Projekt 1164

Projekt 1164
Projekt-1164-Kreuzer Moskwa, 2009
Projekt-1164-Kreuzer Moskwa, 2009
Schiffsdaten
LandSowjetunion Sowjetunion
Russland Russland
SchiffsartLenkwaffenkreuzer
Entwurfnördliches Projektierungs- und Konstruktionsbüro (russisch Северное проектно-конструкторское бюро), Leningrad
BauwerftWerft Nr. 445 „61 Kommunarden“, Nikolajew
Bauzeitraum1976 bis 1990
Stapellauf des Typschiffes27. Juli 1979
Gebaute Einheiten4
Dienstzeitseit 1982
Schiffsmaße und Besatzung
Länge187 m (Lüa)
Breite20,8 m
Tiefgang (max.)7,9 m
Verdrängung
  • Leer: 9.500 t
  • Einsatz: 11.280 t
 
Besatzung485 (66 Offiziere, 64 Unteroffiziere und 355 Mannschaften)[1] nach anderer Quelle: 610[2]
Maschinenanlage
MaschineCOGOG
4 × Hauptturbinen
2 × Hilfsturbinen
Maschinen­leistung4 × 30.000 PS (22.065 kW)
2 × 12.000 PS (8.826 kW)
Höchst­geschwindigkeit32,5 kn (60 km/h)
Propeller2
Bewaffnung

Projekt 1164 Atlant (nach der mythologischen Figur „Atlas“), von der NATO als Slawa-Klasse bezeichnet, ist eine Klasse von Lenkwaffenkreuzern der sowjetischen und später der russischen Marine. Die Schiffe sind in der Lage, Flugzeugträger-Verbände und andere große Schiffsziele aus Entfernungen von bis zu 550 Kilometern mit Seezielflugkörpern zu bekämpfen.

Geschichte

Marschall Ustinow 1989 in Norfolk

Projekt 1164 wurde entwickelt, um gegnerische Flottenverbände anzugreifen. Dazu war Projekt 1164 mit 16 Seezielflugkörpern des Typ P-500 Basalt ausgerüstet, die Schiffsziele auch auf große Entfernungen wirksam bekämpfen konnten. Bis heute wird diese Klasse in der russischen Marine lediglich vom Projekt 1144 an Umfang und Typ der Waffensysteme übertroffen.

Das Typschiff Slawa wurde 1982 bei der Schwarzmeerflotte in Dienst gestellt. 1986 folgte die Marschall Ustinow (Маршал Устинов), die zur Nordflotte kam, und 1990 die Tscherwona Ukraina (Червона Украйна, „rote Ukraine“), die ihren Dienst bei der Pazifikflotte antrat. Ein viertes Schiff, die Admiral Flota Lobow (Flottenadmiral Lobow), sollte 1995 folgen, wurde jedoch nicht fertiggestellt. Die Slawa wurde 1995 in Moskwa (Москва, Moskau) umbenannt, die Tscherwona Ukraina in Warjag (Варяг, Waräger). Die Marschall Ustinow lief 1989 den Hafen von Norfolk an und war damit das erste Schiff der sowjetischen Flotte, das einen amerikanischen Marinestützpunkt besuchte.

Die unter russischer Flagge fahrenden Lenkwaffenkreuzer des Projektes 1164 haben den Zusammenbruch der Sowjetunion überstanden, wurden alle vier Jahre überholt und häufig bei Manövern beobachtet. 2003 nahm die Moskwa an einer Übung mit der indischen Marine teil. Die Marschall Ustinow nahm 2000 bis 2004 an allen großen Manövern der Nordflotte teil und die Warjag an einer Übung im Pazifik. Im April 2022 wurde die "Moskwa" von ukrainischen Seezielflügkörpern versenkt. Die Schiffe wurden als Sicherheit gegen einen möglichen Fehlschlag der Kirow-Klasse entwickelt und ihre Zukunft schien aufgrund ihres im Vergleich zur Kirow-Klasse kostengünstigeren Unterhalts gesichert. Bei entsprechender Instandhaltung und einer möglichen Umbewaffnung könnten überlebenden Schiffe bis 2030 im Dienst der russischen Marine bleiben.

Konstruktion

Bewaffnung

P-500/-1000-Startbehälter
Vertikalstartbehälter und das 3R41-Radar für die S-300F

Die Hauptbewaffnung des Projekts 1164 bilden 16 Seezielflugkörper des Typs P-500 Basalt oder deren Weiterentwicklung P-1000 Wulkan (NATO-Codename: SS-N-12 „Sandbox“).[3] Die Lenkwaffen sind in acht Doppelstartern beidseits der vorderen Schiffsaufbauten untergebracht. Die Ausführung P-500 hat eine Reichweite von bis zu 550 km und die Version P-1000 eine solche von rund 700 km.[4] Die Seezielflugkörper können entweder mit einem konventionellen 1000-kg-Sprengkopf oder einem 350-kt-Nuklearsprengkopf bestückt werden.[5]

Zur Langstrecken-Luftabwehr ist ein Flugabwehrraketenkomplex S-300F Fort (NATO-Codename: SA-N-6 „Grumble“) installiert. Dieser besteht aus einem Feuerleitradar 3R41 Wolna (NATO-Codename „Top Dome“) sowie einer 3S41-Senkrechtstartanlage für Flugkörper. Diese Anlage besteht aus 8 B-204-Magazinen für jeweils 8 5W55RM-Raketen, so dass insgesamt 64 Flugabwehrraketen zur Verfügung stehen. Das 3R41-Feuerleitradar kann gleichzeitig 12 Lenkwaffen gegen 6 Ziele steuern. S-300F Fort hat einen horizontalen Kampfbereich von 7 bis 75 km. Der vertikale Einsatzbereich liegt bei 25 bis 25.000 m. Das System kann gegen Flugzeuge, Drohnen sowie Seezielflugkörper eingesetzt werden.[6][3][7][8]

Die Kurzstrecken-Luftabwehr erfolgt durch zwei Doppelstarter des Systems 4K33 Osa-M. Die Raketen können Ziele in einer Entfernung von bis zu 10 km und einer Höhe von 5 km bekämpfen. Es können sowohl Flugzeuge als auch Helikopter bekämpft werden. Insgesamt stehen 2 Magazine mit je 20 Raketen zur Verfügung.[3]

Am Bug des Schiffes befindet sich ein Zwillingsgeschütz des Typs AK-130. Es hat eine Maximalreichweite von etwa 23 km und kann gegen Schiffe, Landziele, Flugzeuge sowie auch gegen ältere, anfliegende Seezielflugkörper eingesetzt werden. Die Kadenz beträgt 10–40 Schuss/min pro Lauf.

Als Nahbereichsverteidigungssystem sind sechs sechsläufige Gatlingkanonen des Typs AK-630 installiert. Sie erreichen eine effektive Reichweite von etwa 3000 m und eine theoretische Kadenz von 3000 Schuss/min.

Zur U-Boot-Abwehr sind zwei Zwölffach-Wasserbombenwerfer des Typs RBU-6000 und zwei Fünffach-Torpedostarter installiert. Die RBU-6000 hat ein Kaliber von 213 mm. Das Geschossgewicht beträgt 110 kg, wovon der Sprengkopf 25 kg ausmacht. U-Boote können damit in einer Entfernung von bis zu 6000 m und einer Tiefe von ca. 500 m bekämpft werden. Die Torpedorohre sind in der Lage, neben normalen Torpedos auch die Waffen des U-Boot-Abwehrkomplexes RPK-6 Wodopad-NK sowie des universellen Raketen-Komplexes Kalibr einzusetzen.

Rumpf und Antrieb

Die Schiffe des Projekts 1164 sind 186 m lang, 20,8 m breit und haben einen Tiefgang von 7,6–9,3 m. Standardmäßig verdrängt ein Schiff um die 10.000 Tonnen, voll beladen etwa 12.500 Tonnen. Die Schiffe werden mit einem COGOG-System angetrieben. Sie verfügen über vier Hauptturbinen mit einer Gesamtleistung von 90.000 PS und über zwei Hilfsturbinen mit einer Gesamtleistung von 20.000 PS. Die Schiffe erreichen damit eine Höchstgeschwindigkeit von rund 32 Knoten. Mit 30 Knoten Fahrt beträgt die Reichweite etwa 2500 Seemeilen, mit 18 Knoten Fahrt etwa 6800 Seemeilen.

Einheiten

aktueller
Name
ehemaliger
Name
BauwerftKiellegungStapellaufIndienststellungBemerkungen (Flotte)
Moskwa
(Москва)
SlawaWerft Nr. 445,
Nikolajew
5. November 197627. Juli 19797. Februar 1982am 14. April 2022 gesunken
Marschall Ustinow
(Маршал Устинов)
197825. Februar 19825. November 1986aktiv (Nordflotte)
Warjag
(Варяг)
Tscherwona Ukraina31. Juli 197928. August 198316. Oktober 1989aktiv (Pazifikflotte)
1164Ukraina,
Admiral Flota Lobow,
Komsomolez
19831990unvollendet

Die Marschall Ustinow wurde seit 2011 in der Werft „Swjesdotschka“ in Sewerodwinsk überholt und modernisiert. So wurde das Fregat-M Radar durch das modernere und für tieffliegende Ziele optimierte AESA-Radar Fregat-M2M und das Überwachungsradar ebenfalls durch das neuere Podberjosowik ersetzt. Im vierten Quartal 2016 unternahm die Marschall Ustinow Testfahrten und soll Anfang 2017 wieder in Dienst gestellt werden.[9][10] Einige Quellen vermuten, dass auch die Raketenbewaffnung durch die modernen Kalibr oder P-800 Oniks ersetzt wurden.[11]

Ukraina, 2013

Die Admiral Flota Lobow ging beim Zusammenbruch der Sowjetunion 1992 in das Eigentum der Ukraine über und wurde in Ukraina (Україна) umbenannt. Die Arbeiten an der Ukraina wurden 1996 gestoppt, 1999 wieder aufgenommen und 2001 erneut gestoppt. In den 2000er-Jahren war das Schiff zu 95 Prozent fertiggestellt und die Ukraine suchte einen Käufer dafür. Russland hatte großes Interesse an der Ukraina, doch bis heute kam ein Verkauf nicht zustande. 2010 wurde das Schiff in 1164 umbenannt, was als Möglichkeit eines baldigen Verkaufs nach Russland gedeutet wurde. Jedoch wurde im März 2017 bekannt, dass der nunmehr 30 Jahre alte unvollendete Torso abgewrackt werden soll.[12] Die – inzwischen in „Nördliche Mykolajiwer Werft“ umbenannte und zum staatlichen ukrainischen Rüstungskonzern UkrObronProm gehörende Werft – versucht, die Verschrottung zu verhindern und Finanzmittel für die Fertigstellung sowie die Zahlung der seit 2015 ausstehenden Gehälter zu bekommen.[13] Die Fertigstellungskosten werden 2018 mit 30 Millionen US$ angenommen. Ein potentieller Käufer könnte Indien sein.[14]

Die Moskwa versank am 14. April 2022 während des Kriegs in der Ukraine im Schwarzen Meer. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wurde sie von ukrainischen Neptun-Seezielflugkörpern getroffen, wobei Russland nur einen Brand und die Explosion von Munition meldete.[6] Die beiden anderen Schiffe wurden vor Kriegsbeginn ins Mittelmeer beordert, können jedoch aufgrund der Sperrung des Bosporus nicht ins Schwarze Meer einlaufen.[15]

Literatur

  • А. С. Павлов: Убийцы авианосцев – SLAVA CLASS. (etwa: A. S. Pawlow: Flugzeugträger-Jäger – SLAWA KLASSE.) Jakutsk 1998.
  • С. С. Бережной: Советский ВМФ 1945–1995 Крейсера – большие противолодочные корабли, эсминцы. (etwa: S. S. Bereschnoi: Sowjetische Marine 1945–1995. Kreuzer, große U-Jagdschiffe, Zerstörer.) Moskau 1995.

Weblinks

Commons: Projekt 1164 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. А. С. Павлов: Убийцы авианосцев – SLAVA CLASS. (etwa: A. S. Pawlow: Flugzeugträger-Jäger – SLAWA KLASSE.) Jakutsk 1998, S. 10
  2. С. С. Бережной: Советский ВМФ 1945–1995 Крейсера – большие противолодочные корабли, эсминцы, S. 7
  3. a b c Stephen Saunders: ‘’Jane’s Fighting Ships, Edition 2015–2016’’. 2015. S. 693.
  4. DTIG.org Russian/Soviet Sea-based Anti-Ship Missiles
  5. Duncan Lennox: Jane’s Strategic Weapon Systems. Jane’s Information Group, 2005, ISBN 0-7106-0880-2.
  6. a b Agentur: Russischer Raketenkreuzer „Moskwa“ gesunken. In: Die Zeit. Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 14. April 2022, abgerufen am 14. April 2022.
  7. Adrian Ochsenbein: Das Boden-Luft Lenkwaffensystem SA-10 GRUMBLE. In: scribd.com. Defense Threat Informations Group, abgerufen am 9. Mai 2022.
  8. Site3f.ru: S. M. Ganin, A. W. Karpenko: Das Boden-Luft-Lenkwaffensystem S-300. 2001
  9. Russische Nordflotte bekommt kräftig Verstärkung: „Genau rechtzeitig“. In: sputniknews.com. Rossija Sewodnja, 1. November 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. November 2016; abgerufen am 20. April 2022.
  10. Missile cruiser „Marshal Ustinov“ first went to sea after modernization (Memento vom 1. November 2016 im Internet Archive) In: LatestNewsResource.com. Abgerufen am 1. November 2016 (englisch).
  11. Russian Navy Slava-class Cruiser Marshal Ustinov to Start Sea Trials in Late October. In: navyrecognition.com. Abgerufen am 1. November 2016 (englisch).
  12. Ukraine verschrottet ihr größtes Kriegsschiff. In: ukraine-nachrichten.com. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. März 2017; abgerufen am 27. März 2017.
  13. Nikolai Holmov: Ukrainian Government and Ukroboronprom Deadlocked Over Debt and Production Problems at Mykolaiv Shipyard. In: jamestown.org. Jamestown Foundation, 9. Januar 2018, abgerufen am 10. August 2018 (englisch).
  14. Should India Buy Ukrainian Cruiser Ukrayina. In: idrw.org. Indian Defence Research Wing, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. August 2018; abgerufen am 10. August 2018 (englisch).
  15. Гибель российского крейсера “Москва” в Черном море: пять важных вопросов. In: bbc.com. British Broadcasting Corporation, 15. April 2022, abgerufen am 20. April 2022 (russisch).

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Cruiser Marshal Ustinov leaving Norfolk 1989.jpg
Raketenkreuzer Marschall Ustinow (Маршал Устинов) (088) von 1986 der Slawa-Klasse. Drei Schwesterschiffe wie die Moskwa (Москва, „Moskau“) die 1982 als Slawa bei der sowjetischen Schwarzmeerflotte in Dienst gestellt und 1995 in Moskawa umbenannt wurde, die jetzige Warjag, vormals Tscherwona Ukraina (Червона Украйна, „rote Ukraine“) von 1990 und die Admiral Flota Lobow („Flottenadmiral Lobow“), sollte 1995 folgen, liegt aber immer noch unfertig in Nikolajew. Markant sind die außen sichtbaren Raketen-Starcontainer. Die Lenkwaffen sind hier in acht Doppelstartern beidseits der vorderen Schiffsaufbauten untergebracht. Sie erreichen eine Reichweite von bis zu 550 km und können wahlweise mit einem konventionellen 1000-kg-Sprengkopf oder einem 350-kt-Nuklearsprengkopf bestückt werden.
Project 1164 Moskva 2009 G1.jpg
Der Lenkwaffenkreuzer Moskva. Die Moskva, die 1983 unter dem Namen Slava als erstes Schiff des Lenkflugkörperkreuzers der Slava-Klasse in den Dienst der sowjetischen Marine trat, war bis zum Untergang am 24. April 2022 das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte der Russischen Föderation (Sewastopol, 2009).
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Der Lenkwaffenzerstörer Marschal Ustinow mit seinen acht Raketenstartschleusen für S-300F-Flugabwehrraketen (NATO-Codename: SA-N-6). Rechts im Foto ist das "Top Dome"-Feuerleitradar für die SA-N-6-Raketen abgebildet.
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An aerial starboard view of the bow section of a Soviet Slava class guided missile cruiser showing 16 SS-N-12 missiles, a twin 130 mm dual purpose gun, and two 30 mm gatling guns.