Sipuleucel-T

Eine dendritische Zelle unter dem Lichtmikroskop

Sipuleucel-T (weiterer Name: APC8015) ist ein als therapeutischer Krebsimpfstoff verwendetes Immuntherapeutikum, das zur Gruppe der Gentherapeutika zählt.[1]

Sipuleucel-T besteht aus körpereigenen (autologen) dendritischen Zellen, die außerhalb des Organismus (ex vivo) mit dem Fusionsprotein PA2024 inkubiert wurden.[2] Bei PA2024 handelt es sich um ein gentechnisch kombiniertes Protein aus prostataspezifischer saurer Phosphatase (PAP) und humanem Granulozyten-Makrophagen-Kolonie stimulierendem Faktor (GM-CSF).

Sipuleucel-T wurde von der US-amerikanischen Firma Dendreon entwickelt und als Arzneimittel unter dem Markennamen Provenge zur Behandlung des Prostatakarzinoms zugelassen. Die Zulassung für den US-Markt durch die FDA erging im April 2010,[3] im September 2013 folgte die EU-Zulassung für 28 Länder.[4] Am 6. Mai 2015 widerrief die Europäische Kommission auf Antrag des Zulassungsinhabers mit Wirkung ab 30. Juni 2015 die Zulassung.[5] Die Marktrücknahme wird im Zusammenhang mit der Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gesehen,[6] das dem Präparat zunächst keinen,[7] nach Korrektur lediglich einen „nicht quantifizierbaren Zusatznutzen“ bescheinigt hatte.[8] Die Bewertungen des IQWiG und des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sind maßgebend für die Preisgestaltung eines Medikaments.

Beschreibung

Sipuleucel-T soll das Immunsystem der behandelten Patienten, die bereits an einem Prostatakarzinom erkrankt sind, stimulieren, um so den Tumor zu bekämpfen. Die Behandlung erfolgt über einen adoptiven Zelltransfer: Dazu werden den Patienten per Leukapherese („Blutwäsche“) mononukleäre Zellen des peripheren Blutes (PBMC, engl. Peripheral Blood Mononuclear Cell) entnommen. Durch Zentrifugation werden die Zellen weiter angereichert und mit dem Fusionsprotein PA2024 für 40 Stunden inkubiert. Anschließend werden die Zellen gewaschen und in Ringer-Lactat-Lösung suspendiert. Der gesamte Vorgang dauert etwa 48 Stunden.[9] Diese Suspension (Sipuleucel-T) wird danach dem Patienten ambulant infundiert. Die maximale Stimulation der T-Zellen wird nach drei Infusionen innerhalb von zwei Wochen erreicht.[2]

Das Fusionsprotein PA2024 besteht aus dem Enzym Prostataspezifische saure Phosphatase (engl. prostatic acid phosphatase, PAP), das mit humanem Glykoprotein GM-CSF (engl. granulocyte macrophage colony-stimulating factor) verbunden ist. PAP ist dabei das Tumorantigen. Es wird von 95 Prozent der malignen Prostatazellen exprimiert, aber nicht von den gesunden.[10]

Die induzierten T-Zellen sind nach der Inkubation mit PA2024 gegen das Tumorantigen PAP gerichtet und sollen so im Körper der Patienten die Zellen bekämpfen, die dieses Tumorantigen exprimieren. Idealerweise sind dies die Zellen des Primärtumors und die seiner Metastasen.

Ergebnisse klinischer Studien

In einer Studie mit 127 austherapierten Patienten mit metastasierten und hormonresistenten Tumoren stieg die mittlere Überlebenszeit von 21,4 Monaten bei der Vergleichsgruppe die das Placebo erhielt, auf 25,9 Monate bei der mit Sipuleucel-T behandelten Gruppe an. Das progressionsfreie Überleben wurde (nicht signifikant) von 10 Monaten auf 11,7 Monate erhöht.[11] Die Überlebensrate nach drei Jahren stieg von 11 auf 34 Prozent an.[12] Die in den Vereinigten Staaten für die Zulassung zuständige Food and Drug Administration (FDA) verweigerte aber 2007 zunächst die Zulassung.[10] Der Entscheidung der FDA war eine Beratertagung vorausgegangen. In ihr hatten sich 13 der Berater für und 4 gegen die Zulassung ausgesprochen. Alle 17 sahen den Wirkstoff als sicher an. Nach der Tagung hatten sich zwei der Berater auf schriftlichem Weg bei der FDA ausdrücklich gegen die Zulassung von Sipuleucel-T geäußert. Dies gab letztlich den Ausschlag dafür, dass die FDA die Zulassung zunächst verweigerte und eine weitere Studie anforderte.[10]

Bei der weiteren Phase-III-Studie (IMPACT = Immunotherapy for Prostate Adeno Carcinoma Treatment), die multizentrisch doppelblind und placebokontrolliert mit über 500 Patienten durchgeführt wurde, wurden 2009 folgende Ergebnisse veröffentlicht: die mittlere Überlebenszeit wurde um 4,1 Monate und die Drei-Jahres-Überlebensrate um 38 Prozent erhöht.[13]

Kritik am Studiendesign

Kritiker bemängeln sowohl die hohen Kosten von Sipuleucel-T, mit durchschnittlich 23 000 US$ pro „gewonnenem“ Monat, als auch das Design der Studie. Dabei wurde Sipuleucel-T nicht im Vergleich zu einem anderen Therapeutikum, wie beispielsweise Docetaxel, getestet. In diesem Fall wäre dann möglicherweise keine signifikante Erhöhung der mittleren Überlebenszeit feststellbar gewesen.[14]

Ein Therapiezyklus umfasst drei Infusionen von Sipuleucel-T. Die Kosten dafür liegen in den Vereinigten Staaten bei 93 000 US$.[15]

Nebenwirkungen

Im Rahmen der klinischen Studien wurde festgestellt, dass Sipuleucel-T von den Patienten generell gut vertragen wird. Übliche Nebenwirkungen sind Fieber, Tremor und ein Kältegefühl. Es konnten keine Hinweise auf eine mögliche Autoimmunerkrankung gefunden werden, die durch eine Wechselwirkung vom PAP-Tumorantigen mit dem normalen Gewebe ausgelöst werden könnte.[2] Dies wäre prinzipiell möglich, da PAP von gesundem Gewebe nicht exprimiert wird.[16]

Einzelnachweise

  1. Approved Cellular and Gene Therapy Products, FDA: Liste der in den USA zugelassenen Gentherapeutika, abgerufen am 7. März 2019
  2. a b c A. L. Harzstark und E. J. Small: Immunotherapy for prostate cancer using antigen-loaded antigen-presenting cells: APC8015 (Provenge). In: Expert Opin Biol Ther 7, 2007, S. 1275–1280. PMID 17696825 (Review)
  3. Dendreon: Dendreon Press Release: FDA Approves PROVENGE(R) for the Treatment of Men with Advanced Prostate Cancer. 29. April 2010, archiviert vom Original am 4. März 2014; abgerufen am 4. März 2014.
  4. Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit, von der WebSite der europäischen Gesundheitsbehörde (EMA), abgerufen am 4. März 2014
  5. DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION vom 6. Mai 2015 über den Widerruf der durch den Beschluss C(2013)5841(final) erteilten Zulassung des Humanarzneimittels „Provenge – Autologe, mononukleäre Zellen des peripheren Bluts, aktiviert mit PAP-GM-CSF (Sipuleucel-T)“ auf Antrag des Zulassungsinhabers, von der WebSite der Europäischen Kommission, abgerufen am 19. Mai 2015
  6. Arzneimittelreport 2017, Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, BARMER GEK, abgerufen am 24. Juni 2021.
  7. Sipuleucel-T: Nutzenbewertung nach § 35a SGB V, abgerufen am 8. September 2017.
  8. Sipuleucel-T (Addendum zum Auftrag A14-38), abgerufen am 24. Juni 2021.
  9. B. Rini: Technology evaluation: APC-8015, Dendreon. In: Curr Opin Mol Ther 4, 2002, S. 76–79. PMID 11883698 (Review)
  10. a b c Therapiehoffnung: Impfung gegen Krebs, In: Ärzteblatt vom 15. April 2009
  11. Prostatakarzinom: Impfstoff verlängert Leben. (Memento vom 20. Oktober 2011 im Internet Archive) In: Ärzteblatt vom 30. Juni 2006
  12. E. J. Small u. a.: Placebo-Controlled Phase III Trial of Immunologic Therapy with Sipuleucel-T (APC8015) in Patients with Metastatic, Asymptomatic Hormone Refractory Prostate Cancer. In: Journal of Clinical Oncology 24, 2006, S. 3089–3094. doi:10.1200/JCO.2005.04.5252 PMID 16809734
  13. Prostate Cancer Immunotherapy Significantly Prolongs Survival in Men With Advanced Prostate Cancer. In: auanet.mediaroom.com. American Urological Association, 30. April 2009, abgerufen am 1. Mai 2017 (englisch).
  14. W. Caesar: Therapeutischer Impfstoff Provenge zugelassen. In: Deutsche Apotheker Zeitung vom 5. Mai 2010
  15. B. Orelli: Pricey Provenge Pumps Up Dendreon. vom 30. April 2010
  16. T. Solin u. a.: Gene expression and prostate specificity of human prostatic acid phosphatase (PAP): evaluation by RNA blot analyses. In: Biochim Biophys Acta 1048, 1990, S. 72–77. PMID 1688712

Weiterführende Literatur

Weblinks

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Dendritic cell.JPG
Autor/Urheber: Judith Behnsen, Priyanka Narang, Mike Hasenberg, Frank Gunzer, Ursula Bilitewski, Nina Klippel, Manfred Rohde, Matthias Brock, Axel A. Brakhage, Matthias Gunzer, Lizenz: CC BY 2.5

A screen clip from a video included in the journal article “Environmental Dimensionality Controls the Interaction of Phagocytes with the Pathogenic Fungi Aspergillus fumigatus and Candida albicans”

A well resolved dendritic cell drags a conidium through a distance of up to 9 μm. The conidium, however, is not phagocytosed by the cell.