Seelenreise

Als Seelenreise oder Seelenwanderung, häufig synonym auch mit den Begriffen Reinkarnation oder Metempsychose umschrieben, ist die spirituell-religiöse Vorstellung vom Übergang einer Seele beim Tod oder in einem schamanischen Ritual in eine andere Daseinsform. Teilweise wird in diesem Zusammenhang von einem Astralleib gesprochen, der den physischen Körper verlässt. Mitunter wird der Begriff auch mit denen der Astralreise, Astralprojektion, außerkörperlichen Erfahrung oder allgemeiner auch Jenseitserfahrung gleichgesetzt.

Vorstellungen in verschiedenen transzendenten Systemen

So wird in einigen Religionen und spirituellen Systemen, vor allem im Hinduismus und Buddhismus, der Vorgang der Reinkarnation bzw. des Samsaras als eine Art von „Seelenreise“ bezeichnet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der buddhistischen Vorstellung ein Mensch nicht in einem „Selbst“ oder „Ich“ besteht, sondern als eine Zusammensetzung von Daseinskonstituenten (Anatta). Alle Erscheinungen sind dabei in einem ständigen und sich gegenseitig bedingenden Werden und Vergehen, so dass keine den Tod überdauernde Entität einer „Seele“ im Menschen geben kann.[1] Im Gegensatz zu der hinduistischen Auffassung einer Seele (Atta), gibt es im Buddhismus kein Konzept einer überdauernden Seele, es wird deshalb auch An-Atta genannt: „Nicht-Seele“ oder „Nicht-Selbst“.

Das Wort Seelenreise (oder ähnliche Ausdrücke) wird auch in der Fachliteratur der Ethnographie und Anthropologie verwendet: Kulturen mit schamanistischen Merkmalen kennen oft ein Motiv, das so bezeichnet wird. Zum Beispiel glaubt man bei sibirischen und eskimoischen Ethnien, dass einige Menschen mit speziellen Fähigkeiten – die Schamanen – in ferne Gegenden bzw. Geisterwelten „reisen“ und wichtige Erlebnisse mitteilen können, die für den normalen Menschen unerreichbar sind.[2] Dies sind zum Beispiel Ursachen erfolgloser Jagden, Krankheiten, Unwetter oder andere, im täglichen Leben wichtige Informationen.[3][4]

Die Kulturen, die als schamanistisch bezeichnet werden, sind nicht einheitlich.[5] Für Mircea Eliade wurde ein Schamane, durch die Techniken der Ekstase, zu eben jenen Ritualspezialisten, der in der Trance, mit seiner Seele den Körper zu Himmel und Unterweltfahrten verlässt; der schamanisch Handelnde begibt sich dabei metaphorisch „hinauf oder hinab“[6] in die Anderswelt, um dort Kenntnisse zu erlangen.[7]

In der neuen Religion Eckankar wird der Begriff darüber hinaus auch für eine bewusste Verlagerung der Aufmerksamkeit vom momentanen Erleben zu einer Imagination verwendet (ähnlich dem aus der Psychologie bekannten Vorgang der Dissoziation).

Kulturelle Rezeption

Das Konzept der Astralprojektion spielt eine zentrale Rolle in verschiedenen Werken der Kunst, zum Beispiel:

Siehe auch

Literatur

  • Daniel Merkur: Becoming Half Hidden: Shamanism and Initiation among the Inuit. In: Acta Universitatis Stockholmiensis / Stockholm Studies in Comparative Religion. Almqvist & Wiksell, Stockholm 1985 (englisch).
  • Mihály Hoppál: Uráli népek. Nyelvrokonaink kultúrája és hagyományai. Hrsg.: Péter Hajdú. Corvina Kiadó, Budapest 1975, ISBN 963-13-0900-2, Az uráli népek hiedelemvilága és a samanizmus, S. 211–233 (ungarisch, Der Titel bedeutet: “Uralische Völker. Kultur und Tradition unserer Sprachverwandten”; der Kapiteltitel bedeutet: “Glaubenswelt uralischer Völker, und der Schamanismus”).
  • Oliver Fox: Astral Projection. New Hyde Park, New York, 1962.
  • I. Kleivan, B. Sonne: Eskimos: Greenland and Canada. In: Iconography of religions, section VIII, "Artic Peoples", fascicle 2. Institute of Religious Iconography • State University Groningen E. J. Brill, Leiden 1985, ISBN 90-04-07160-1 (englisch).
  • Hans Peter Duerr: Die dunkle Nacht der Seele – Nahtod-Erfahrungen und Jenseitsreisen. Insel, Berlin 2015, ISBN 978-3-458-17631-2

Einzelnachweise

  1. Herbert Becker: Der Buddhismus – eine Religion ohne Seele? Betrachtungen zur buddhistischen Anatta-Lehre., auf schopenhauer-buddhismus.de [1]
  2. Hoppál 1975.
  3. Kleivan & Sonne 1985.
  4. Merkur 1985.
  5. Hoppál 2005.
  6. dabei in den verschiedenen Kulturen in unterschiedlichen spirituellen Umgangsweisen entlang der Weltenachse (lat. axis mundi)
  7. Mircea Eliade: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, ISBN ISBN 978-3-518-07726-9, S. 14 f.