Sergei Iwanowitsch Tjulpanow
Sergei Iwanowitsch Tjulpanow (russisch Сергей Иванович Тюльпанов, wiss. Transliteration Sergej Ivanovič Tjul'panov; * 3. Oktober 1901; † 16. Februar 1984 in Leningrad) war ein sowjetischer Offizier und Gesellschaftswissenschaftler. Er wurde 1945–1949 als Mitarbeiter der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) bekannt.
Leben
Nach verschiedenen handwerklichen und kaufmännischen Hilfsarbeiten studierte Tjulpanow Ende der 1920er Jahre an der Pädagogischen Hochschule in Leningrad. In der Roten Armee wurde Tjulpanow Berufsoffizier und trat 1927 der KPdSU bei. Als Regimentskommandeur war er Lehrer an militärischen Einrichtungen und studierte zugleich 1930–36 Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften an der Militärpolitischen Lenin-Akademie in Leningrad (Doktor). Während des Großen Terrors 1937–38 versteckte er sich ein Jahr lang als Arbeiter auf einer Kolchose. Seine Mutter wurde 1940 als angebliche »Spionin« hingerichtet. Sein Vater verstarb in Kasachstan im Lager.[1] Ab 1938 war Tjulpanow wieder als Lehrer aktiv, ab 1941 auch im Schulungswesen der Partei. 1941–45 war er Leiter der Politischen Abteilung an verschiedenen Frontabschnitten.[2] Seine fünfjährige Tochter Dolores verhungerte im belagerten Leningrad. Er selbst wurde mehrfach verwundet.[1]
Von Oktober 1945 bis September 1949 leitete er im Range eines Obersten die Propaganda- und Informations-Abteilung der SMAD. In dieser Funktion hatte er viele Kontakte zu den Politikern der KPD, SPD und (ab 1946) SED, namentlich zu Walter Ulbricht.[3] Er forcierte 1946 die Vereinigung von SPD und KPD zur SED[4] und ab 1948 die Entwicklung eines eigenen Staatswesens auf dem Gebiet der SBZ nach sowjetischen Vorbildern. Er engagierte sich auch für die Freilassung von Gustav Gründgens.[1]
1949 wurde Tjulpanow aus Deutschland abberufen und zum Generalmajor befördert. Er war Lehrer an der Leningrader Marineakademie und ab 1957 ziviler Hochschullehrer an der Universität Leningrad.
1976 wurde er in der DDR mit dem Orden Stern der Völkerfreundschaft in Gold ausgezeichnet.[5] 1959 erhielt er von der Universität Leipzig die Ehrendoktorwürde.[6]
Darstellung Tjulpanows in der bildenden Kunst der DDR
- Hans Kies: Porträtkopf Prof. S. Tulpanow, ehemaliger Kulturoffizier in Dresden (Porträtbüste, 1966/1967, schwarzer Granit, poliert; Nationalgalerie Berlin)[7]
Werke
- Politische Ökonomie und ihre Anwendung in den Entwicklungsländern, Die Wirtschaft, Berlin 1972.
- Erinnerungen an deutsche Freunde und Genossen, Aufbau-Verlag, Berlin 1984.
- Deutschland nach dem Kriege (1945–1949). Erinnerungen eines Offiziers der Sowjetarmee, Dietz-Verlag, Berlin/DDR 1986.
Literatur
- Jan Foitzik: Tjulpanow, Sergej Iwanowitsch. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Gerhard Wettig (Hrsg.): Der Tjulpanov-Bericht. Sowjetische Besatzungspolitik in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. V&R unipress, Göttingen 2012.
- Michael Pardon, Inge Pardon: Tulpanow : Stalins Macher und Widersacher. Die Biografie, Das Neue Berlin, Berlin, 2024, ISBN 978-3-360-01886-1.
Weblinks
- Literatur von und über Sergei Iwanowitsch Tjulpanow im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Sergei Iwanowitsch Tjulpanow in den Historischen Pressearchiven der ZBW
- Nachlass Bundesarchiv NY 4580
Einzelnachweise
- ↑ a b c Nicht mit gleicher Münze heimgezahlt, Rezension zu Pardon: Tulpanow. Stalins Macher und Widersacher., nd-aktuell, 7. Mai 2024
- ↑ Jan Foitzik: Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945–1949. Berlin 1999, ISBN 3-05-002680-4, S. 137.
- ↑ Wilfried Loth: Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte. Berlin 1994, ISBN 3-87134-085-5, S. 130–135.
- ↑ Jan Foitzik: Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945–1949. Berlin 1999, ISBN 3-05-002680-4, S. 257.
- ↑ Neues Deutschland, 7. Oktober 1976, S. 5
- ↑ Verzeichnis der Ehrenpromotionen. Archiv der Universität Leipzig, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 22. Januar 2021; abgerufen am 11. November 2020 (Ordnung nach Graduierungsjahr). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Unbekannter Fotograf: Porträtkopf Prof. Sergej Tjulpanow, ehem. Kulturoffizier in Dresden. 1966, abgerufen am 20. Februar 2023.
Personendaten | |
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NAME | Tjulpanow, Sergei Iwanowitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Tulpanow, S. I. |
KURZBESCHREIBUNG | sowjetischer Offizier und Gesellschaftswissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 3. Oktober 1901 |
STERBEDATUM | 16. Februar 1984 |
STERBEORT | Leningrad |
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(c) Bundesarchiv, Bild 183-H29413 / CC-BY-SA 3.0
Zentralbild /Vitanova Eröffnungsfeier der Humboldt-Universität in Berlin am 29.1.1946 U.B.z.: vorn am Tisch: Prof. Dr. Theodor Brugsch, Paul Wandel, Präsident der deutschen Zentralverwaltung für Unterricht und Volksbildung der sowjetischen Besatzungszone und Oberst Sergei Tulpanow, Leiter der politischen Abteilung bei der Sowjetischen-Militär-Administration 5222-50
Abgebildete Personen:
- Brugsch, Theodor Prof. Dr. med.: Direktor der 1. Medizinischen Klinik der Charité Berlin, DDR (GND 118516019)
- Tulpanow, Sergej Prof.: Leiter der politischen Abteilung der SMAD, Prorektor Universität Leningrad, Sowjetunion
- Wandel, Paul Dr.: Minister für Volksbildung, stellvertretender Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Präsident der Liga für Völkerfreundschaft, SED, DDR
(c) Deutsche Fotothek, CC BY-SA 3.0 de
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(c) Bundesarchiv, Bild 183-M1026-030 / Koard, Peter / CC-BY-SA 3.0