Severiano de Heredia

Severiano de Heredia

Severiano de Heredia (* 8. November 1836 in Havanna; † 9. Februar 1901 in Paris)[1] war ein französischer Politiker der Dritten Republik.

Leben

Severiano de Heredia wurde während der spanischen Herrschaft in Havanna, Kuba, als Sohn von Henri de Heredia und Brigitte de Cardenas, beide „Gens de couleur libres“[A 1][2], geboren und als „Mulatte, frei geboren“ getauft. Sein Taufpate, der Anwalt und wohlhabende Pflanzer Ignacio Heredia y Campuzano, verheiratet mit Madeleine Godefroy, war möglicherweise sein leiblicher Vater[3], was ihn zu einem direkten Cousin ersten Grades des kubanischen Dichters José María Heredia und zu einem Cousin zweiten Grades des französischen Dichters José-Maria de Heredia machen würde.

Im Alter von zehn Jahren schickte ihn sein Patenonkel nach Frankreich. Severiano de Heredia absolvierte eine glänzende Ausbildung am Lycée Louis-le-Grand, wo er 1855 mit dem Großen Ehrenpreis des Gymnasiums ausgezeichnet wurde. Er schrieb mehrere Novellen und poetische Essays. Sein Pate setzte ihn als seinen Erben ein und sorgte dafür, dass er nicht in Not geriet.

Als Freimaurer wurde er 1866 in die Loge L’Étoile polaire des Grand Orient de France aufgenommen und wurde später ihr Ehrenmeister.[4]

Am 3. November 1868 heiratete er in Paris Henriette Hanaire, mit der er zwei Kinder hatte: einen Sohn, der im Alter von zwölf Jahren bei einem Unfall starb, und eine Tochter. Letztere, Marcelle Lapicque[5], wurde Neurophysiologin an der Seite ihres Mannes Louis Lapicque[6]; ihr Neffe und Adoptivsohn, Charles Lapicque, wurde Maler der Pariser Schule.

Severiano de Heredia wurde im September 1870 französischer Staatsbürger.[7]

In den 1870er Jahren beteiligte er sich an der Redaktion der Chronique universelle und der Tribune.[8] Angesichts der Pariser Kommune „bewunderte dieser wohlhabende Rentier, Republikaner und aufgeklärte Patriot den Heroismus der Kommunarden gegen die Preußen, aber als ordnungsliebender Bourgeois blieb er dem Aufstand und seinen egalitären Ambitionen fern.“[8]

Kapelle de Heredia

Er starb am 9. Februar 1901 an Meningitis[9] und ist wie auch Teile seiner Familie auf dem Cimetière des Batignolles begraben.

Politik

1873 wurde Severiano de Heredia für den Stadtteil Ternes (17. Arrondissement) in den Stadtrat von Paris[A 2] gewählt. Er war Republikaner mit radikalen Tendenzen. 1879 wurde er Präsident des Pariser Stadtrates und gründete in dieser Funktion die Stadtbibliotheken der Hauptstadt.[10]

1881 und 1885 wurde er in die Abgeordnetenkammer gewählt. Als überzeugter Republikaner und Laizist kandidierte er in seiner ersten Amtszeit für die Union républicaine[A 3] und in seiner zweiten für die Gauche radicale[A 4].

Er kämpfte für die Verkürzung des Arbeitstages in den Fabriken auf zehn Stunden für Kinder unter zwölf Jahren, sprach sich gegen General Boulanger aus, nahm an der Abstimmung über die Gesetze zum Pariser U-Bahn-Netz teil, beteiligte sich an Debatten über die Société de secours mutuel[A 5] und über Verträge mit Eisenbahngesellschaften, stimmte für die Kredite für die Tonkin-Kampagne und forderte vergeblich die Begrenzung des Arbeitstages auf elf Stunden.[8] 1887 wurde er Minister für öffentliche Arbeiten in der ersten Regierung von Maurice Rouvier. Er trug zur Entwicklung des Elektroautos bei.[11]

Mit der Kolonialausstellung von 1889 begann der Niedergang seiner Karriere. Reaktionäre Kreise machten ihn zur bevorzugten Zielscheibe und bezeichneten ihn als Ministerneger, Schokoladenminister, lässigen Kreolen, dessen Teint die Nuance einer Coloradozigarre hatte.[8][A 6] Er verlor die Parlamentswahlen von 1889 und 1893 gegen den boulangistischen Kandidaten Charles Le Senne.[12] Danach zog sich von der politischen Bühne zurück.

Literatur

  • Severiano de Heredia, L’appel au peuple : Paix ou guerre ?, 1870
  • Paul Estrade: Severiano de Heredia. Ce mulâtre cubain que Paris fit « maire », et la République, ministre, Paris, Les Indes savantes. la Boutique de l'histoire, 2011, ISBN 978-2-84654-270-8 (openedition.org).
  • Isabelle Dethan (Zeichnungen) und Antoine Ozanam (Text): Severiano de Heredia (Comic) (= Biopic). Editions Passés Composés, 2001, ISBN 978-2-37933-520-4 (passes-composes.com).
  • Severiano de Heredia, Faisons la paix, 1871
  • Severiano de Heredia, Paix et plébiscite, 1871
  • Severiano de Heredia, Société des écoles laïques… Appel aux habitants du 17e arrondissement, 1873

Weblinks

Commons: Severiano de Heredia – Sammlung von Bildern

Anmerkungen

  1. Gens de couleur libres waren in den französischen Kolonien auf dem amerikanischen Kontinent während des französischen Kolonialreichs schwarze Farbige und Mischlinge, die nicht versklavt waren. Siehe hierzu auch weiterführend fr:Gens de couleur libres in der französischsprachigen Wikipédia.
  2. Siehe hierzu weiterführend fr:Conseil municipal de Paris in der französischsprachigen Wikipédia.
  3. Die Fraktion der Union républicaine wurde nach den ersten Parlamentswahlen der Dritten Republik 1871 informell gegründet. Die von Léon Gambetta in der Nationalversammlung und später in der Abgeordnetenkammer geführte Fraktion verschwand 1885, um 1905 und 1911 mit einer stärker zentristischen Ausrichtung wieder aufzutauchen. Auch im Senat gab es von 1876 bis zum Ende der Dritten Republik eine Fraktion der Union républicaine.
  4. Die Gauche radicale war eine französische Parlamentsfraktion, die 1881 in der Abgeordnetenkammer gegründet und bis zum Ende der Dritten Republik mehrfach umbenannt wurde. Ursprünglich vereinte die Fraktion die gemäßigten Radikalen, die ganz links und links saßen, bevor sie sich in der Belle Époque zur linken Mitte hin bewegte.
  5. Die Sociétés de secours mutuel (Hilfsvereine auf Gegenseitigkeit) sind Organisationen, die die gegenseitige Unterstützung ihrer Mitglieder praktizieren, um die Auswirkungen von Problemen wie Krankheit, Gebrechen, Unfällen, Arbeitslosigkeit, Tod oder – eher am Rande – einer geringen Rente abzumildern. Siehe hierzu auch weiterführend fr:Société de secours mutuel in der französischsprachigen Wikipédia.
  6. « Nègre du ministère », le « ministre chocolat », « le nonchalant créole », celui dont « le teint avait la nuance d’un cigare colorado »

Einzelnachweise

  1. 1901, Décès, 17 S. 11. In: Paris Archives. Abgerufen am 26. August 2023 (französisch).
  2. Taufurkunde vom 4. Januar 1837, Pfarrei San Jesus del Monte in Havanna, 9. Taufbuch der Pardo
  3. Historia de familias cubanas par el conde de Jaruco, 1940
  4. L’Etoile Polaire. In: mvmm.org. Abgerufen am 26. August 2023 (französisch).
  5. Angaben zu Marcelle Lapicque in der Datenbank der Bibliothèque nationale de France.
  6. LAPICQUE Louis, Édouard. In: Maitron. Abgerufen am 26. August 2023 (französisch).
  7. Adolphe Crémieux: Bulletin des lois de la République française. S. 494 (Bulletin des lois de la République française vom 12. September 1870 auf Gallica).
  8. a b c d Rosa Moussaoui: Severiano de Heredia, premier maire noir de Paris. In: L’Humanité. Abgerufen am 26. August 2023 (französisch).
  9. Le Figaro vom 10. Februar 1901 auf Gallica
  10. William Audureau: Severiano de Heredia a-t-il été le premier maire de Paris noir ? In: Le Monde. 26. Juni 2020, abgerufen am 26. August 2023 (französisch).
  11. Nick Baldwin: The world guide to automobile manufacturers. Facts on File Publications, New York 1987, ISBN 978-0-8160-1844-4, S. 268: „1895 gründete er die Societe Civile des Voitures Electriques, Systeme Krieger, in Partnerschaft mit Severiano de Heredia, einem wohlhabenden, in Kuba geborenen und in Frankreich eingebürgerten Politiker.“
  12. Charles Le Senne. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 26. August 2023 (französisch).
VorgängerAmtNachfolger

Édouard Millaud
Minister für öffentliche Arbeiten
30.05. 1887 – 12.12. 1887

Émile Loubet

Jules-Antoine Castagnary
Präsident des Stadtrats von Paris
01.08. 1879 – 12.02. 1880

Léopold Cernesson

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Severiano de Heredia (1836-1901): né à Matanzas (Cuba), fils adoptif de Ignacio de Heredia naturalisé français en 1870, devint maire de Paris XVII°, député puis ministre
Chapelle de Hérédia.jpg
Autor/Urheber: Thomon, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Chapelle de Hérédia, cimetière des Batignolles. Sévériano de Hérédia (originaire de Cuba) y est enterré avec sa famille. Il devint membre du conseil municipal de Paris, député de la Seine de 1881 à 1889, puis ministre des Travaux publics en 1887. Dans sa chapelle repose également son gendre, Louis Lapicque (1866-1952), neurophysiologiste, membre de l’Académie de médecine et de l’Académie des sciences, et sa fille Marcelle Lapicque.