Sigebert von Gembloux

Sigebert von Gembloux OSB, latinisiert Sigebertus Gemblacensis (* um 1030; † 5. Oktober 1112 in Gembloux), war ein ghibellinischer Historiograph, Hagiograph, Theologe, Liturgiker, Komputist und Publizist.

Leben und Wirken

Sigebert kam als Knabe zur Zeit des Abtes Olbert (1012–1048) an das Kloster Gembloux in der Diözese Lüttich. Von dort wurde er zwischen 1048 und 1072 durch Olberts Nachfolger Mysach († 10. November 1071) als Scholaster nach Metz an das von Mysachs Bruder Folkuin ab 1051 geleitete Kloster St. Vincentius geschickt, wo Sigebert die Vita Bischof Dietrichs I. von Metz, des Gründers seines Klosters, verfasste. Nach Mysachs Tod kehrte er zwischen 1071 und 1075 nach Gembloux zurück, wo er an der dortigen Klosterschule lehrte. Er hatte in den 1060er Jahren die metrische Passio Sanctae Luciae virginis in 370 alkäischen Strophen und in den 1070er Jahren eine metrische Passio Sanctorum Thebeorum in drei Büchern von zusammen 1077 Hexametern verfasst, in der er auch Victor von Xanten, Victor und Ursus von Solothurn, Tyrsus von Trier, Gereon von Köln und seine Gefährten, die 50 Bonner Märtyrer sowie Alexander von Bergamo und Secundus von Ventimiglia erwähnt und umfangreiche zahlensymbolische Exegesen vorträgt. In Streitschriften verteidigte er Lütticher Ansprüche gegen die Gregorianische Reform und trat auf Seiten des Königs mit einer Denkschrift für das königliche Investiturrecht ein. Seinem Liber de viris illustribus fügte er nach dem Vorbild des Augustinus und anderer spätantiker und frühmittelalterlicher Autoren einen Werkkatalog seiner eigenen Schriften an.

Die Chronik

Sigeberts Hauptwerk ist eine Weltchronik, die er in seinen letzten Lebensjahrzehnten verfasste und 1106 präsentierte. Sie beginnt mit dem Jahr 381, schließt damit an die Chronik des Prosper Tiro an, und endet mit dem Jahr 1111, also kurz vor seinem Tod, wurde somit nach der Fertigstellung noch einige Jahre fortgeführt. Sigebert stellt jedoch in weiten Teilen lediglich kritiklos bereits bekannte Tatsachen und Legenden streng chronologisch zusammen, wobei eine inhaltlich eigene Leistung erst für die Zeit, die er selbst erlebt hat, also ab dem zweiten Drittel des 11. Jahrhunderts, erkennbar ist.

Sigeberts Chronik war in den folgenden Jahrhunderten weit verbreitet. Sie galt als zuverlässig, wurde oft zitiert und als Quelle angegeben sowie ergänzt. Die im 19. Jahrhundert erfolgte kritische Prüfung hat jedoch ergeben, dass Sigebert bei der Zusammenstellung seiner Chronik bei weitem nicht so sorgfältig gearbeitet hat, wie bis dahin angenommen wurde. Darüber hinaus stammen seine Angaben fast durchweg aus heute noch existierenden Quellen, so dass der zusätzliche Informationsgehalt seiner Arbeit tatsächlich gering ist.

Dem Historiker Ludwig Konrad Bethmann (1812–1867) gelang es, das Manuskript Sigeberts aufzufinden.

Werkausgabe

  • Sigeberti Gemblacensis chronica cum continuationibus. In: Georg Heinrich Pertz u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 6: Chronica et annales aevi Salici. Hannover 1844, S. 268–535 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  • Tino Licht (Hrsg.): Sigebert von Gembloux († 1112): Acta Sanctae Luciae, Heidelberg 2008 (Editiones Heidelbergenses 34).
  • Ernst Dümmler: Sigeberts von Gembloux Passio sanctae Luciae virginis und Passio sanctorum Thebeorum (Aus den Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1893), Verlag der Königlichen Akademie der Wissenschaft, Berlin 1893.

Literatur

  • Philippe George: Sigebert v. Gembloux. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 7. LexMA-Verlag, München 1995, ISBN 3-7608-8907-7, Sp. 1879 f.
  • Auguste Molinier: Les Sources de l'histoire de France. Bd. II. und V. 1902–1904.
  • Barbara Utiger: Beschreibung von Königen und Kaisern in den Chroniken von Frutolf von Michelsberg, Sigebert von Gembloux und in den Bodenseechroniken. Zürich 2006.
  • Jutta Krimm-Beumann: Sigebert von Gembloux. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 395–397 (Digitalisat).
  • Thomas Bauer: SIGEBERT von Gembloux. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 10, Bautz, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-062-X, Sp. 241–252.
  • Wilhelm Wattenbach: Sigebert von Gembloux. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 246 f.
  • Thomas Bauer: Sigebert von Gembloux (um 1030-1112). Ein Gelehrter in einer Zeit gesellschaftlichen Umbruchs, in: Franz Irsigler/Gisela Minn (Hrsg.): Porträt einer europäischen Kernregion. Der Rhein-Maas-Raum in historischen Lebensbildern, Trier 2005, S. 39–46.
  • Wilhelm Wattenbach: Deutschlands Geschichtsquellen. 6. Auflage. Berlin 1894, Band II, Kapitel IV, § 22 Gembloux, S. 154 ff. (Digitalisat).
  • Tino Licht: Untersuchungen zum biographischen Werk Sigeberts von Gembloux. Heidelberg 2005.
  • Siegfried Hirsch: De vita et scriptis Sigiberti Gemblacensis. Berlin 1841 (Digitalisat).

Weblinks

Commons: Sigebert von Gembloux – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien