Sitzzuteilungsverfahren nach der Wahl zum Deutschen Bundestag

Das Sitzzuteilungsverfahren nach der Wahl zum Deutschen Bundestag oder die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag ist die Methode der proportionalen Repräsentation bei Verhältniswahlen, die zur Besetzung des Deutschen Bundestages nach einer Bundestagswahl Anwendung findet. Im Divisorverfahren nach Sainte-Laguë werden dabei Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sichergestellt.

Schematische Sitzverteilung im Bundestag – Symbolbild

Grundlegendes

Jeder Wähler kann auf seinem Stimmzettel zwei Stimmen abgeben. Die Erststimme wird für einen Wahlkreiskandidaten abgegeben, die Zweitstimme für die Landesliste einer Partei. Um an der Verteilung von Listenmandaten beteiligt zu sein, muss eine Partei mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erreichen oder mindestens drei Grundmandate gewinnen, also drei Direktmandate. Ausgenommen von dieser Sperrklausel sind Parteien nationaler Minderheiten. Die einzige solche Partei, die seit 1949 an einer Bundestagswahl teilnimmt, ist der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), die Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein.

Die gesetzliche Größe des Bundestages beträgt 598 Mitglieder, wird aber meist durch Überhangmandate und Ausgleichsmandate vergrößert. Die Mandate werden auf die Bundesländer entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung verteilt. 299 Sitze werden in Einzelwahlkreisen vergeben, diese Zahl soll ab 2024 auf 280 sinken.[1] Wer in einem Wahlkreis mehr Erststimmen erhält als alle anderen Kandidaten, ist gewählt, es reicht eine relative Mehrheit. Auf diese Weise können auch Kandidaten ohne Parteibindung in den Bundestag kommen oder solche, deren Partei an der Sperrklausel gescheitert ist.

Ausschlaggebend für die Verteilung der Gesamtzahl der Sitze ist die Zweitstimme, die deshalb häufig als die wichtigere Stimme bezeichnet wird. Gezählt werden dabei nur Zweitstimmen der Parteien und Gruppierungen, die nicht an der Sperrklausel gescheitert sind. Für jedes Bundesland wird für jede Partei ermittelt, wie viele Sitze ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil zustehen. Von dieser Zahl werden die Sitze abgezogen, die sie bereits als Direktmandate gewonnen hat. Die verbleibenden gehen von oben beginnend an die Bewerber auf der Landesliste, die kein Direktmandat gewonnen haben.

Erhält eine Partei mehr Direktmandate, als ihr nach der Zweitstimmenzahl zustehen würden, so behält sie die dadurch entstehenden Überhangmandate. Bis zu drei Überhangmandate werden nicht ausgeglichen, wenn es mehr gibt, erhalten die anderen Parteien Ausgleichsmandate, die Gesamtzahl der Mandate erhöht sich dadurch. Sollte eine Partei mehr als die Hälfte der Zweitstimmen erhalten, nach diesen Regeln aber nicht die Mehrheit der Mandate, würde sie so viele Mandate zusätzlich erhalten, bis sie einen Sitz mehr hat als die anderen Parteien zusammen. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kam das allerdings noch nie vor.

Sitzzuteilung nach BWahlG als personalisierte Verhältniswahl

personalisierte Verhältniswahl

Im § 6 Bundeswahlgesetz (BWahlG) ist die Sitzzuteilung geregelt. Das dort beschriebene Vorgehen versucht die folgenden Kriterien zu erfüllen:

  1. Die Bundesländer erhalten den Anteil der Sitze, der Ihrem Bevölkerungsanteil entspricht.
  2. Die Parteien erhalten den Anteil dieser (Landes-)Sitze, der ihrem Zweitstimmenanteil (im Land) entspricht.
  3. Alle direkt gewählten Kandidaten sind im Bundestag vertreten. Diese haben jeweils die Mehrheit der Erststimmen auf sich vereinigt.

Der letzte Punkt führt dann zu Komplikationen, wenn eine Partei im Land mehr Direktkandidaten stellt, als ihr Landessitze zustehen. Dann kommt es zu Überhangmandaten und ggf. zu Ausgleichsmandaten.

Vorgehen gemäß § 6 BWahlG „Wahl nach Landeslisten“

  • (1) Für die Verteilung der nach Landeslisten zu besetzenden Sitze werden die für jede Landesliste abgegebenen Zweitstimmen zusammengezählt. Wenn ein Wahlkreissieger parteilos ist oder einer Partei angehört, die entweder an der Sperr- oder Grundmandatsklausel gescheitert oder für sie keine Landesliste zugelassen worden ist, werden die Zweitstimmen der Wähler, die mit ihrer Erststimme für diesen Wahlkreisbewerber gestimmt haben, nicht für die Landeslisten berücksichtigt. Ebenso wird von der Gesamtzahl der Bundestagsabgeordneten die Zahl solcher Wahlkreissieger abgezogen.
  • (2) Zuerst werden die Bundestagssitze im Divisorverfahren nach Sainte-Laguë den Ländern nach deren Bevölkerungszahlen (ohne Ausländer) und diese wiederum abzüglich oben genannter Direktmandate auf Grundlage der zu berücksichtigenden Zweitstimmen den Landeslisten zugeordnet. Sollte die Zuordnung nicht eindeutig sein, entscheidet das Los des Bundeswahlleiters.
  • (3) Bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten werden nur Parteien berücksichtigt, die die Sperr- oder Grundmandatsklausel (5%-Hürde oder drei Direktmandate) erfüllt haben. Ausnahmen bilden Parteien nationaler Minderheiten.
  • (4) Die so ermittelte Zahl an Sitzplätzen einer Landesliste, wird um die Anzahl der von der Partei im Land errungenen Direktmandate reduziert. Direktmandate bleiben der Partei erhalten, auch wenn sie die Anzahl der ihr zustehenden Sitze überschreiten sollten. (Überhangmandate)
  • (5) Es wird die Zahl der Sitze im Bundestag so lange angehoben und nach den Absätzen (1) – (4) auf die Landeslisten verteilt, bis höchstens drei Überhangmandate entstehen. (Ausgleichsmandate)
  • (6) Die Sitze des so vergrößerten Bundestages werden nun im Divisorverfahren nach Sainte-Laguë auf die zu berücksichtigenden Parteien und dann auf die Landeslisten verteilt. Von den auf die Landeslisten verteilten Sitzplätzen werden die Direktmandate abgezogen. Die restlichen Sitze werden aus der Landesliste in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt. Wahlkreisbewerber, die ein Direktmandat errungen haben, bleiben auf der Liste unberücksichtigt. Entfallen auf eine Liste mehr Sitze, als Bewerber genannt sind, bleiben diese unbesetzt.
  • (7) Erhält bei der Verteilung der Sitze nach den Absätzen (2) – (6) eine Partei, auf die mehr als die Hälfte der Gesamtzahl der Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Parteien entfallen ist, nicht mehr als die Hälfte der Sitze, werden ihr weitere Sitze zugeteilt, bis auf sie ein Sitz mehr als die Hälfte der Sitze entfällt. Die Sitze der Partei werden entsprechend (6) im Divisorverfahren nach Sainte-Laguë neu auf die Landeslisten verteilt, die Direktmandate abgezogen und die restlichen Plätze nach Landesliste aufgefüllt.

Das beschriebene Vorgehen wird im Detail im Abschnitt Sitzzuteilung am Beispiel der Bundestagswahl 2013 vorgeführt.

Änderungen am Bundeswahlgesetz

Nachdem die seit 1956 angewandte Sitzzuteilung am 3. Juli 2008 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden war[2], da bei ihr ein negatives Stimmgewicht auftreten konnte, wurde sie nach Ablauf einer gesetzten Frist am 3. Dezember 2011 reformiert.[3]

Gegen diese Reform wurde unter anderem eine Verfassungsbeschwerde eingereicht,[4] der das Bundesverfassungsgericht zustimmte und die Gesetzesänderung am 25. Juli 2012 für nichtig erklärte, da sie im Grundsatz die wesentlichen Kritikpunkte nicht beseitigen und die Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl nicht sicherstellen konnte.[5]

Im Oktober 2012 einigten sich Union, SPD, FDP und Grüne auf eine Neuregelung der Sitzzuteilung, die am 21. Februar 2013 vom Bundestag verabschiedet wurde und am 9. Mai 2013 in Kraft[6] getreten ist.

Wesentliche Änderungen sind die Ausgleichsmandate, die das Stimmenverhältnis nach dem Auftreten von Überhangmandaten aufrechterhalten, und der Wegfall des negativen Stimmgewichts durch Überhangmandate. Jedoch kann es, allerdings wesentlich seltener, zu einem ähnlichen Effekt durch Ausgleichsmandate kommen. Dieser tritt aber immer auch mit einem ausgleichenden „positiven“ Effekt zusammen auf und ist somit nicht mit dem ursprünglich durch das Verfassungsgericht beanstandeten negativen Stimmgewicht gleichzusetzen. Des Weiteren können Ausgleichsmandate zu einer starken Vergrößerung des Bundestages führen. Insbesondere bei Überhangmandaten durch in nur wenigen Bundesländern antretende Parteien, bei einem eventuellen Wegfall der Sperrklausel oder bei wachsender Zahl im Bundestag vertretener Parteien. So wurde anhand der Wahlumfragen kurz vor der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag simuliert, dass das Sitzkontingent auf bis zu 730 Sitzplätze anwachsen könnte und zu 98,2 % aller Fälle die Größe des 18. Deutschen Bundestags überschreitet.[7][8][9] Tatsächlich wuchs der 19. Deutsche Bundestag auf 709 Sitze an. Die Ursache findet sich vornehmlich in den Überhangmandaten der CSU, die 2017 wieder alle Direktmandate Bayerns für sich gewinnen konnte, jedoch in der Zweitstimmenverteilung deutlich schlechter abschnitt als 2013. Das führte zu Überhangmandaten einer bundesweit betrachtet relativ kleinen Partei und löst in der Umkehr einen entsprechend großen Bedarf an Ausgleichsmandaten aus.[10]

2020 wurde das Gesetz für die Bundestagswahl 2021 dahingehend geändert, dass bis zu drei Überhangmandate nicht mehr ausgeglichen werden müssen. Die Zahl der Direktmandate wird ab 2024 von 299 auf 280 gesenkt, was für die Bundestagswahl 2025 oder eine vorgezogene Wahl 2024 gelten wird.[1]

Geschichte

Vor 1956

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gibt im Art. 38 neben den Grundzügen der Wahl auch vor, dass die Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in einem Bundesgesetz näher bestimmt sein soll. Da der parlamentarische Rat sich nicht auf eine verfassungsrechtliche Festlegung des Wahlsystems einigen konnte[11], wurde für die Wahl zum ersten Deutschen Bundestag ein eigenes Wahlgesetz erlassen.

1949

Das eigens für die erste Bundestagswahl geschaffene Wahlgesetz trat in Zusammenarbeit des Parlamentarischen Rates mit den Militärgouverneuren am 15. Juni 1949 in Kraft.[12]

Die Anzahl der Sitze im Bundestag war im § 8 auf mindestens 400 festgesetzt, genauso wie die Verteilung der Sitzkontingente auf die Länder. Auch sollten die Länder ihre Kontingente zu 60 % durch Wahlkreismandate decken, also ihr Bundesland in entsprechend viele Wahlkreise aufteilen.

Bundestagsitze 1949[13]
LandSitzedavon
Wahlkreise
(60 %)
davon
Listenplätze
(40 %)
Baden11 (+1)74 (+1)
Bayern
inkl. Lindau
784729
Bremen4 (+1)31 (+1)
Hamburg1385
Hessen362214
Niedersachsen583424
Nordrhein-Westfalen1096643
Rheinland-Pfalz251510
Schleswig-Holstein23149
Württemberg-Baden332013
Württemberg-Hohenzollern1064
Insgesamt400 (+2)242158 (+2)

Jeder Wähler hatte eine Stimme, die zugleich den Wahlkreissieger bestimmte, sowie die Stimmenverteilung der Parteien im Land und damit ihre Anteile an den Landessitzen. Die Bundestagswahl war somit auf Länderebene herunterbrochen – Eine Sperrklausel von fünf Prozent und eine Grundmandatsklausel von einem Direktmandat wurde in jedem Bundesland berücksichtigt, nicht erst bundesweit.

Die Landessitzkontingente wurden nach dem D’Hondt-Verfahren auf Grundlage der Landesstimmen den Parteien zugeteilt. Nach Abzug der Direktmandate erfolgte die Besetzung der übrigen Sitze nach den Landeslisten.

Beim Auftreten von Überhangmandaten war ursprünglich vorgesehen, diese dem Landessitzkontingent aufzurechnen und die Sitzverteilung erneut vorzunehmen. Dieses Verfahren würde jedoch nicht ausschließen, dass weitere auftreten und auch wäre nicht geklärt, wie mit diesen zu verfahren wäre. Als die Landeswahlleiter zu diesem Problem ankündigten, im eintretenden Fall diese Regelung einfach zu ignorieren, erließ das Militärgouvernement am 5. August 1949, neun Tage vor der Wahl, eine Gesetzesänderung,[14] nach der Überhangmandate einfach als solche belassen würden. Auch führten sie ein, dass die Landessitzkontingente vor der Zuteilung um die Zahl der parteilosen Wahlkreissieger reduziert wird.[11]

Jeweils ein Überhangmandat trat bei der SPD in Bremen und bei der CDU in Baden auf.[13]

Wurde ein Direktmandat vakant (durch Amtsniederlegung, Verzicht, Aberkennung oder Tod), fanden Nachwahlen statt. Derer gab es 14 in der ersten Wahlperiode.[11] Bei einem Listenmandat hingegen besetzte ein Nachrücker den frei gewordenen Platz.

Das besetzte Berlin durfte bis zum Eintreten in den Geltungsbereich des Grundgesetzes acht Abgeordnete in beratender Funktion in den Bundestag entsenden.

Seit 2002

Bis zur Bundestagswahl 2002 kam es nur in einzelnen Fällen vor, dass eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate errang, als ihr Sitze nach dem Zweitstimmenergebnis zugestanden hätten, die so erreichten Überhangmandate waren daher nie entscheidend für die Mehrheit. Da die klassischen Volksparteien CDU, CSU und SPD in den 2000er und 2010er Jahren schwächer wurden, kam es häufiger vor, dass eine Partei viele oder alle Direktmandate in einem Land errang, ohne entsprechend viele Zweitstimmen zu erhalten. 2005 gab es 16 Überhangmandate, die sich aber ausglichen, da die SPD neun und die CDU sieben erhielt, 2009 gab es 24 Überhangmandate nur für CDU/CSU. Da die Gleichheit der Wahl damit nicht mehr gewährleistet war, wurde dies vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Daher wurden ab der Bundestagswahl 2013 Ausgleichsmandate vergeben. Das führte 2013 mit 33 und vor allem Bundestagswahl 2017 mit 111 Überhang- und Ausgleichsmandaten zu einer starken Vergrößerung des Parlaments, was nicht nur die Kosten erhöht, sondern auch für die Arbeitsfähigkeit des Bundestages nachteilig ist. Eine umfassende Reform der Sitzzuteilung wurde zwar in Angriff genommen, da die Parteien sich aber nicht einigen konnten, wurde in einem Kompromiss nur eine kleine Änderung beschlossen, nach der einige Überhangmandate nicht ausgeglichen werden.

Sitzzuteilung am Beispiel der Bundestagswahl 2013

Bisher fanden bei Bundestagswahlen drei Sitzzuteilungsverfahren Anwendung. Bis 1985 erfolgte die Sitzverteilung im Verfahren nach D’Hondt. Dieses bevorzugt systematisch größere Parteien[15] und wurde durch das Hare-Niemeyer-Verfahren abgelöst. Als sogenanntes „Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen“ ist es dem Sainte-Laguë-Verfahren sehr ähnlich, zieht aber aufgrund seiner speziellen Rundungsregel, bei der Restsitze in Reihenfolge der größten Nachkommastelle vergeben werden, Paradoxien wie das Alabama-Paradoxon oder das Wählerzuwachsparadoxon nach sich.[16] In einer Studie vom 4. Januar 1999 kam der Bundeswahlleiter zu dem Fazit, dass das Sainte-Laguë-Verfahren den anderen beiden Verfahren vorzuziehen sei. Der 16. Deutsche Bundestag beschloss in diesem Sinne am 24. Januar 2008 die Ablösung des Hare-Niemeyer-Verfahrens.[17]

Dieses Sitzzuteilungsverfahren in Verbindung mit der am 9. Mai 2013 in Kraft getretenen Bundeswahlgesetzänderung fand bei der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag erstmals Anwendung.

Vorbereitung zur Wahl

Die Wahlkreiseinteilung der Bundesrepublik zur Bundestagswahl 2013

Um die Gleichheit der Wahlen zu wahren, muss vor den Wahlen die Wahlkreiseinteilung des Bundesgebietes durch eine Wahlkreiskommission, bestehend aus dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, einem Richter des Bundesverwaltungsgerichtes und fünf weiteren Mitgliedern, überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Ziel ist es, das Stimmgewicht in jedem Wahlkreis gleich zu halten. Berücksichtigt werden dabei alle deutschen Bundesbürger im Sinne Art. 116 Abs. 1 GG. Für die Bundestagswahl 2013 galt dabei die Bevölkerungszahl zum Stand 31. Dezember 2010.[18]

Die Wahlkreiseinteilung unterliegt dabei nach § 3 Abs. 1 BWahlG folgenden Grundsätzen:

  • Ländergrenzen sind einzuhalten
  • die derzeit 299 Wahlkreise werden nach dem Sainte-Laguë-Verfahren auf die Bundesländer verteilt
  • die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises darf nicht um mehr als 15 % von der durchschnittlichen Wahlkreisbevölkerung abweichen.
  • der Wahlkreis soll ein zusammenhängendes Gebiet bilden
  • die Grenzen der Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte sollen nach Möglichkeit eingehalten werden

Die vom Bundespräsidenten ernannte Wahlkreiskommission hat ihren Bericht innerhalb von 15 Monaten nach Beginn der Wahlperiode dem Bundesinnenminister vorzulegen.

Wahlkreiseinteilung zur Bundestagswahl 2013[18]
BundeslandWahlkreise+/-veränderte Wahlkreise
Schleswig-Holstein11
Mecklenburg-Vorpommern06−1121314151617
Hamburg06181920
Niedersachsen30
Bremen02
Brandenburg10
Sachsen-Anhalt09
Berlin12
Nordrhein-Westfalen64115116
Sachsen16
Hessen22+1173174175177180
Thüringen09
Rheinland-Pfalz15
Bayern45215216217222224
Baden-Württemberg38
Saarland04

Wahlergebnis

2009Wahl zum 18. Bundestag 20132017
Endgültiges Ergebnis – Zweitstimmen[19]
(71,5 % Wahlbeteiligung – 1,3 % ungültige Stimmen)
 %
50
40
30
20
10
0
41,5
25,7
8,6
8,4
4,8
4,7
2,2
1,3
1,0
1,8
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 2009
 %p
   8
   6
   4
   2
   0
  -2
  -4
  -6
  -8
-10
+7,7
+2,7
−3,3
−2,3
−9,8
+4,7
+0,2
−0,2
+1,0
−0,7

Die Erststimmenauswertung brachte keinen Wahlkreissieger hervor, der parteilos war oder einer Partei angehörte, die entweder an der Sperrklausel scheiterte oder für das Bundesland keine Landesliste vorlegte. Demnach sind nach § 6(1) BWahlG alle Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Parteien im weiteren Prozess einzubeziehen.

Wahlkreissitze (Direktmandate)[20]
ParteiBundSHMVHHNIHBBBSTBENWSNHETHRPBYBWSL
CDU19196117995371617914384
SPD5825132122751
DIE LINKE44
GRÜNE11
CSU4545
Insgesamt29911663021091264162291545384
Zweitstimmen[21]
ParteiBundSHMVHHNIHBBBSTBENWSNHETHRPBYBWSL
CDUAnz.14.921.877638.756369.048285.9271.825.59296.459482.601485.781508.6433.776.563994.6011.232.994477.283958.6552.576.606212.368
%34,139,242,532,141,129,334,841,228,539,842,639,238,843,345,737,8
SPDAnz.11.252.215513.725154.431288.9021.470.005117.204321.174214.731439.3873.028.282340.819906.906198.714608.9101.314.0091.160.424174.592
%25,731,517,832,433,135,623,118,224,631,914,628,816,127,520,020,631,0
DIE LINKEAnz.3.755.69984.177186.87178.296223.93533.284311.312282.319330.507582.925467.045188.654288.615120.338248.920272.45656.045
%8,65,221,58,85,010,122,423,918,56,120,06,023,45,43,84,810,0
GRÜNEAnz.3.694.057153.13737.716112.826391.90140.01464.18246.585220.737760.642113.916313.13560.511169.372552.818623.29431.998
%8,49,44,312,78,812,14,74,012,38,04,99,94,97,68,411,05,7
CSUAnz.3.243.5693.243.569
%7,449,3
Wahlberechtigte61.946.9002.251.7961.350.7051.281.9186.117.473483.8232.065.9441.930.8802.505.71813.253.5543.406.4304.413.2711.834.2593.092.4249.472.7387.689.895796.072
Wähler44.309.9251.645.750881.718901.2134.491.281333.0221.412.7851.198.2481.815.4159.605.2472.368.7583.230.4831.251.4032.251.9796.633.7265.711.469577.428
Wahlbeteiligung [%]71,573,165,370,373,468,868,462,172,572,569,573,268,272,870,074,372,5
ungültige
Zweitstimmen
Anz.583.06917.46013.97510.34846.0213.61024.42319.43327.694107.09036.10682.39219.71037.48252.97169.45014.868
%1,31,11,61,21,01,11,71,61,51,11,52,61,61,70,81,22,6
gültige Zweitstimmen43.726.8561.628.290867.743890.8294.445.260329.4121.388.3621.178.8151.787.8159.498.1572.332.6523.148.0911.231.6932.214.4976.580.7555.642.019562.560

„Die Wahl erfolgt nach wie vor im Wahlsystem der personalisierten Verhältniswahl, in dem die Personenwahl im Wahlkreis (Erststimme) nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl mit der Verhältniswahl von Landeslisten der Parteien (Zweitstimme) kombiniert wird. Novelliert wurde hingegen die Ermittlung der endgültigen Sitzverteilung. Die Umrechnung der Wählerstimmen in Bundestagssitze erfolgt nunmehr in zwei Verteilungsstufen, welche jeweils wiederum zwei Rechenschritte beinhalten. Die gesetzgeberische Zielsetzung hinter der neuen Regelung ist die Wahrung des Grundcharakters der Verhältniswahl. Im Ergebnis soll jede Partei in etwa gleich viele Stimmen benötigen, um einen Sitz zu erhalten.

Alle vier Rechenschritte werden mittels des Divisorverfahrens Sainte-Laguë/Schepers, welches bereits zur Bundestagswahl 2009 angewendet wurde, durchgeführt.“

Bundeswahlleiter: „Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 – Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach Wahlkreisen“[22]

1. Stufe

In der ersten Stufe werden im Wesentlichen die Absätze (1) – (4) des § 6 BWahlG in zwei umfangreicheren Schritten abgehandelt. Die Absätze (1) und (3) gehen bereits mit der Wahlergebnisermittlung einher.

Schritt 1.1 – Sitzkontingente der Länder

Für die Oberverteilung gilt es zunächst die 598 Bundestagssitze in Sitzkontingente für die einzelnen Länder aufzuteilen, anhand des Bevölkerungsanteils der Länder am Bundesgebiet. Ziel ist es, jedem Bundestagssitz und damit repräsentativ für jeden Abgeordneten die gleiche Zahl zu vertretender Bundesbürger anzurechnen. Dazu bedarf es eines geeigneten Divisors „Bevölkerung pro Bundestagssitz“, durch den die verschiedenen Bevölkerungszahlen der Länder dividiert werden, um so die zu vergebenden Sitze pro Land zu ermitteln. Um diesen zu ermitteln, bedient man sich in einem ersten Teilschritt des naheliegenden .

Zuteilung der Sitze auf die Länder[23]
starten mit einem AnfangsdivisorSitzkorrektur und Ermittlung des endgültigen Divisors
LandDeutsche
Bevölkerung
31. Dezember 2012
Anfangs-
Divisor
Sitze
gerundet
Ermittlung der DivisorspanneBerechnung der Sitze
Sitzzahl
plus 0,5
Kandidat 1Sitzzahl
plus 1,5
Kandidat 2ausgewählter
Divisor
Sitze
Schleswig-Holstein2.686.085:124.287,901338=22:22,5=119.381,…:23,5=114.301,…124.013,692308
<
Divisor

124.079,387978

ausgewählter
Divisor:

124.050
22
Mecklenburg-Vorpommern1.585.03213:13,5=117.409,…:14,5=109.312,…13
Hamburg1.559.65513:13,5=115.530,…:14,5=107.562,…13
Niedersachsen7.354.89259:59,5=123.611,…:60,5=121.568,…59
Bremen575.8055:5,5=104.691,…:6,5=88.585,…5
Brandenburg2.418.26719:19,5=124.013,…:20,5=117.964,…19
Sachsen-Anhalt2.247.67318:18,5=121.495,…:19,5=115.265,…18
Berlin3.025.28824:24,5=123.481,…:25,5=118.638,…24
Nordrhein-Westfalen15.895.182128:128,5=123.697,…:129,5=122.742,…128
Sachsen4.005.27832:32,5=123.239,…:33,5=119.560,…32
Hessen5.388.35043:43,5=123.870,…:44,5=121.086,…43
Thüringen2.154.20217:17,5=123.097,…:18,5=116.443,…17
Rheinland-Pfalz3.672.88830:30,5=120.422,…:31,5=116.599,…30
Bayern11.353.26491:91,5=124.079,…:92,5=122.737,…92
Baden-Württemberg9.482.90276:76,5=123.959,…:77,5=122.360,…76
Saarland919.4027:7,5=122.586,…:8,5=108.164,…7
Insgesamt74.324.165597598

Bei der Berechnung mit dem Anfangsdivisor in der linken Tabellenhälfte sind weniger Sitze auf die Länder entfallen, als zu vergeben sind. Das bedeutet, dass der Divisor verringert werden muss. Dazu dividiert man die Einwohnerzahlen der Länder durch eine leicht erhöhte Anzahl an zugemessenen Sitzen. Die stufenweise Anhebung der zuvor ermittelten Sitze um 0,5, 1,5 etc. ist typisch für das Sainte-Laguë-Verfahren und trägt mathematisch der faireren kaufmännischen Rundung Rechnung. Außerdem stehen einem durch die zwei auf jedes Bundesland angewendeten Anhebungsstufen eine Vielzahl neuer Divisorenkandidaten zur Verfügung. Um jetzt keinen zu kleinen Divisor zu erwischen, bedient man sich dem halboffenen Intervall aus dem größten und zweitgrößten Divisorkandidaten. Innerhalb dieser Divisorspanne ist mathematisch das Ergebnis immer dasselbe, sodass man sich einen möglichst runden Divisor aus dieser Spanne frei wählt, mit dem man die Sitzzuteilung neu angeht.

Schritt 1.2 – Verteilung der Sitzkontingente der Länder auf die Parteien

Die nun ermittelten Sitze der Länder werden im nächsten Schritt im gleichen Prinzip auf die Landeslisten der Parteien verteilt, wonach der Absatz  (2) des § 6 BWahlG abgearbeitet wurde. Für den Anfangsdivisor bedient man sich dabei dem Verhältnis der Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Parteien zum Sitzkontingent des entsprechenden Landes.

Im Fall des Landes Bayern führt der Anfangsdivisor bereits zu einer stimmigen Sitzverteilung. Dennoch sucht man nach der geeigneten Divisorspanne, um einen möglichst runden Divisor zu bestimmen. Durch ein minimales Herabsetzen der ermittelten Sitze wird der Anfangsdivisor leicht vergrößert und ein entsprechendes Heraufsetzen verringert ihn. Aus dem kleinsten vergrößerten und dem größten verkleinerten bildet man nun die Spanne, aus der der geeignete Divisor gewählt wird.

exemplarisch: Zuteilung der Sitze des Landes Bayern auf die Landeslisten[24]
starten mit einem AnfangsdivisorErmittlung des endgültigen Divisors
ParteiZweitstimmenAnfangs-
Divisor
Sitze
gerundet
Ermittlung der DivisorspanneBerechnung der Sitze
Sitzzahl
minus 0,5
Kandidat 1Sitzzahl
plus 0,5
Kandidat 2ausgewählter
Divisor
Sitze
CSU3.243.569:58.253,434783=56:55,5=58.442,…:56,5=57.408,…58.191,368421
< Divisor ≤
58.400,400000:
58.200
56
SPD1.314.00923:22,5=58.400,…:23,5=55.915,…23
GRÜNE552.8189:8,5=65.037,…:9,5=58.191,…9
DIE LINKE248.9204:3,5=71.120,…:4,5=55.315,…4
Insgesamt5.359.3169292

Im Land Sachsen wird hingegen im ersten Teilschritt ein Sitz zu viel vergeben. Hierzu werden die Sitze analog zum Beispiel der Landeskontingente leicht herabgesetzt, um den Divisor heraufzusetzen. Um ihn nicht zu stark zu vergrößern, bedient man sich zur Bildung der Spanne beim kleinsten und zweitkleinsten Teiler. Auch hier wird dann ein geeigneter, möglichst runder, Divisor gewählt, mit dem man die Sitze neu verteilt. Dies wird so lange wiederholt, bis das vorgegebene Gesamtsitzkontingent erreicht wird.

exemplarisch: Zuteilung der Sitze des Landes Sachsen auf die Landeslisten[25]
starten mit einem AnfangsdivisorErmittlung des endgültigen Divisors
ParteiZweitstimmenAnfangs-
Divisor
Sitze
gerundet
Ermittlung der DivisorspanneBerechnung der Sitze
Sitzzahl
minus 0,5
Kandidat 1Sitzzahl
minus1,5
Kandidat 2ausgewählter
Divisor
Sitze
CDU994.601:59.886,90625=17:16,5=60.278,…:15,5=64.167,…60.278,848485
< Divisor ≤
61.967,090909:
61.000
16
DIE LINKE467.0458:7,5=62.272,…:6,5=71.853,…8
SPD340.8196:5,5=61.967,…:4,5=75.735,…6
GRÜNE113.9162:1,5=75.944,…:0,5=227.832,…2
Insgesamt1.916.3813332

Auf diese Weise werden nun die Sitzkontingente jedes Landes auf die Landesparteilisten verteilt, um festzustellen, wie viele Abgeordnete aus welchen Ländern eine Partei aufgrund ihrer Zweitstimmen in den Bundestag entsenden darf.

Feststellung der garantierten Mindestsitzverteilung und Abschluss der ersten Stufe

Nachdem die Bundestagssitze auf die Länder und diese auf die Landeslisten der Parteien verteilt wurden, werden nun die Wahlkreissieger der Länder herangezogen. Diese sogenannten Direktmandate haben Vorrang vor allen Listenkandidaten und besetzen die Landesparteisitze zuerst. Sie ziehen nach Absatz (4) des § 6 BWahlG auf jeden Fall in den Bundestag ein, auch wenn die zugeteilte Sitzkapazität für die Parteien nicht ausreicht. Dieser Mandatsüberschuss ist nicht selten in „kleineren“ Ländern, aber auch nicht übermäßig und erhöht den Sitzanspruch einer Partei im Land und damit auch im Bundestag.

Für die nächste Stufe werden also die Mindestsitzansprüche aller Parteien bundesweit und damit die erste Vergrößerung des Bundestages ermittelt.

Zusammenfassung der Sitzverteilung[26]
LandZweitstimmenDivisorCDU/CSUSPDDIE LINKEGRÜNEInsgesamt
CDU/CSUSPDLINKEGRÜNELSDMminÜMLSDMminÜMLSDMminÜMLSDMminÜMLSDMminÜM
SH638.756513.72584.177153.13761.000109108281133221122
MV369.048154.431186.87137.71660.00066633331113613
HH285.927288.90278.296112.82660.000515555112213613
NI1.825.5921.470.005223.935391.90166.0002817282213223366593059
HB96.459117.20433.28440.01465.000112221111525
BB482.601321.174311.31265.18260.000899151555111910201
ST485.781214.731282.31946.85860.0008991445511189191
BE508.643439.387330.507220.73762.000858727545414241224
NW3.776.5633.028.282582.925760.64263.50059375948274899121212864128
SN994.601340.819467.045113.91661.000161616668822321632
HE1.232.994906.906188.654313.13562.000201720155153355432243
TH477.283198.714288.61560.51160.0008991335511179181
RP958.655608.910120.338169.37262.000151415101102233301530
BY3.243.5691.314.009248.920552.81858.2005645 56 23234499924592
BW2.576.6061.160.424272.456623.29460.6004338431919441010763876
SL212.368174.59256.04531.99865.000344133117481
Σ36.867.417238
56
191
45
242
56
4
1835818360460611615982996024
LS – (auf die Partei entfallene) Landessitze; DM – Über die Erststimmen erlangte Direktmandate; min – garantierte Mindestsitzzahl (LS + ÜM); ÜM – aufgetretene Überhangmandate

Aufgrund der vier Überhangmandate der CDU in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Saarland (je 1), erhöht sich der Sitzanspruch der Partei von 238 auf 242 und der Bundestag wächst somit von 598 auf mindestens 602 Abgeordnete. Bei den anderen zu berücksichtigenden Parteien traten keine Überhangmandate auf, sodass CSU, SPD, Die Linke und Grüne Anspruch auf die zweitstimmenbedingten 56, 183, 60, beziehungsweise 61 Landessitze haben.

2. Stufe

An dieser Stelle war der Sitzzuteilungsprozess bei vorangegangenen Wahlen im Prinzip abgeschlossen. Überhangmandate stellen den Personenwahlcharakter der Erststimme sicher, verletzen jedoch das Verhältniswahlprinzip der Zweitstimme. Da es bereits vorkam, dass Überhangmandate in Fraktionsstärke auftraten, stellte das BVerfG im Urteil zur Verfassungsbeschwerde gegen die BWahlG-Reform vom 3. Dezember 2011 folgendes fest:

„2.a) In dem vom Gesetzgeber geschaffenen System der mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl sind Überhangmandate (§ 6 Abs. 5 BWG) nur in einem Umfang hinnehmbar, der den Grundcharakter der Wahl als einer Verhältniswahl nicht aufhebt.

b) Die Grundsätze der Gleichheit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien sind bei einem Anfall von Überhangmandaten im Umfang von mehr als etwa einer halben Fraktionsstärke verletzt.“

BVerfG: Urteil des Zweiten Senats vom 25. Juli 2012 – 2 BvF 3/11[5]

Dies wurde in der BWahlG-Neuregelung vom 9. Mai 2013 durch die Einführung der Ausgleichsmandate berücksichtigt. Dazu wird der Bundestag in einem ersten Schritt soweit erweitert, dass Überhangmandate kompensiert werden und das Zweitstimmenverhältnis sich in der Sitzverteilung widerspiegelt. In einem zweiten erfolgt die Verteilung der Sitze auf die Landeslisten. Damit werden in der zweiten Stufe die Absätze (5) – (7) des § 6 BWahlG umgesetzt. Grundlage der Verteilung bleibt das Sainte-Laguë-Verfahren.

Schritt 2.1 – Vergrößerung des Bundestages aufgrund der Mindestsitzansprüche

Im ersten Schritt werden die den Parteien nach dem Anteil Ihrer Zweitstimmen zustehenden Sitze auf Bundesebene ermittelt unter Berücksichtigung ihrer Mindestsitzansprüche aus Stufe 1.

Für jede Partei wird der größtmögliche Divisor ermittelt, der die Mindestsitzzahl garantiert. Dazu dividiert man die Zahl ihrer Zweitstimmen durch die um 0,5 verringerte Zahl ihrer Mindestsitze. Man erhält für jede Partei einen Maximaldivisor, von denen man den kleinsten als Obergrenze für die Divisorspanne wählt. Durch diese Obergrenze werden alle Zweitstimmen dividiert und dadurch die neuen Sitzzahlen ermittelt. Die Partei, von der dieser Divisor stammt, erhält dadurch durch Aufrundung von 0,5 genau ihre Mindestsitze. Für alle anderen Parteien ist der neue Divisor kleiner als der vorher für sie ermittelte, was zur Folge hat, dass ihre Sitzanzahl tendenziell steigt. Für alle Parteien wurde der gleiche Divisor verwendet, daher haben alle Sitze das gleiche Stimmgewicht.

Die Zweitstimmen werden nun durch die um 0,5 erhöhte Zahl der Sitze geteilt, um leicht verringerte Divisoren zu erhalten. Der größte dieser bildet dann die Untergrenze der Divisorspanne, aus der wie bisher ein möglichst runder Teiler gefunden wird, den man dann repräsentativ für die Spanne nutzt.

Ausgleichsmandate erschaffen[27]
Ermittlung der DivisorobergrenzeErmittlung der Divisoruntergrenze
ParteiZweitstimmenMindestsitze
minus 0,5
Parteien-DivisorDivisorobergrenzeSitze NEUSitze NEU
plus 0,5
Divisoruntergrenzegewählter Divisor
CDU14.921.877:241,5=61.788,…:58.442,684684=255:255,5=58.402,…58.420
SPD11.252.215:182,5=61.655,…193:193,5=58.150,…
DIE LINKE3.755.699:59,5=63.120,…64:64,5=58.227,…
GRÜNE3.694.057:60,5=61.058,…63:63,5=58.174,…
CSU3.243.569:55,5=58.442,…56:56,5=57.408,…
Insgesamt36.867.417631

Schritt 2.2 – Verteilung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien

Die so ermittelten Sitzzugeständnisse werden auf die Landeslisten verteilt, sodass jeder Partei mindestens ihre Direktmandate zustehen und damit die Überhangmandate aufgelöst werden.

Der führt wieder über das Sainte-Laguë-Verfahren unter Beachtung, dass die Direktmandate das Minimum jedes Landes darstellen, zur Verteilung der Sitze auf die Länder.

Da keine Partei über die Hälfte der Zweitstimmen der zu berücksichtigenden Parteien erhalten hat, ist Absatz (7) des § 6 BWahlG nicht zu beachten.

Die endgültige Sitzzuteilung erfolgt nach nachfolgender Tabelle:

Endgültiger Verteilungsschlüssel[28]
LandZweitstimmenDivisorCDU/CSUSPDDIE LINKEGRÜNEInsgesamt
CDU/CSUSPDLINKEGRÜNECDU/CSUSPDLINKEGRÜNELLPDMMAMLLPDMMAMLLPDMMAMLLPDMMAMLLPDMMAM
SH638.756513.72584.177153.13759.50058.50060.00060.50029111729111331311242
MV369.048154.431186.87137.716663333117613
HH285.927288.90278.296112.8264155511227613
NI1.825.5921.470.005223.935391.90114173131213253441663630667
HB96.459117.20433.28440.0142212211114261
BB482.601321.174311.31265.182994155511101020
ST485.781214.731282.31946.8589944551110919
BE508.643439.387330.507220.7374591628124613141512273
NW3.776.5633.028.282582.925760.642263763425275241010113131746413810
SN994.601340.819467.045113.9161161716688221716331
HE1.232.994906.906188.654313.13541721111516133552322452
TH477.283198.714288.61560.511993355119918
RP958.655608.910120.338169.372214161911022331615311
BY3.243.5691.314.009248.920552.8181145 56 2222−14499464591-1
BW2.576.6061.160.424272.456623.29459.500538432020155110104038782
SL212.368174.59256.04531.9984433111115491
Σ14.921.877
3.243.569
11.252.2153.755.6993.694.05764
11
191
45
255
56
13
135581931060464462163233229963129
36.867.417
LLP – Landeslistenplätze (M-DM); DM – Über die Erststimmen erlangte Direktmandate; M – Bundestagsmandate; AM – Ausgleichsmandate

Die SPD hat durch die Ausgleichsmandate einen Listenplatz in Bayern verloren. Dieses dem negativen Stimmgewicht ähnliche Phänomen kann also auftreten, ist aber mit dem eigentlichen nicht vergleichbar, da die SPD auch elf zusätzliche Sitze gewonnen hat.

Weblinks

Dokumente

  • BTW13 BWG Wahlkreiseinteilung.pdf – „Konsolidierte Fassung der Wahlkreiseinteilung für die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag“
  • BTW13 Heft3.pdf – „Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 – Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach Wahlkreisen“

Einzelnachweise

  1. a b Fünfundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 14. November 2020 (BGBl. I S. 2395)
  2. BVerfGE, 2 BvC 1/07 vom 3. Juli 2008. In: Bundesverfassungsgericht. 3. Juli 2008, abgerufen am 20. September 2017.
  3. Neunzehntes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
  4. mehr-demokratie.de (Memento des Originals vom 8. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mehr-demokratie.de
  5. a b Urteil über die Verfassungsbeschwerde gegen das 19. BWahlGÄndG, 2 BvF 3/11 vom 25. Juli 2012. In: Bundesverfassungsgericht. 25. Juli 2012, abgerufen am 20. September 2017.
  6. Zweiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
  7. Innenausschuss des Bundestages, Ausschussdrucksache 17(4)624 C (Memento vom 5. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 314 kB)
  8. Platznot im Plenarsaal. In: faz.net. 19. September 2017, abgerufen am 20. September 2017.
  9. Simulation der Ergebnisse der Bundestagswahl am 24. September 2017 in Hinsicht auf die Größe des Bundestags. (PDF; 222 kB) In: www.zu.de. 13. September 2017, abgerufen am 20. September 2017.
  10. Der neue Bundestag ist der größte und teuerste aller Zeiten. In: welt.de. 25. September 2017, abgerufen am 25. September 2017.
  11. a b c Geschichte des Wahlrechts zum Bundestag. In: wahlrecht.de. 8. Mai 2013, abgerufen am 4. November 2017.
  12. Wahlgesetz zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland. In: Archiv. 3. März 2004, abgerufen am 4. November 2017.
  13. a b Bundestagswahl 1949 – Stimmen und Sitze in den Bundesländern. In: www.election.de. Abgerufen am 4. November 2017.
  14. Gesetz vom 5. August 1949 zur Ergänzung und Abänderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949. In: Archiv. 3. März 2004, abgerufen am 4. November 2017.
  15. Das Divisorverfahren mit Abrundung. In: wahlrecht.de. 15. April 2012, abgerufen am 21. September 2017.
  16. Das Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen. In: wahlrecht.de. 1. September 2013, abgerufen am 21. September 2017.
  17. Das Divisorverfahren mit Standardrundung. In: wahlrecht.de. 17. April 2013, abgerufen am 21. September 2017.
  18. a b Wahlkreiseinteilung. In: bundeswahlleiter.de. 17. April 2013, abgerufen am 21. September 2017.
  19. Bundeswahlleiter: Bundesergebnis – Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2013 (Memento vom 16. Mai 2016 im Internet Archive)
  20. BTW13 Heft3.pdf – Tabelle 3, S. 252.
  21. BTW13 Heft3.pdf – Tabelle 1.2, S. 14ff.
  22. BTW13 Heft3.pdf – Abschnitt 8 „Berechnungsverfahren und Verteilung der Abgeordnetensitze nach § 6 Bundeswahlgesetz (BWG) bei der Bundestagswahl 2013“ Einleitung (8.1), S. 312.
  23. BTW13 Heft3.pdf – Tabelle 8.2.1, S. 325.
  24. BTW13 Heft3.pdf – Tabelle 8.2.2, S. 332.
  25. BTW13 Heft3.pdf – Tabelle 8.2.2, S. 330.
  26. BTW13 Heft3.pdf – Tabellen 8.1.2 – 8.1.3, S. 314–319.
  27. BTW13 Heft3.pdf – Tabelle 8.2.3, S. 334.
  28. BTW13 Heft3.pdf – Tabellen 8.1.5 – 8.1.6, S. 314ff, 321 – 324

Auf dieser Seite verwendete Medien

Pers.Ver.Wahl.v4.svg
Autor/Urheber: , Lizenz: CC BY-SA 3.0

Personalisierte Verhältniswahl der Bundesrepublik Deutschland

Drawn by Horst Frank. Converted to svg by Joherold

Source: German Wikipedia, original upload see file history
17th Bundestag Structure.png
Structure diagram for the 17th Bundestag.
Karte der Wahlkreise fuer die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag mit administrativen Einheiten.svg
Übersicht über die Wahlkreise Deutschlands zur Wahl zum 18. deutschen Bundestag 2013 Rechtsquelle: Anlage (zu § 2 Abs. 2) BWahlG: Wahlkreiseinteilung für die Wahl zum Deutschen Bundestag der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung des Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 17. März 2008 (BGBl. I S. 316–358)