Secondary products revolution

Secondary products revolution ist eine Theorie des britischen Archäologen Andrew Sherratt, wonach die Einführung intensivierter Nutzung tierischer Ressourcen, vor allem deren Arbeitskraft, aber auch von Wolle und Milch weitgehend gleichzeitig im frühurbanen Mesopotamien der Uruk-Zeit erfunden wurden. Bei den "secondary products" (Sekundärprodukte) handelt es sich um Güter, die, im Gegensatz zu Fleisch, genutzt werden können, ohne das Tier zu töten. Der Begriff wurde analog der Childe'schen neolithischen Revolution gebildet.

Sekundärprodukte

Von Sherrat werden folgende Innovationen diskutiert:

Weitere Nutzungsweisen ließen sich hinzufügen, wie:

  • Hauspferd als Zug- und Reittier
  • Eier
  • Seide
  • Blut
  • Honig

Ausbreitung

Die Nutzung der Sekundärprodukte erreichte nach Sherratt während des Äneolithikums und der frühen Bronzezeit Südosteuropa. Er will das vor allem an neuen Gefäßformen erkennen[1]. Während des Jungneolithikums, etwa zwischen 4300 und 3300 v. Chr., verbreitete sich die Nutzung der Sekundärprodukte im südlichen Mitteleuropa.

Kritik

Es ist umstritten, inwiefern die betreffenden Innovationen zeitlich korreliert werden können und inwiefern tatsächlich von einer Revolution gesprochen werden kann.

Die Existenz einer gleichzeitigen Veränderung in allen diesen Bereichen in Mitteleuropa ist nicht anerkannt und durch Untersuchungen von Oliver E. Craig[2] und Markus Vosteen[3] weitgehend widerlegt. Auch Jens Lüning[4] hat diese Theorie abgelehnt. In einer Lipid-Untersuchung prähistorischer Scherben konnten Evershed et al. Milchnutzung ab dem 7. Jahrtausend nachweisen.[5] Untersuchungen zur Verbreitung der Laktoseintoleranz deuten darauf hin, dass die entsprechende Gen-Veränderung wesentlich älter ist. Unbestritten ist, dass die Laktosetoleranz gleichzeitig mit der Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht zunahm.[6] Die Kastration von Rindern ist wahrscheinlich etwa 1000 Jahre früher erfolgt.

Literatur

  • Oliver E. Craig (u. a.): Did the first farmers of central and eastern Europe produce dairy foods? in: Antiquity 79, 2005, no. 303.
  • Markus Vosteen: Unter die Räder gekommen. Untersuchungen zu Sherratts "Secondary products revolution". Archäologische Berichte, Bonn, Habelt 1996. – Online-Ausgabe im Open Access hier:.
  • Andrew Sherratt: Plough and Pastoralism. Aspects of the Secondary Products Revolution. In: Ian Hodder, Glyn Isaac, N. Hammond (Hrsg.): Pattern of the Past. Studies in honour of David Clarke. Cambridge 1981, 261–305.
  • Andrew Sherratt: "Das sehen wir auch den Rädern ab": some thoughts on M. Vosteen's "Unter die Räder gekommen". Archäologische Informationen 19, 1996, 155–172. – Online-Ausgabe im Open Access hier:.

Einzelnachweise

  1. Andrew Sherratt, Diet and cuisine: Farming and its transformations as reflected in pottery. Documenta Praehistorica 29, 61–71.
  2. Oliver E. Craig (u. a.): Did the first farmers of central and eastern Europe produce dairy foods? in: Antiquity. 79, 2005 (Nr. 303).
  3. Markus Vosteen: Unter die Räder gekommen. Untersuchungen zu Sherratts "Secondary products revolution". in: Archäologische Berichte 7, Bonn 1996.
  4. Jens Lüning (u. a.): Deutsche Agrargeschichte: Vor- und Frühgeschichte, Stuttgart 1997.
  5. Richard P. Evershed, Sebastian Payne, Andrew G. Sherratt, Mark S. Copley, Jennifer Coolidge, Duska Urem-Kotsu, Kostas Kotsakis, Mehmet Özdoğan, Aslý E. Özdoğan, Olivier Nieuwenhuyse, Peter M. M. G. Akkermans, Douglass Bailey, Radian-Romus Andeescu, Stuart Campbell, Shahina Farid, Ian Hodder, Nurcan Yalman, Mihriban Özbaşaran, Erhan Bıçakcı, Yossef Garfinkel, Thomas Levy, Margie M. Burton, Earliest date for milk use in the Near East and southeastern Europe linked to cattle herding, Nature 455/25, 2008, 528–531. [doi:10.1038/nature07180]
  6. Jürgen Markl (Herausgeber): Biologie – Lehrbuch für die Oberstufe, Klett-Verlag Stuttgart, 1. Auflage 2011, online