Sexueller Übergriff

Der Tatbestand Sexueller Übergriff ist in § 177 des deutschen Strafgesetzbuch (StGB) geregelt, der zum Abschnitt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gehört.

Durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung[1] wurde § 177 StGB, der vorher nur für sexuelle Nötigung und Vergewaltigung galt, um den neu geschaffenen Tatbestand sexueller Übergriff erweitert, um „Schutzlücken zu schließen und Artikel 36 der Istanbul-Konvention stärker zu berücksichtigen“.[2] Bestraft wird seitdem, „wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt“ (Nichteinverständnislösung Nein heißt nein!).[3] Ebenfalls wird bestraft, wer die Unfähigkeit des Opfers, einen Willen zu bilden oder zu äußern, ausnutzt.[4] Die zuletzt genannten Fälle waren vorher teilweise durch den Tatbestand Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen mit Strafe bedroht, andere Fälle galten ggf. als Beleidigung mittels einer Tätlichkeit oder waren straflos. Anlass der Änderung des Sexualstrafrechts 2016 waren die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015.

Besonders schwere sexuelle Übergriffe gelten als Vergewaltigung (Absatz 6).

Die Höchststrafe beträgt in den Fällen der Absätze 4–8 (bei Versuch i. V. m. Absatz 3) des § 177 fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe (vgl. § 38 StGB).

Die Verjährungsfrist dauert in den Fällen der Absätze 1 und 2 fünf Jahre, bei den Qualifikationen (Absätze 4, 5, 7 und 8) 20 Jahre; da für „besonders schwere Fälle“ (Absatz 6) die Höchststrafe des Grundtatbestands maßgeblich ist (§ 78 Absatz 4 StGB) gilt die 20-jährige Verjährungsfrist hier also dann, wenn die Tatbestände der Absätze 4, 5, 7 oder 8 verwirklicht wurden, liegt aber „nur“ ein besonders schwerer Fall eines sexuellen Übergriffs nach § 177 Absatz 1 oder 2 beträgt die Verjährungsfrist also nur fünf Jahre.

Der Lauf der Verjährungsfrist für sexuelle Übergriffe beginnt wie bei vielen anderen Sexualstraftaten gemäß § 78b StGB erst ab der Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers; bei älteren Opfern mit Beendigung der Tat.

Falls durch den sexuellen Übergriff wenigstens leichtfertig der Tod des Opfers verursacht wird, so ist gem. § 178 StGB die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, die Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre (Mord verjährt nicht).

Der Tatbestand sexueller Übergriff wiegt schwerer als der ebenfalls am 10. November 2016 in Kraft getretene Straftatbestand sexuelle Belästigung (§ 184i StGB), für den schon Berührungen in sexuell bestimmter Weise ausreichen.

Literatur

  • Monika Frommel, Momme Buchholz: Die Reform des Sexualstrafrechts. Neue Kriminalpolitik, 2018, S. 368–391.
  • Konstantina Papathanasiou: Das reformierte Sexualstrafrecht – Ein Überblick über die vorgenommenen Änderungen. KriPoZ, 2016, S. 133–139 (PDF).
  • Jürgen Biedermann, Renate Volbert: Empirische Erkenntnisse zur Reform des Sexualstrafrechts in Bezug auf die §§ 177 und 184 i StGB und daraus resultierende Schlussfolgerungen für die Vernehmungsgestaltung. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 2020, S. 250–268 (PDF).

Einzelnachweise

  1. BGBl. I S. 2640
  2. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung. Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien, abgerufen am 7. März 20124.
  3. Verschärftes Sexualstrafrecht in Kraft getreten. beck-aktuell, 10. November 2016.
  4. Joschka Buchholz: Sexualstrafrecht: Was bleibt von der „Nein heißt Nein“-Reform? Legal Tribune Online, 11. November 2021.