Siebel Flugzeugwerke
Siebel Flugzeugwerke KG | |
---|---|
Rechtsform | Kommanditgesellschaft |
Gründung | 1937 (Übernahme der 1934 gegründeten Klemm-Flugzeugwerke Halle) |
Auflösung | Oktober 1946 |
Auflösungsgrund | Demontage des Werks und Verbringung der gesamten Belegschaft nach Dubna(-Podberesje) im Rahmen der Aktion Ossawakim |
Sitz | Halle (Saale), Deutschland |
Leitung | Friedrich Siebel (Generaldirektor) |
Branche | Flugzeughersteller |
Die Siebel Flugzeugwerke KG in Halle (Saale) ging aus den 1934 gegründeten Klemm-Flugzeugwerken Halle (Zweigwerk der Leichtflugzeugbau Klemm in Böblingen) hervor, die im Dezember 1937 von Friedrich Siebel übernommen wurden. Sie befand sich westlich von Mötzlich in der Boelckestraße 70 (heute: Dessauer Str. 70 (51° 30′ 42,4″ N, 11° 59′ 39,6″ O )), einer Straße, die von 1939 bis 1945 für den öffentlichen Verkehr gesperrt war.
Die Anfänge
Die Siebelwerke bauten vor allem Reise- und Verkehrsflugzeuge eigener Konstruktion sowie als Lizenzbau Nahaufklärer Heinkel He 46, Schulflugzeuge Focke-Wulf Fw 44 „Stieglitz“, sowie Bomber/Aufklärer Dornier Do 17 M/P und Junkers Ju 88. Die bekanntesten eigenen Typen waren die Fh/Si 204 und die Si 202, auch „Hummel“ genannt. Ab 1944 arbeitete der Versuchsbau des Werkes am Überschallflugzeug DFS 346 mit um 45 Grad nach hinten gepfeilten Flügeln und Raketenantrieb.
Zur selben Zeit wurden in Halle Häftlinge aus Polen, Tschechien, UdSSR, Frankreich, Niederlanden und weiteren Nationen im KZ-Außenlager Birkhahn, einem Außenlager des KZ Buchenwald, zur Zwangsarbeit bei den Siebel-Werken eingesetzt. Am 7. Juli und 16. August 1944 sowie am 30. März 1945 erfolgten Luftangriffe der United States Army Air Forces auf das Werk.
Nachdem Halle (Saale) nach zunächst amerikanischer Besetzung ab Juli 1945 zur sowjetischen Besatzungszone gehörte, wurde an der Weiterentwicklung der DSF 346 gearbeitet.
Entwicklung nach dem Krieg
Im Oktober 1946 wurde das Werk demontiert und einige Mitarbeiter (etwa 25) mit ihren Familien, soweit habhaft, im Rahmen der Aktion Ossawakim nach Dubna(-Podberesje), etwa 120 Kilometer nördlich von Moskau verbracht. Im so genannten Konstruktionsbüro OKB 2 wurde unter Diplomingenieur Heinz (Heinrich) Rössing weitergearbeitet. Im Herbst 1950 durften die ersten „Siebelaner“ wieder nach Deutschland zurückkehren.
Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Bernhard Weinhardt, dem er schon aus seiner Zeit in Halle verbunden war, gründete Friedrich Siebel im Jahre 1948 in München wieder ein Unternehmen zum Lizenzbau und Vertrieb ausländischer Sport- und Verkehrsflugzeuge, die Siebel Flugzeugwerke ATG (SIAT). Der Firmensitz wurde 1956 nach Donauwörth verlegt und 1958 in Kooperation mit der Waggon- und Maschinenbau GmbH Donauwörth (WMD) die WMD-Siebelwerke ATG (WMD/SIAT) geschaffen.[1] Damit begann der Wiedereinstieg in den Flugzeugbau mit Aufträgen für die Fertigung von Großteilen. Später war das Unternehmen an vielen Flugzeugprojekten der Nachkriegszeit maßgeblich beteiligt.
Nachdem die Bölkow GmbH die Mehrheit am Unternehmen erworben hatte, wurde es 1968 im Rahmen der Fusion zur Messerschmitt-Bölkow GmbH vollständig in den Konzern integriert.
Bauwerke in Halle
Die Bauten der Siebel-Flugzeugwerke in Halle entstanden nach Entwürfen des Architekten Lois Welzenbacher unter Mitarbeit von Karl Haas und Werner Buch. Nach der Demontage durch sowjetische Truppen wurden die Bauwerke 1947 fast vollständig gesprengt und abgetragen.
Stark verändert, aber gut erhalten ist noch das ehemalige Siebel-Verwaltungsgebäude Dessauer Straße 70, das heute vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt genutzt wird. Das ehemals ein- bis zweistöckige Gebäude mit Flachdach wurde zu DDR-Zeiten erweitert, zu einer Ebene aufgestockt und mit einem Dachgeschoss versehen.[2]
Ein weiteres Relikt ist die Wartehalle an der Endhaltestelle der heutigen Linie 1 der Halleschen Straßenbahn.[3]
Literatur und Quellen
- Ulrich Albrecht, Andreas Heinemann-Grüder, Arend Wellmann: Die Spezialisten: Deutsche Naturwissenschaftler und Techniker in der Sowjetunion nach 1945. Dietz, Berlin 1992, ISBN 3-320-01788-8.
- Jürgen Michels, Sergej Kuwschinow, Wladimir Srelow, Juri Woronkow: Deutsche Flugzeugspezialisten im sowjetischen Rußland. Leben und Arbeit 1945–1954 an den Orten Podberesje, Sawjelowo, Tuschino, Chimki in der Moskauer Region. Moskau 1996.
- Interessengemeinschaft Luftfahrtgeschichte im Luftsportverband Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Dokumentation der 90-jährigen Geschichte der Luftfahrt und des Luftsports in der Region Halle (Saale), Halle 1997.
- Christoph Mick: Forschen für Stalin. Deutsche Fachleute in der sowjetischen Rüstungsindustrie 1945–1958 (Abhandlungen und Berichte des Deutschen Museums in München, Neue Folge, Bd. 14). Oldenbourg, München und Wien 2001, ISBN 3-486-29003-7.
- Hans J. Ebert, Udo Mahn, Hans-Dieter Tack: Die Siebel-Flugzeugwerke Halle (1934–1946). Hrsg.: Interessengemeinschaft Luftfahrtgeschichte im Luftsportverband Sachsen-Anhalt u. a. (Schriftenreihe Luftfahrtgeschichte im Land Sachsen-Anhalt, Heft 9). Halle 2001, 96 S. ohne ISBN
- Albert Osterloh: Chronik Mötzlich 2012. Bearb. von E. Bein, H. Bringezu, G. Klein, O. Lilienthal, D. Lücke, A. Osterloh, A. Sames, H. Tauchnitz. epubli Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-8442-2633-1.
- Klaus H. A. Jacob: Kapitel Unser Leben in Russland. In: Bevor ich’s vergessen könnte. BoD 2014, ISBN 3-7322-2664-6
- Klaus Jacob, Eigene Erinnerung als Sohn des „Siebelaner“ Konstrukteurs Herbert Jacob †.
- Hans-Dieter Tack: Die Siebel-Story. Fliegerrevue X, ISSN 2195-1233, Nr. 88, S. 16–35
- Eva Maria Froschauer: Autonomie und Anpassung. Lois Welzenbacher in Halle. In: Bauwelt. Nr. 25, 1998, S. 1452–1457.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ In 100 Jahren vom Trasswerk zur Firma Eurocopter – Nachrichten Nördlingen – Augsburger Allgemeine
- ↑ Ebert, Mahn, Tack, S. 20, 27/28 (vgl. Literatur)
- ↑ Brülls/Dietzsch: Architekturführer Halle an der Saale, Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2000
Auf dieser Seite verwendete Medien
Autor/Urheber: Catatine, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Straßenbahn-Wartehalle, letztes Relikt der Siebel Flugzeugwerke, Architekt Lois Welzenbacher, um 1940, Dessauer Straße 153, Halle (Saale)
(c) Bundesarchiv, Bild 146-1981-066-21A / CC-BY-SA 3.0