Shenzhou 3

Missionsdaten
MissionShenzhou 3
NSSDCA ID2002-014A
RaumfahrzeugShenzhou
TrägerraketeLanger Marsch 2F
Besatzungkeine
Start25. März 2002, 14:00 UTC
StartplatzJiuquan
Landung1. April 2002, 08:51 UTC
LandeplatzInnere Mongolei
Flugdauer6 d 18 h 51 min
Erdumkreisungen107
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Shenzhou 2
(unbemannt)
Shenzhou 4
(unbemannt)

Shenzhou 3 (chinesisch 神舟三号) startete am 25. März 2002 und war der dritte unbemannte Flug eines chinesischen Raumschiffs aus der Shenzhou-Serie. Diese Mission war der erste Shenzhou-Flug, der in der Lage gewesen wäre, einen Menschen mit in den Weltraum zu nehmen. Hauptziel war es, die Lebenserhaltungssysteme zu testen. An Bord war deshalb ein Testdummy, der physiologische Signale eines Menschen, wie etwa Herztöne, Puls, Atmung, Nahrungsaufnahme, Metabolismus und Körperausscheidungen, simulierte.

Verbesserte Systeme

Aus finanziellen Gründen[1] waren in dem am 21. September 1992 zunächst vom Ständigen Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas und anschließend vom Staatsrat der Volksrepublik China genehmigten „Projekt 921-1“ zum Bau eines bemannten Raumschiffs ursprünglich nur zwei unbemannte Testflüge vorgesehen, bevor eine bemannte Mission unternommen wurde.[2] Bei Rückkehr und Landung von Shenzhou 2 am 16. Januar 2001 hatten jedoch nicht alle Systeme funktioniert. Eine Untersuchung ergab, dass dies sowohl auf Konstruktionsfehler als auch auf Qualitätsmängel beim Bau des Raumschiffs zurückzuführen war. Die Ingenieure bei der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie unter der Leitung von Qi Faren lernten aus ihren Fehlern und entwarfen ein verbessertes Landesystem.

Außerdem sollte im Inneren des Raumschiffs eine bessere Verkabelung zum Einsatz kommen. Damit ergaben sich jedoch Probleme.[3] Im Januar 2002, als sich das Raumschiff bereits auf dem Kosmodrom Jiuquan befand, bemerkten die Techniker bei der Routineüberprüfung vor dem Start eine Fehlfunktion an einer elektrischen Steckverbindung zwischen Raumschiff und Startrampe. Die Steckverbindung wurde ausgebaut und zurück in die Fabrik nach Peking gebracht, wo man versuchte, die Ursache des Fehlers zu finden. Auch mehrere hundert Techniker und Ingenieure, die für die Startvorbereitungen zum Kosmodrom gereist waren, mussten zurückkehren, etwas, das es bis dahin in der Geschichte der chinesischen Raumfahrt noch nicht gegeben hatte.[4]

Am Ende stellte sich heraus, dass es sich nicht, wie ursprünglich angenommen, um ein Qualitätsproblem handelte, sondern dass der Stecker von Grund auf falsch konstruiert war. Die Nachrichtentechnik-Ingenieure um Yang Hong mussten einen völlig neuen Stecker entwerfen. Das Problem war, dass der Stecker im Raumschiff 77 mal verwendet wurde. Neukonstruktion, Herstellung und Überprüfung aller Kontakte dauerten drei Monate. Es hätte in dem Stecker zwar einen redundanten Reservekontakt gegeben, aber angesichts der Frage, ob man drei Monate warten oder das Risiko eines Fehlstarts in Kauf nehmen sollte, beschlossen Wang Yongzhi, der Technische Direktor des bemannten Raumfahrtprogramms, und sein Stab, den Start zu verschieben, bis das Problem von Grund auf gelöst war. Yang Hong und seine gesamte Abteilung erhielten Disziplinarstrafen.[5][6] Mittlerweile ist Yang Hong Mitglied der Chinesischen Akademie der Ingenieurwissenschaften und Technischer Direktor des Raumstationsystems beim bemannten Raumfahrtprogramm der Volksrepublik China.[7][8]

China verfügte Anfang der 1990er Jahre zwar bereits über durchaus leistungsfähige Computer aus heimischer Herstellung,[9] Mikroprozessoren und Speicherbausteine, die für den Gebrauch in einem Raumschiff geeignet waren, mussten jedoch erst entwickelt werden. Auch das Schreiben der Software für die computergesteuerte Lageregelung gestaltete sich ausgesprochen schwierig. Erst bei Shenzhou 3 kam ein ausgereiftes System für Führung, Navigation und Steuerung des Raumschiffs zum Einsatz, wegen der englischen Bezeichnung Guidance, Navigation & Control auch „GNC“ genannt. Dieses System wurde danach für alle Shenzhou-Raumschiffe verwendet.[10] Zum Test des GNC-Systems wechselte Shenzhou 3 im Verlauf der Mission zweimal den Orbit. Der erste Wechsel erfolgte am 29. März um 10:15 UTC, als die Korrekturtriebwerke für acht Sekunden gezündet wurden und so das Raumschiff von der ursprünglich elliptischen in eine kreisförmige Bahn von 330,2 × 337,2 Kilometern brachten. Der zweite Wechsel erfolgte am 31. März. Shenzhou 3 flog mit einer Bahnneigung von 42,40°, die ersten beiden Flüge hingegen mit 42,59°.

Rettungssysteme

Der Hauptzweck dieses Testflugs war eine Überprüfung des von der Akademie für Feststoffraketentriebwerkstechnik entwickelten Rettungsraketen-Systems, das bei Problemen ab 15 Minuten vor dem Start und bis 160 Sekunden (heute 120 Sekunden)[11] nach dem Start, also während der Brennzeit der 1. Stufe, die Rückkehrkapsel von der Trägerrakete absprengt, aus der Gefahrenzone befördert und so hoch trägt, dass eine Fallschirmlandung möglich ist.[12][13][14] Außerdem wurden alle sieben hierbei verwendeten Ersatzsysteme getestet. Nach dem Eintritt in den Orbit verfügen die Raumfahrer bei einem Notfall über mehr als 180 manuell ausgelöste aber vorprogrammierte Sequenzen für eine vorzeitige Rückkehr – von den etwa 700.000 Programmzeilen in den Systemen des Raumschiffs dienen nur 30 % dem regulären Betrieb, 70 % kommen bei Notfällen zum Einsatz – die bei diesem Flug alle getestet wurden.[15]

Dazu gibt es noch Systeme für eine rein manuelle Steuerung des Raumschiffs. Diese exzessive Redundanz war damals nicht unumstritten. Einige Ingenieure bei der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie wiesen darauf hin, dass durch den Einbau eines Handsteuersystems die Konstruktion des Raumschiffs komplizierter und damit fehleranfälliger wurde. Am 16. Oktober 1993 hatte es jedoch bei dem Rückkehrsatelliten FSW-1 5 ein Problem bei der Lagesteuerung gegeben, sodass der Satellit, anstatt zur Erde zurückzukehren, in einen höheren Orbit wechselte und dort drei Jahre lang blieb.[16] Wenn es sich damals um eine bemannte Kapsel gehandelt hätte, hätte der Raumfahrer das ohne eine Möglichkeit zum manuellen Eingreifen nicht überlebt. Nach Rücksprache mit russischen Kosmonauten, die auf die entsprechenden Einrichtungen im Sojus-Raumschiff hinwiesen, gaben die Ingenieure ihren Widerstand gegen die Handsteuerung auf.[2]

Nutzlasten

An Bord von Shenzhou 3 wurden 44 verschiedene Experimente durchgeführt. Die anspruchsvollste dieser Nutzlasten war ein vom Shanghaier Institut für technische Physik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften entwickeltes Spektroradiometer mittlerer Auflösung (Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer, kurz „MODIS“), mit dem sowohl die Wellenlänge als auch die Amplitude einer Lichtquelle gemessen werden konnte. Bei der Shenzhou-3-Mission war man an der Konzentration von Chlorophyll und Schwebstoffen im Südchinesischen Meer interessiert, wofür das Gerät über 20 Kanäle im sichtbaren Licht zwischen 403 und 803 nm und 10 Kanäle im nahen Infrarotbereich zwischen 843 und 1043 nm verfügte, einen Nahinfrarot-Kanal bei 2,15–2,25 µm sowie drei Kanäle im thermischen Infrarotbereich (8,4–8,5 µm, 10,3–11,3 µm und 11,5–12,5 µm). Das Gerät besaß eine Auflösung von etwa 400 m und eine Schwadbreite von 700 km.[17] Eine weiterentwickelte Version dieses Instruments kam bei dem am 14. November 2017 gestarteten Wettersatelliten Fengyun-3D zum Einsatz, wo es seit dem 30. November 2018 zum Auffinden von Quellen für Umweltverschmutzung dient.[18]

Landung

Nach 107 Erdumrundungen und nachdem bei den Tests alle Systeme einwandfrei funktioniert hatten, landete die Rückkehrkapsel am 1. April 2002 um 08:51 UTC ohne Probleme in der Inneren Mongolei.[19][20] Das Orbitalmodul trat, nachdem die Experimente an Bord noch bis September 2002 weitergelaufen waren, am 12. November 2002 über der Südhalbkugel in die Atmosphäre ein und verglühte.[17]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 慕泉: 李继耐回忆我国载人航天工程的艰辛与喜悦. In: cctv.com. 26. Oktober 2003, abgerufen am 4. Oktober 2019 (chinesisch).
  2. a b 朱增泉: 王永志:中国载人航天从追赶开始 并未抄袭他国. In: news.sina.com.cn. 17. Oktober 2003, abgerufen am 18. Januar 2021 (chinesisch).
  3. Wei Long: Shenzhou Design Changes Reason For Launch Delay. In: spacedaily.com. 13. März 2002, abgerufen am 15. Januar 2020 (englisch).
  4. 周建平:中国空间站向全世界开放. In: cmse.gov.cn. 13. August 2019, abgerufen am 4. Januar 2021 (chinesisch).
  5. 刘涓溪 et al.: 神舟二十载 问天不停歇. In: xinhuanet.com. 10. Januar 2020, abgerufen am 20. Mai 2022 (chinesisch).
  6. 《开讲啦》 20160730 杨宏:路虽远,行则将至. In: tv.cctv.com. 30. Juli 2016, abgerufen am 23. Mai 2022 (chinesisch).
  7. 第十二届光华工程科技奖获奖人员信息. In: cae.cn. 8. Juni 2018, abgerufen am 15. Januar 2020 (chinesisch).
  8. 空间站系统. In: cmse.gov.cn. 3. April 2019, abgerufen am 15. Januar 2020 (chinesisch).
  9. 我们的太空: 梦回桥南,仿佛又听到“320”功勋计算机的蜂鸣…… In: xw.qq.com. 10. Oktober 2019, abgerufen am 16. Januar 2020 (chinesisch).
  10. 周雁: 神舟二十载 问天不停歇. In: cmse.gov.cn. 10. Januar 2020, abgerufen am 15. Januar 2020 (chinesisch).
  11. 长二F火箭的最大看点是什么?火箭设计师带你现场看. In: spaceflightfans.cn. 15. Juni 2021, abgerufen am 15. Juni 2021 (chinesisch).
  12. Wei Long: Shenzhou-3 On The Pad Awaiting Launch. In: spacedaily.com. 12. März 2002, abgerufen am 4. Oktober 2019 (englisch).
  13. Wei Long: New Details Of Shenzhou And Its Launcher Revealed. In: spacedaily.com. 1. April 2002, abgerufen am 4. Oktober 2019 (englisch).
  14. 了不起的中国制造: 为了登陆月球和火星,中国新一代载人飞船做了这些改变. In: zhuanlan.zhihu.com. 6. September 2018, abgerufen am 10. Oktober 2019 (chinesisch).
  15. 周雁: 神舟二十载 问天不停歇. In: cmse.gov.cn. 10. Januar 2020, abgerufen am 16. Januar 2020 (chinesisch).
  16. Mark Wade: FSW in der Encyclopedia Astronautica, abgerufen am 16. Januar 2020 (englisch).
  17. a b Herbert J. Kramer: SZ (Shenzhou Spaceship)-and its main EO Sensors (CMODIS, CMMRS/M3RS). In: eoportal.org. Abgerufen am 18. Januar 2021 (englisch).
  18. New FY Meteorology Satellite Payload is Officially Put into Operation. In: sitp.cas.cn. 13. Mai 2019, abgerufen am 18. Januar 2021 (englisch).
  19. 慕泉: 李继耐回忆我国载人航天工程的艰辛与喜悦. In: cctv.com. 26. Oktober 2003, abgerufen am 4. Oktober 2019 (chinesisch).
  20. Sven Grahn: Shenzhou-3 notes. In: svengrahn.pp.se. 1. April 2002, abgerufen am 4. Oktober 2019 (englisch).

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