Shepherding Movement

Als Shepherding Movement (englisch, Hirtenschaftsbewegung; auch shepherding oder discipleship movement genannt) bezeichnet man eine US-amerikanische Bewegung vor allem charismatischer Prägung, die eine besondere Betonung auf die Verantwortlichkeit der Gemeindemitglieder gegenüber der Leitung und die Unterwerfung unter die Gemeindeleiter legte. Dabei sollte jedes Gemeindemitglied durch ein meist älteres Gemeindemitglied (engl. shepherd, Hirte) angeleitet werden. Die Bewegung wurde 1970 von fünf Geistlichen gegründet, sie hatte 1976 gut 100.000 Mitglieder und Sympathisanten und wurde 1986 wegen Mängeln, Manipulation und Missbrauch aufgelöst.[1]

Entstehung und Struktur

Im Zuge der aufbrechenden charismatischen Bewegung in den 1960er Jahren entwickelten sich neue Gemeinden, deren Gemeindeglieder sich einerseits von ihren ursprünglichen Gemeinden gelöst hatten, andererseits sich den bestehenden pfingstlerisch geprägten Gemeinden nicht anschließen wollten.[2] Diese Gemeinden, die zumeist unabhängig waren und keinem überregionalen Gemeindeverband angehörten, wurden oft geleitet von Gläubigen, die selber nur eine geringe formale Ausbildung absolviert hatten und sich nun der Schwierigkeit gegenübersahen, im Glauben unerfahrene Menschen anzuleiten.

Im Jahr 1970 gründeten fünf Geistliche der jungen, wachsenden charismatischen Bewegung in Florida, Don Basham, Ern Baxter, Derek Prince, Charles Simpson und Bob Mumford eine eigene Organisation unter dem Namen Christian Growth Ministries in Fort Lauderdale.[3] Es gelang ihnen mehrere Kirchengemeinden davon zu überzeugen, ihre pyramidenähnlich aufgebaute Gemeinde- und Leitungsstruktur zu übernehmen. Das Konzept unterstellte jedes Gemeindeglied der Anordnungsbefugnis eines Gemeindeältesten, der wiederum der Anordnungsbefugnis des Pastors unterstand. Die Anordnungsbefugnisse gingen dabei über die einzelnen Gemeinden hinaus. So sah die Struktur vor, dass Gemeindepastoren ihrerseits einem regionalen Leiter der Bewegung unterstellt wurden, der letztlich seine Anordnungen direkt von den Leitern der Organisation in Fort Lauderdale erhielt. Anordnungen wurden von den Leitern mittels der Pyramidenstruktur nach unten verfügt, während Kollekten und Spenden an die Werkszentrale abgeführt wurden.[4]

Die Struktur samt ihrer Handhabung führten bald zu Beschwerden über Missbrauch und Manipulation. So bestimmten die Hirten mitunter alle Belange der Gemeindemitglieder, von der Wahl des Ehepartners bis hin zur Festlegung des Wohnortes.[4]

Entwicklung

Während sich um 1975 einige Leiter des Shepherding dahingehend äußerten, dass man Fehler gemacht habe, weitete sich die Bewegung bis in die Römisch-katholische Kirche aus, so etwa der „Word of God Community“ in Ann Arbor und der „People of Praise“ in South Bend. 1986 löste sich die Bewegung schließlich auf. Im Jahr 1990 entschuldigte sich Bob Mumford bei den Opfern der Bewegung.

Kritik

Der konservative US-amerikanische Fernsehprediger Pat Robertson bezichtigte Christian Growth Ministries Zauberei zu lehren und verglich die Bewegung mit der Sekte von Jim Jones, der seine Anhänger in Jonestown zu einem Massenselbstmord verleitet hatte.[4] Dem pfingstlerischen Pastor Jack Hayford zufolge wurden viele Menschen nachhaltig durch die Lehren des Shepherding seelisch verwundet.

Literatur

  • S. David Moore: The Shepherding Movement, Controversy and Charismatic Ecclesiology, Journal of Pentecostal Theology Supplement, Bloomsbury Academic 2004, ISBN 978-0-82647-160-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jacob Young: The Shepherding Movement: A Summary, Website jacobyoung84.medium.com (englisch, informativ, abgerufen am 28. Juli 2023)
  2. J. Gordon Melton: discipling/shepherding movement. In: Encyclopedia of World Religions. Encyclopedia of Protestantism, Nr. 6. Facts of File, New York 2005, ISBN 978-0-8160-5456-5, S. 186 (englisch).
  3. Leadership, Charles Simpson, Website csmpublishing.org (englisch, abgerufen am 28. Juli 2023)
  4. a b c Randall Herbert Balmer: Sherpherding Movement. In: Encyclopedia of Evangelicalism. Baylor University Press, Waco 2004, ISBN 1-932792-04-X, S. 622 (englisch).