Slegel (Orgelbauer)

Slegel ist der Nachname einer niederländischen Orgelbauerfamilie des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Familie hatte ihren Sitz in Zwolle. Sie zählte zu den bedeutendsten Orgelbauern ihrer Zeit und hatte ein großes Tätigkeitsgebiet im Osten der Niederlande und in Nordwestdeutschland. Von den Slegel-Orgeln sind heute nur noch Reste erhalten.

Leben

Als Begründer der Orgelbauerfamilie gilt Meister Georg (alternativ: Jürgen, Jorrien, Joris, Georgien) Slegel († um 1560). Er stammte aus Zwolle und war mit Merritgen (Meike) verheiratet. Er war der Vater von Cornelis (Cornelius) († 1585) und Michael († 1593), die zwischen 1525 und 1583 in den Niederlanden nachweisbar sind.[1] Als „Gebrüder Slegel“ wurden die beiden Söhne durch zahlreiche Orgelneubauten und Umbauten bekannt.

Cornelis war in erster Ehe mit einer Aleyt verheiratet, mit der er vier Töchter hatte: Grietje, Jannitgen, Wendell und Anna. Im November 1584 heiratete er in Zwolle in zweiter Ehe eine Frau, die ebenfalls Aleyt hieß. Diese Ehe blieb anscheinend kinderlos. Michael hatte zwei Söhne, die ebenfalls Orgelbauer wurden: Jan I († vor 1604), der in Zwolle wohnte, und Jorrien II (Jürgen). Jan I hatte drei Söhne, die Organisten in Zwolle (Jan II), Kampen (Arent) und Steenwijk (Herman) wurden. Jan III Slegel, vermutlich ein Sohn von Arent, tritt in den 1670er Jahren als Orgelbauer in Kampen in Erscheinung.[2]

Jorrien II (Jürgen) wirkte ab 1592 in Osnabrück, wo er das Bürgerrecht erlangte und mindestens bis 1629 tätig war.[3]

Werk

Da Georg verschiedentlich in der Grafschaft Bentheim tätig ist, wird er als Erbauer der neuen Orgel in Neuringe (um 1542) vermutet.[4]

Die Gebrüder Slegel zeichneten sich durch eine große Produktivität und ein weites Tätigkeitsfeld aus. Ausgehend von Overijssel erhielten sie Aufträge aus Westfalen-Lippe bis hin nach Hildesheim und Bremen. Sie entwickelten die älteren Traditionen weiter, denen zufolge das Plenum des Hauptwerk auf einer gemeinsamen Lade als Blockwerk fungierte und die weiteren Register auf einer separaten Oberlade im Hauptwerk standen. Die Prinzipale im Brustwerk oder Rückpositiv konnten aber einzeln angespielt werden. Die Slegels setzten hingegen alle Stimmen des Hauptwerks auf eine gemeinsame Lade, was ein System mit Springladen vermuten lässt.[5]

Die Anfertigung von einer Hauptwerks-Trompete für Zwolle (1556) und Stadthagen (1557) für den Diskant und den Bass und einer halbierten in Münster (1565) legt nahe, dass es sich ausschließlich um ein Melodieregister handelte.[6]

Werkliste (Auswahl)

Die Größe der Instrumente wird in der fünften Spalte durch die Anzahl der Manuale und die Anzahl der klingenden Register in der sechsten Spalte angezeigt. Ein großes „P“ steht für ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ für ein angehängtes Pedal. Eine Kursivierung zeigt an, dass die betreffende Orgel nicht mehr erhalten ist.

Cornelis und Michael Slegel

JahrOrtKircheBildManualeRegisterBemerkungen
1545–1547OsnabrückOsnabrücker DomII/p14Neubau; nicht erhalten
1549Uttum?Uttumer KircheUttum Orgel (07).jpgIMögliche Zuschreibung; Material beim Neubau 1660 integriert → Orgel der Uttumer Kirche[7]
1549Greetsiel?Greetsieler KircheMögliche Zuschreibung; Neubau; nicht erhalten[7]
1556ZwolleDominikanerkircheII12Neubau, gemeinsam mit Jorrien I; nicht erhalten
1557StadthagenSt. MartinBau einer Trompete 8′; nicht erhalten
1559–1561BremenLiebfrauenkircheNicht erhalten
1565UelsenRef. KircheNicht erhalten
um 1565WarendorfSt. LaurentiusNicht erhalten
1565MünsterÜberwasserkircheBau einer halbierten Trompete 8′; nicht erhalten
vor 1570OldenburgLambertikircheI9Neubau; 1635 nach Golzwarden verkauft; nicht erhalten
um 1570BassumStiftskirche BassumNicht erhalten
um 1570BocholtSt.-Georg-KircheNicht erhalten
1581KampenBovenkerkIII/pReparatur der großen Orgel von Johan van Kovelens (1524); davon beim Neubau 1670 älteres Material integriert → Orgeln der Bovenkerk (Kampen)
1586HildesheimSt. AndreasNeubau in 15 Wochen, was auf ein kleines Werk schließen lässt; nicht erhalten[8]
1587–1595LemgoSt. Marien
Lemgo - 2014-08-16 - St. Marien (1).jpg
II/P20Oder von Jorrien II; Neubau; 2010 Rekonstruktion durch Rowan West auf den Zustand von 1613; Gehäuse und eine Windlade von Slegel erhalten

Das Werkverzeichnis der Gebrüder Slegel (vor 1571) führt darüber hinaus folgende niederländische Orte auf: Aalten/St. Helena (1560), Hellendoorn/Ref. Alte Kirche (nach 1560), Hoya, Oldenzaal/St.-Plechelmus-Basilika (1560/1570), Kloster Sibculo (Positiv, nach 1560) und Kloster Zwartewater.[9]

Weitere Neubauten sind bezeugt: Deventer/St. Lebuinus (1540/41), Emlichheim?/Ref. Kirche (1544), Hasselt/St. Steven (1545–1549), Herford/St. Johannes (1576/77) und Stift Berg (1587), Kampen/Cellebroerskloster (1560/70) und Unsere Liebe Fraue (1592), Lemgo/St. Johann (1588?), Nienburg/Weser/St. Martin (nach 1560), Ootmarsum/Ref. Kirche (1569), Osnabrück/St. Marien (1571) und St. Johann (1592/93), Steenwijk/St. Clemens (nach 1587).[10]

Einem Jürgen (Jorrien) Slegel wird der Orgelbau in St. Martini (Minden) zugeschrieben. Das Rückpositivgehäuse ist erhalten und auf das Jahr 1591 datiert, das Hauptwerkgehäuse teilweise und einige Register erhalten.[11]

Jan III Slegel

JahrOrtKircheBildManualeRegisterBemerkungen
1677HattemGrote of Andreaskerk
20973 Hattem NH-kerk orgel 08.JPG
I/pWindlade teilweise und einige Register erhalten
1670–1679KampenBovenkerk
Kampen Bovenkerk Orgel06b.JPG
II/P28Neubau unter Verwendung älteren Materials; 1741–1743 Erweiterungsumbau durch A.A. Hinsz (III/P/33), 1790 Erweiterung durch H.H. Freytag und F.C. Schnitger (IV/P/46); später weitere Veränderungen, heute IV/P/56; 10 Register ganz und 5 teilweise erhalten → Orgeln der Bovenkerk (Kampen)

Literatur

  • Douglas E. Bush, Richard Kassel (Hrsg.): The Organ. An Encyclopedia. Routledge, New York, London 2006, ISBN 0-415-94174-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Ralph Nickles: Orgelinventar der Krummhörn und der Stadt Emden. Hauschild Verlag, Bremen 1995, ISBN 3-929902-62-1.
  • Fritz Schild: Denkmal-Orgeln. Dokumentation der Restaurierung durch Orgelbau Führer 1974-1991. Florian Noetzel, Wilhelmshaven 2005, ISBN 978-3-7959-0862-1 (2 Teile: Backmoor-Groothusen, Hage-Wiesens).
  • Maarten A. Vente: Die Brabanter Orgel. Zur Geschichte der Orgelkunst in Belgien und Holland im Zeitalter der Gotik und der Renaissance. H. J. Paris, Amsterdam 1963.
  • Harald Vogel, Günter Lade, Nicola Borger-Keweloh: Orgeln in Niedersachsen. Hauschild, Bremen 1997, ISBN 3-931785-50-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nickles: Orgelinventar. 1995, S. 128.
  2. Vente: Die Brabanter Orgel. 1963, S. 130f.
  3. Vogel/Lade/Borger-Keweloh: Orgeln in Niedersachsen. 1997, S. 274.
  4. Schild: Denkmal-Orgeln. 2005, S. 715.
  5. Vente: Die Brabanter Orgel. 1963, S. 145.
  6. Vente: Die Brabanter Orgel. 1963, S. 167.
  7. a b Nickles: Orgelinventar. 1995, S. 111, 46f., 128, 308, 528.
  8. Vogel/Lade/Borger-Keweloh: Orgeln in Niedersachsen. 1997, S. 314.
  9. Nickles: Orgelinventar. 1995, S. 111.
  10. Vera Lüpkes: Die Orgellandschaft in Westfalen und angrenzenden Regionen im 16. Jh., gesehen 24. November 2011.
  11. Orgel in Minden, gesehen 20. Mai 2013.

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Lemgo - 2014-08-16 - St. Marien (1).jpg
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Schwalbennestorgel in der evangelisch-lutherischen Kirche St. Marien in Lemgo
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Orgel der Uttumer Kirche, Landkreis Aurich Ostfriesland, Niedersachsen, Deutschland
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