energietechnik, Berlin/Heidelberg 2017, S. 419f.
  4. Datenbank Solare Großanlagen. solar-district-heating.eu, abgerufen am 30. April 2019 (englisch).
  5. Solare Wärmenetze: jährlich 35 Prozent Marktwachstum. In: Zeitung für kommunale Wirtschaft. 12. April 2018, abgerufen am 16. April 2018.
  6. a b Nahwärme boomt: Solarthermie auf Freiflächen. In: Erneuerbare Energien. Das Magazin, 26. Mai 2021. Abgerufen am 30. Mai 2021.
  7. Fernwärme: Sonne ins Netz. In: Süddeutsche Zeitung, 31. Juli 2020. Abgerufen am 1. August 2020.
  8. Nicolas Perez‐Mora et al.: Solar district heating and cooling: A review. In: International Journal of Energy Research. Band 42, Nr. 4, 2018, S. 1419–1441, doi:10.1002/er.3888.
  9. a b Solare Fernwärme löst Absatz von Kleinanlagen ab. In: Erneuerbare Energien. Das Magazin. 8. November 2016, abgerufen am 21. Januar 2022.
  10. Annelies Vandermeulen et al.: Controlling District Heating and Cooling Networks to Unlock Flexibility: A Review. In: Energy. Band 151, 2018, S. 103–115, doi:10.1016/j.energy.2018.03.034.
  11. Solarwärmedörfer werden populär. In: Erneuerbare Energien. Das Magazin, 8. November 2018. Abgerufen am 10. November 2018.

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Autor/Urheber: Erik Christensen, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Marstal Solar power plants, have a area of 18,365 m². It covers a third of Marstal's power consumption