Siebel Si 204

Siebel Si 204
Siebel Si.204D PH-NLL Hilversum 12.03.67 edited-2.jpg
Siebel Si 204D
TypPassagierflugzeug
Entwurfsland

Deutsches Reich NS Deutsches Reich

HerstellerSiebel Flugzeugwerke
ErstflugMai – September 1940
Produktionszeit

April 1942 bis 31. Januar 1945

Stückzahl1216 (mit Prototypen)

Die Siebel Si 204 war ein deutsches Schul-, Verbindungs- und leichtes Transportflugzeug während der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Geschichte

Die Si 204 war ursprünglich als Passagierflugzeug für zwei Besatzungsmitglieder und acht Passagiere für die Deutsche Lufthansa vorgesehen. Die Entwicklung dieses Ganzmetallflugzeuges begann 1938 als Staatsauftrag bei der Firma Siebel in Halle in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Lufthansa unter Friedrich Fecher. Nach dem Kriegsbeginn wurde der Entwicklungsschwerpunkt auf ein Blindflug-Schulflugzeug mit Vollsichtkanzel gelegt. Lediglich die ersten beiden Prototypen wurden als Reiseflugzeuge mit Stufenkanzel fertiggestellt. Der Erstflug der V1 fand vor September 1940 (eventuell am 25. Mai 1940[1]), der der V2 vor Februar 1941 statt. Der dritte Prototyp wurde vom Reiseflugzeug zum Blindflug-Schulflugzeug mit Vollsichtkanzel umkonstruiert. Aufgrund dieser Arbeiten verzögerte sich der Erstflug erheblich (vermutlich bis Ende 1941).

Wegen der Auslastung der Siebel-Werke durch den Bau der Ju 88 wurden nur die 15 Prototypen in Halle fertiggestellt. Das Reiseflugzeug A-1 und die zugehörige Vorserie wurde bei SNCAN in Frankreich zwischen April 1942 und November 1943 produziert. Die Firma ČKD/BMM (Böhmisch-Mährische Maschinenfabrik) im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren begann mit dem Bau der Vorserie D-0 (45 Flugzeuge) im Januar 1943. Die Serie D-1 lief im März 1943 bei Aero an, bei ČKD vermutlich im Juni 1943. Ab August 1943 lieferte auch SNCAN die ersten Flugzeuge der Serie D-1. Im Oktober 1944 startete Aero die Fertigung der Serie D-3, die sich durch Holztragflächen sowie Leitwerksteile aus Holz von der D-1 unterschied. In Frankreich lief die Serie D-1 nach 53 gebauten Flugzeugen im August 1944 aufgrund der Kriegsereignisse aus, so dass insgesamt 168 Si 204 bei SNCAN gebaut wurden. BMM baute das Flugzeug bis Oktober 1944, um dann auf Ersatzteilfertigung umzuschalten. Geplant war, dass die D-1 bei Aero im März 1945 nach 486 gebauten Flugzeugen auslaufen sollte, während gleichzeitig die D-3 mit 30 Flugzeugen pro Monat weiterlaufen sollte. Die Produktion bei Aero endete aber vermutlich schon nach 541 gebauten Flugzeugen im Januar 1945. Damit sind 1216 Si 204 inklusive der Prototypen produziert worden.

Nach dem Kriegsende lief in der Tschechoslowakei die Produktion bei Aero nochmals an und wurde bis 1949 fortgesetzt. Von den beiden Schulversionen Aero C-3A und C-3B (Cvičný letoun), der Passagierausführung C-103 sowie dem militärischen Transporter D-44 (Vojenská dopravní) entstanden insgesamt 179 Maschinen. Version A wurde für das Navigatoren-, Version B für das Bombenwurftraining genutzt.

Siebel-Si-204-Nachbau Aero C-3A im Luftfahrtmuseum Prag-Kbely

Bauzahlen der Si 204 bis 31. Januar 1945:

VersionSiebelSNCANBMM/ČKDAeroSUMME
Prototypen15   15
A-0 30  30
A-1 85  85
D-0  45 45
D-1 53447ca. 477ca. 977
D-3   ca. 64ca. 64
SUMME151684925411216

Die Verwendung der Si 204 D erfolgte vorwiegend bei den B- und C-Schulen sowie beim FlüG 1, dort eventuell als Taxiflugzeug für Besatzungen, die Flugzeuge an Kampfeinheiten überführt hatten. Der Einsatz auf den Blindflugschulen lässt sich nur vereinzelt, auf den Luftnachrichtenschulen gar nicht nachweisen. Die Si 204 A wurde häufig bei Verbindungsstaffeln und Flugbereitschaften eingesetzt, aber auch bei Schulen.

Am 7. April 1944 erhob sich die erste, aus einer D-1 umgebaute Si 204 E (W.Nr. 321310) zu ihrem Erstflug, gefolgt am 20. April 1944 von der Si 204 V-22 (W.Nr. 321309).

Wrack einer Siebel Si 204 im Verwall (Aufnahme von 2012)

Im Juni 1944 sollen fünf Si 204 aus der laufenden Serie zum Nachtschlachtumbau abgegeben worden sein, denen aber keine weiteren Flugzeuge folgten. Bekannt sind zwei Si 204 E mit den Werknummern 251538 und 251564. Ob der Einsatz als Behelfskampfflugzeug in der Nachtschlachtrolle erfolgte, ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, denn beide Maschinen wurden im Oktober bzw. November 1944 nach Malacky bzw. Kraków-Balice zum Fronteinsatz überführt (die W.Nr.251538 ist im Januar 1945 allerdings erneut in Halle-Mötzlich nachweisbar).[2]

Auch die Lufthansa flog mindestens vier Si 204: Die V1 D-AEFR wurde von März bis Mai 1941 bei der DLH Prag erprobt. Vom Frühjahr 1942 bis Frühjahr 1943 wurde die V2 D-ASGU im Liniendienst eingesetzt. Beim Kriegsende blieb eine Si 204 D mit dem Namen „Rhein“ in Tempelhof stehen, eine weitere in Enns in Österreich.

Die Sowjetunion erbeutete im späten Kriegsverlauf zahlreiche Si 204 und setzte sie sowohl im militärischen wie auch zivilen Bereich ein. Sie dienten z. B. kurz nach Kriegsende als Verbindungsflugzeuge zwischen den Stäben der auf deutschem Boden stationierten sowjetischen Einheiten wie auch bei der Hauptverwaltung Nördlicher Seeweg im hohen Norden des sowjetischen Mutterlandes. Für diese Einsätze wurden auch Skifahrwerke montiert. Der Betrieb war von Motorproblemen überschattet, durch die einige Unfälle und Abstürze verursacht wurden. Die letzten Flugzeuge wurden bis Anfang 1951 außer Dienst gestellt.[3]

Große Wrackteile eines Flugzeugs diesen Typs liegen nach wie vor im Verwall unterhalb der Kuchenspitze, an deren Nordostwand die Maschine mit fünf Mann, vermutlich Wehrmachtsdeserteuren auf dem Weg in die Schweiz, während eines Nachtfluges am 17. März 1944 zerschellte. Die Leichen konnten erst im darauffolgenden Juni geborgen werden.[4]

Prototypen der Si 204:

Motorgondel einer NC.701 von SNCAN mit dreiblättrigem Propeller, Luftfahrtmuseum Rechlin
VersionMotorVerwendungErstflugVerbleib
V1As 410Musterflugzeug A Reisevor September 1940Werkflüge im November/Dezember 1943 in Halle-Mötzlich[5]
V2vor Februar 194126. Februar 1944 Absturz E-Stelle Rechlin
V3Blindflug-Schulflugzeugvor Februar 19421. Juni 1942 Absturz E-Stelle Rechlin
V4As 411vor November 1942 
V5 Bruchzelle  
V6As 410Erprobung As 41023. Oktober 1942[6] 
V7Wetterflugzeug15. Dezember 1942[7] 
V8allg. Flugerprobung7. Mai 1943[8] 
V916. Februar 1943[9]30. Juni 1943 Bruch Schule C-16 Burg
V1017. März 1943[10] 
V11  
V12 13. März 1944 Absturz E-Stelle Rechlin
V1312. August 1943[11] 
V14As 411Musterflugzeug D-222. Dezember 1943[12] 
V15Erprobung As 41114. Oktober 1943[13] 
V16As 402Erprobung As 402 aus A-Serie
V19As 411Erprobung As 411 aus A-Serie, 27. Februar 1943 an Rechlin geliefert
V22 Musterflugzeug E20. April 1944[14] 

Quellen: Archivalien des Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg und des Lufthansa-Archiv, Köln

Technische Daten der Siebel Si 204D

Dreiseitenriss
KenngrößeDaten
Im Einsatz1943 bis 1945
Besatzungzwei Mann und bis zu fünf Schüler
Länge11,95 m
Spannweite21,22 m
Höhe4,24 m
Leermasse3920 kg
Startmasse5400 kg
Höchstgeschwindigkeit350 km/h
Dienstgipfelhöhe7500 m
normale Reichweite1800 km
Triebwerkezwei luftgekühlte hängende 12-Zylinder-V-Motoren Argus As 411 mit je 575 PS (423 kW)

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Franzke: Siebel Fh 104 / Si 204 Varianten. Schul- und Verbindungsflugzeug der Luftwaffe. In: Flugzeug Profile. Nr. 50, Unitec, Stengelheim.

Weblinks

Commons: Siebel Si 204 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans J. Ebert, Johann B. Kaiser, Klaus Peters: Willy Messerschmitt – Pionier der Luftfahrt und des Leichtflugzeugbaus. Bonn 1992, S. 207.
  2. Flugbuch Hanns Motsch, S. 45–49.
  3. Wladimir Kotelnikow: Beute-Transporter. Siebel, Focke-Wulf und Co. In: Klassiker der Luftfahrt Nr. 01/2022, Motor Presse, Stuttgart, ISSN 1860-0654, S. 32–35.
  4. Helmut Wenzel: Gletscher gab neue Spuren vom Todesflug 1944 frei. 6. September 2017, abgerufen am 21. September 2020.
  5. Flugbuch Hanns Motsch, S. 32.
  6. Flugbuch Hanns Motsch, S. 2.
  7. Flugbuch Hanns Motsch, S. 4.
  8. Flugbuch Hanns Motsch, S. 17.
  9. Flugbuch Hanns Motsch, S. 9.
  10. Flugbuch Hanns Motsch, S. 12.
  11. Flugbuch Hanns Motsch, S. 25.
  12. Flugbuch Hanns Motsch, S. 32.
  13. Flugbuch Hanns Motsch, S. 30.
  14. Flugbuch Hanns Motsch, S. 38.

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National- und Handelsflagge des Deutschen Reiches von 1935 bis 1945, zugleich Gösch der Kriegsschiffe.
Das Hakenkreuz ist im Vergleich zur Parteiflagge der NSDAP um 1/20 zum Mast hin versetzt.
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Autor/Urheber: RuthAS, Lizenz: CC BY 3.0
Czech-built Siebel Si 204 PH-NLL which was used post WWII by Prince Bernhard. Originally used by the German Luftwaffe, postwar it was then operated by the Nationaal Luchtvaartlaboratorium (NLL) until withdrawn in May 1964. Used as a 'gate guard' at Hilversum but became derelict and was scrapped.
Aero C-3 scheme.JPG
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This is a three view drawing of a Siebel Si-204 license-build in post-war Czechoslovakia as Aero C-3 .
Motorgondel einer NC.701 von SNCAN.JPG
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Motorgondel einer NC.701 von SNCAN, Weiterbau einer Siebel 204 mit dreiblättrigem Propeller. Standort: Luftfahrtmuseum Rechlin
Flugzeugwrack auf dem Kuchenferner.jpg
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Wrackteile einer 1944 abgestürzten Siebel Si 204 unterhalb der Kuchenspitze im Verwall
Siebel 204 kbely museum.jpg
Siebel Si 204D, Aviation Museum Prague Kbely. The plane was assembled in 2001-2003 using original parts owned by the museum since 1970s, airframe of SNCAC NC-702 MARTINET acquired from France in 2000 and newly manufactured parts.