Seilklettertechnik
Die Seilklettertechnik (SKT), (inoffiziell auch Seilunterstützte Baumklettertechnik genannt) ist ein Arbeitsverfahren der Baumpflege, die auch in der Forstwirtschaft eingesetzt wird. Die Methodik umfasst Kletter- und Riggingtechniken, fachgerechten Einsatz der Motorsäge am Baum, spezielle Holzberge- und -rücktechniken sowie Maßnahmen der Unfallverhütung. Die Seilklettertechnik SKT ist ein von der zuständigen Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG, ehemals Gartenbau Berufsgenossenschaft)[1] anerkanntes Arbeitsverfahren.
Grundlage
Bäume werden oft mit der Seilzugangstechnik erklettert, insbesondere wenn sie an Standorten stehen, die mit Steigern oder anderen Geräten (z. B. Krane) nicht oder nur unter Schwierigkeiten erreicht werden können. Zudem gilt die Seilklettertechnik grundsätzlich als schonende Methode der Baumpflege.
Im Unterschied zum Klettern im Bergsport dient das semistatische Kernmantelseil bei Baumklettertechniken unter Anwendung der SKT nicht zur Absturzsicherung. Es wird zum Aufstieg in die Krone und zur Unterstützung des Kletterers benutzt und ermöglicht beispielsweise ein „Begehen der Äste“. Der Kletterer kann damit die gesamte Krone des Baumes, bis hin zum Feinastbereich erreichen. Durch den Einsatz der SKT ist beim Baumklettern fast jeder Ast an jedem Baum, auch an für Technik unzugänglichen Standorten, erreichbar. Nur abgestorbene, extrem bruchgefährdete Bäume oder Äste oder Kronenbereiche in der Nähe von Hochspannungsleitungen sind für die SKT aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich.
In der Baumpflege ist neben allgemeinen Arbeiten der Pflege und Baumsanierung inzwischen auch das vollständige Abtragen von Bäumen mittels Seilklettertechnik üblich, die zu den Fälltechniken zählt, sich aber grundsätzlich von der Fällung unterscheidet, weil der Baum nicht im Stück gelegt, sondern im Stehen in Teile zerlegt wird. Die Stücke werden meist über kontrolliertes Ablassen an Materialseilen durch Helfer geborgen (das sogenannte Rigging), bei möglichem Zugang auch am Kran oder mit dem Greifer, in Ausnahmefällen auch durch den Einsatz von Hubschraubern.
Doppelseiltechnik
Die Doppelseiltechnik ist ein Arbeitsverfahren zur Arbeitsplatzpositionierung an Seilen und Grundlage der SKT. Die Methode der Doppelseiltechnik ist eine Weiterentwicklung und Spezialisierung aus dem Bereich der Höhlenforschung. Zum Erreichen seiner Arbeitsposition in einem Baum befördert der Baumpfleger, nach sorgfältiger Baumansprache, zunächst mit Hilfe eines Wurfsäckchens oder Schussgerätes eine dünne Schnur möglichst hoch über eine belastbare Astgabelung. Durch Anbindung eines Baumkletterseiles an der Schnur wird dieses über die Astgabel gezogen. Der Baumpfleger kann, zur Schonung der empfindlichen Rinde, dabei einen Kambiumschoner über die Astgabel ziehen, bevor er mit Hilfe der Schnur das eigentliche Seil einbaut. Das Seil hängt nun im Doppelstrang, wobei das eine Ende am Gurt fixiert und das Andere mit einem ebendort fixiertem Klemmknoten oder einer Seileinstellvorrichtung (EN 12841) verbunden wird.
Der Aufstieg in den Baum erfolgt dann am freihängenden Seil, wobei verschiedene Aufstiegs- und Sicherungstechniken zum Einsatz kommen. Verbreitet ist eine Fußklemm-Methode, bei der der freilaufende Seilstrang zwischen den Füßen so festgeklemmt wird, dass Beine und Arme zum Hinaufziehen benutzt werden können. Gängig ist auch die sogenannte Körperschubtechnik, bei der der Kletterer die Füße am Stamm behält und sich durch Hochschieben der Hüfte bei gleichzeitigem Nachziehen des ablaufenden Seiles nach oben bewegt. Gleichzeitig erfolgt durch das Seil die Sicherung des Baumpflegers mittels Klemmknoten.
Ausbildung und Ausübung
Für die gewerbliche Anwendung sind entsprechende Ausbildungen in der Seilklettertechnik (SKT A – C), eine Erste-Hilfe-Ausbildung und die Arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen G41 und G25 (bis 2010: H9) nötig. Hierfür sind insbesondere die Gefährdungen Absturz und Hängetrauma ursächlich. Mit erfolgreichem Abschluss der Stufe A das Klettern und der Einsatz der Handsäge und mit der Stufe B der Klettereinsatz mit Motorsäge möglich wird.
Die Ausbildung zum Seilklettertechniker bzw. Baumkletterer auf Basis der Seilklettertechnik (SKT) erfolgt nach Berufsgenossenschaftlichen Vorschriften des Garten- und Landschaftsbaus. Die Prüfung nimmt ein akkreditierter Zertifizierer der SVLFG ab. Mit Abschluss der Ausbildung Seilklettertechnik Stufe B wird man berechtigt als Aufsichtführender eigenständig Baustellen zu betreuen.
Die Ausbildung besteht aus drei aufeinander aufbauenden Kursen (Level A, B, C). Jeder Kurs ist für die Dauer einer Woche konzipiert und schließt mit einer Prüfung ab. Voraussetzungen sind ein Mindestalter von 18 Jahren, der Nachweis über einen Ersthelferkurs, nicht älter als 24 Monate, eine Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung G 41+, G 20 oder H 9, und jeweils das Bestehen des vorherigen Levels. Zudem benötigt man ab der Stufe B für das Arbeiten mit der Motorsäge einen entsprechenden Qualifikationsnachweis[2]
- Level A (Basiskurs SKT A) vermittelt die Grundlagen u. a. zur Gefährdungsermittlung (Baumansprache), Arbeit im Baum, Baumschutz, Einsatz der Handsäge, und seilunterstützter Arbeitsplatzpositionierung, den Umgang mit der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA), Befestigungs- und Sicherungsknoten, Selbstsicherung, Fremdsicherung, Aufstiegs- und Abseiltechnik mit und ohne Abseilgeräte und die Aneignung der Rettungsverfahren.
- Level B (Seilklettertechniker) vermittelt insbesondere die sicherheitsrelevanten Inhalte zum Führen einer Baustelle, es werden die von der Berufsgenossenschaft vorgeschriebenen Gefährdungsermittlungen erstellt. Im Mittelpunkt der praktischen Ausbildung steht der Einsatz von Motorsägen im Baum. Level B kann nur mit einem Nachweis von 300 Seilstunden nach Absolvierung von Level A absolviert werden. Eine Anerkennung von Seilstunden unter Anwendung von Seilzugangstechnik SZT ist teilweise möglich.
- Der Level C besteht aus 3 speziellen Bausteinen, welche im direkten Zusammenhang mit dem Baumstammrückbau notwendig sind. Im Mittelpunkt steht die Stammfällung, Rigging und der Einsatz von Steigeisen.
Persönliche Schutzausrüstung
Eine vollständige und gute Kletterausrüstung, die regelmäßig auf Verschleiß kontrolliert werden muss, ist unerlässlich für die Sicherheit des Baumkletterers.
Persönliche Schutzausrüstung (PSA):
- Schnittsichere Arbeitskleidung (Schnittschutzklasse nach EN 345/344 und EN 381-5, PSA-Forst)
- Helm mit Visier, sowie Gehörschutz.
- Auffang-, Halte- und Sitzgurt (EN 361, EN 358 und EN 813), dabei häufig mit einem speziellen Sitzgurt mit Sliding-D.
- Durchtrennhemmendes Halteseil zur Arbeitsplatzpositionierung am Arbeitsort.
- gegebenenfalls Abseilgeräte (EN 341)
Weitere benötigte Ausrüstung:
- Sprechverbindung zu den Helfern am Boden (Interkom oder Handsprechfunkgerät)
- Sicherungsseil für Motorsäge zum Hängen unterhalb der Füße als Transporthilfe, Sicherheitsmaßnahme bei Entgleiten mit laufender Kette (Rückschlageffekt)
- Steigeisen optional
Siehe auch
Literatur
- Johannes von Malek, Werner Molitor, Karl Peßler, Heinrich Wawrik: Der Baumpfleger. Ulmer, Stuttgart 1999, ISBN 3-8001-5073-5.
- Hans Rolf Höster: Baumpflege und Baumschutz. Grundlagen, Diagnosen, Methoden. Ulmer, Stuttgart 1993, ISBN 3-8001-5070-0, (Ulmer Fachbuch. Landschafts- und Grünplanung).
- Tanja Büttner (Hrsg.): ZTV-Baumpflege. Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege. 5. Auflage. Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), Bonn 2006, ISBN 3-934484-92-1.
- Dirk Lingens: Baumknoten für Kletterer und Bodenleute. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Schlauverlag, Stockelsdorf 2006, ISBN 3-9810417-0-4, (Musterbild, Publikationen).
Weblinks
- Internationale Baumpflege-Gesellschaft Deutsche Sektion
- Studiengang Arboristik an der Fachhochschule Göttingen
- Weiterführende Literatur bei arboristen.de
Einzelnachweise
- ↑ https://www.svlfg.de/ Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
- ↑ DGUV Information 214-059 DGUV Regelwerk für Motorsägen
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