Seegrenzdisput in der Nordsee zwischen Deutschland, den Niederlanden und Dänemark

Wirtschaftszonen in der Nordsee, der Entenschnabel entspricht dem deutschen Anteil

Der Seegrenzdisput in der Nordsee zwischen Deutschland, den Niederlanden und Dänemark war ein Konflikt zwischen den genannten Staaten bis zur vertraglichen Einigung 1970. Durch diese entstand der sogenannte Entenschnabel.

Die Streitfälle Deutschland gegen Dänemark und die Niederlande (1969) ICJ 1 (auch bekannt als Nordsee-Kontinentalschelf-Fälle) waren Teil einer Reihe von Streitigkeiten, die 1969 vor den Internationalen Gerichtshof kamen. Dabei ging es um Vereinbarungen zwischen Dänemark, Deutschland und den Niederlanden über die „Abgrenzung“ von öl- und gasreichen Gebieten des Festlandsockels in der Nordsee.

Verlauf der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee

Die deutsche Nordseeküste ist konkav, während die Küsten der Niederlande und Dänemarks konvex sind. Wäre die Abgrenzung nach dem Äquidistanzprinzip („Ziehen einer Linie, deren Punkte von jedem Ufer gleich weit entfernt sind“) bestimmt worden, hätte Deutschland im Vergleich zu den beiden anderen Staaten einen kleineren Anteil des ressourcenreichen Schelfs erhalten. Daher plädierte Deutschland dafür, die Länge der Küstenlinien zur Bestimmung der Abgrenzung heranzuziehen.[1] Deutschland wollte, dass der IGH den Festlandsockel nach dem Verhältnis der Größe der angrenzenden Ländereien des jeweiligen Staates aufteilt, was Deutschland als „einen gerechten und angemessenen Anteil“ ansah, und nicht nach der Äquidistanzregel.

Relevant ist, dass Dänemark und die Niederlande, die die Genfer Festlandsockelkonvention von 1958 ratifiziert hatten, während die Bundesrepublik Deutschland dies nicht tat, wünschten, dass Artikel 6, S. 2 (Äquidistanzprinzip) angewandt werden solle.

Das Urteil

Eine wichtige Frage, die der Gerichtshof beantwortete, war, ob das Äquidistanzprinzip zum Zeitpunkt des Urteils ein für alle Staaten verbindliches Völkergewohnheitsrecht war. Der Gerichtshof argumentierte, dass es in der Tat möglich sei, dass Konventionen, obwohl sie nur vertraglichen Charakter hätten, in den Korpus des Völkerrechts übergehen und damit für Staaten, die nie Vertragspartei der Konvention geworden sind, verbindlich werden. Der Gerichtshof stellte jedoch fest, dass „dieses Ergebnis nicht ohne weiteres als erreicht angesehen werden kann“ (Rn. 71). Dazu wäre zunächst erforderlich, dass die Vorschrift grundsätzlich normenbildenden Charakter hat, d. h., eine allgemeine Rechtsnorm darstellt. Im vorliegenden Fall kam die Verpflichtung der Äquidistanzmethode erst an zweiter Stelle, nach der primären Verpflichtung, die Abgrenzung durch Vereinbarung zu bewirken. Das Gericht entschied, dass dies eine ungewöhnliche Vorstufe zu einer allgemeinen Rechtsnorm sei. Darüber hinaus nahm das Gericht zur Kenntnis, dass der Umfang und die Bedeutung in Bezug auf die Äquidistanz, wie sie in Artikel 6 verankert ist, unklar bleibe. In Abs. 74 führte der Gerichtshof aus, dass das Verstreichen einer beträchtlichen Zeitspanne zwar kein Erfordernis sei, aber es sei ein unerlässliches Erfordernis, dass innerhalb des fraglichen Zeitraums die staatliche Praxis sowohl umfangreich als auch praktisch einheitlich im Sinne der angeführten Bestimmung gewesen sein müsse.

Darüber hinaus müsse die Praxis, wie in Abs. 77 ausgeführt, als subjektives Element auch auf einer opinio juris sive necessitatis beruhen. Mit anderen Worten: Die betroffenen Staaten müssen das Gefühl haben, dass sie einer rechtlichen Verpflichtung nachkommen.

Der Gerichtshof forderte die Parteien schließlich auf, „die Auswirkungen einer zufälligen Besonderheit Deutschlands konkave Küste abzuschwächen, aus der sich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ergeben könnte“. In den anschließenden Verhandlungen gewährten die Staaten Deutschland den größten Teil des zusätzlichen Schelfs, den es anstrebte.[2] Die Fälle werden als Beispiel für „equity praeter legem“ – also „Gerechtigkeit jenseits des Gesetzes“ – angesehen, wenn ein Richter das Gesetz durch Billigkeitsregeln ergänzt, die für die Entscheidung des vorliegenden Falls notwendig sind.[3]

Als Ergebnis der Entscheidung kam es zur vertraglichen Einigung zwischen den Parteien im Jahr 1970.[4]

Einzelnachweise

  1. Janis, Mark W., An Introduction to International Law, 4th ed. (New York: Aspen, 2003), S. 73.
  2. 1969 I.C.J. Reports 4, 50.
  3. Janis, Mark W., An Introduction to International Law, 4th ed. (New York: Aspen, 2003), S. 70.
  4. Umweltbericht zum Raumordnungsplan für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee (Memento vom 19. August 2016 im Internet Archive) (PDF; 25,4 MB), S. 16.

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