Sebastianskirche (Kochendorf)

Sebastianskirche in Kochendorf

Die Sebastianskirche ist eine evangelische Pfarrkirche in Bad Friedrichshall im Landkreis Heilbronn in Baden-Württemberg. Der Bau stammt in seiner heutigen Form aus dem späten 16. Jahrhundert, brannte jedoch gegen Ende des Zweiten Weltkriegs vollständig aus, so dass keine historische Ausstattung mehr vorhanden ist. Die Sebastianskirche gehört zur evangelischen Kirchengemeinde Bad Friedrichshall-Kochendorf[1] im Kirchenbezirk Weinsberg-Neuenstadt[2] der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Geschichte

Die Kirche gilt als das älteste Gebäude in Bad Friedrichshall-Kochendorf und ist gemäß architektonischer Befunde vermutlich vor 1100 entstanden. Die ursprünglich ummauerte Wehrkirche wurde 1294 beim Verkauf des Patronatsrechts an das Stift Wimpfen erstmals erwähnt. Die Kirche unterhalb des Greckenschlosses war Grablege des Kochendorfer Ortsadels.

Kochendorf wurde 1549 durch Wolf Conrad I. Greck reformiert. Der Ortsherr war vermutlich durch seine Ehe mit Sibylla von Gemmingen reformatorisch beeinflusst. Das Patronatsrecht verblieb auch nach der Reformation beim katholischen Stift Wimpfen, das 1595 einen Kirchenschiff-Umbau mit Erweiterung durchführte. Um die Kirche befand sich früher auch der Friedhof, mit der Erweiterung hat man einen neuen Friedhof südwestlich des Ortes angelegt. Der 1655 nach Blitzschlag beschädigte Kirchturm wurde 1661 instand gesetzt.

Als im napoleonischen Zeitalter Klöster und reichsritterschaftliche sowie reichsfreie Gebiete aufgehoben wurden, kam Kochendorf zu Württemberg, Wimpfen dagegen zu Hessen. Dadurch gelangte das Wimpfener Patronatsrecht nach 1802 an die Landgrafen von Hessen-Darmstadt.

Ab 1881 sollte die Kirche renoviert werden. Der württembergische Baurat Heinrich Dolmetsch legte dazu 1882 umfangreiche Pläne samt Kostenvoranschlag vor. Aus Kostengründen wurden sie nicht verwirklicht, nur durch den Neckarsulmer Oberamtsbaumeister Lell 1885/86 eine kleine Lösung, fast ausschließlich das Äußere betreffend: einige historische Grabmale wurden an die Außenwand versetzt, und anstelle älterer Außentreppen zu den Emporen wurden zwei Treppentürme angebaut.[3] Auch erhielt die Sebastianskirche damals Farbverglasungen (Segnender Christus, Luther, Melanchthon), ausgeführt von Wilhelm Jahn von der Heilbronner Glaswerkstatt Jahn & Schropp.[4]

Zur Ausstattung der Kirche zählten der Taufstein und der Altar, beide 1859 von Zartmann in Neckarsulm geschaffen, eine kleine alte Orgel mit Evangelistendarstellungen, die 1861 restauriert worden war, eine zweistöckige Empore im Westen mit Aposteldarstellungen sowie die Orgelempore im Osten mit einer 1878 bei Schäfer in Heilbronn gebauten neuen Orgel mit 18 Registern. Die drei Glocken waren 1765 bei Mezger in Heilbronn gegossen worden. Im Chor befanden sich mehrere Grabdenkmale, darunter das doppelte Steindenkmal für Wolff Greck von Kochendorf († 1533) und seine Frau Kunigund von Liebenstein († 1534) mit bemalten lebensgroßen Relieffiguren sowie das rund fünf Meter hohe Grabdenkmal für Wolf Konrad Greck († 1598) und seine beiden Frauen Sibylle von Gemmingen († 1567) und Amalie Altdorf gen. Wolfschlag († 1588). Zu den weiteren Grabmalen zählten das des Joachim Heinrich von Ellrichshausen († 1674) sowie die hölzernen Epitaphe für Wolf Konrad Greck mit Familie sowie den Arzt Georg Andreas Schiebel († 1799).

Im April 1945 wurde die Kirche bei Kampfhandlungen von den heranrückenden amerikanischen Truppen in Brand geschossen. Trotz erster Löschmaßnahmen blieben vor allem in der Torfisolierung des Daches Glutnester zurück, die wegen der fortdauernden Kämpfe nicht mehr gelöscht werden konnten, so dass die Kirche schließlich bis auf die Außenmauern niederbrannte. Alle Ausstattungsgegenstände, darunter auch die historischen Grabmale, wurden zerstört. Lediglich im Chorbereich blieben einige wenige historische Relikte erhalten, darunter ein gotisches Sakramentshaus sowie Reste von Wandmalereien.

Die Sebastianskirche wurde bis 1948 durch Architekt Hannes Mayer wieder aufgebaut und erhielt 1952 neue Glocken aus der Glockengießerei Bachert.

Ausstattung

Bildhauerarbeiten

Portal

Portal der Sebastianskirche

Über dem Portal des Seiteneinganges steht auf einer Sandsteinplatte das Psalmwort Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt (Psalm 26,8). Über dem Eingang befinden sich die Stammwappen derer Greck von Kochendorf und von Gemmingen.

Luther-Gedenktafel

Zum deutschlandweiten Luther-Gedenken wurde im Chorraum der Sebastianskirche aus Anlass des 400. Geburtstages des Reformators Dr. Martin Luther am 10. November 1883 eine Tafel mit der Inschrift gefertigt:

„Ein
Feste Burg
Ist unser Gott
Zum Andenken an die
hier begangene
400jährige FEIER
der Geburt des Reformators
Dr. Martin Luther.
1483 10Nov. 1883
Gottes Wort und Luthers Lehr
vergehen nun und nimmermehr.“

Kruzifix

Das aus Holz geschnitzte Kruzifix wurde 1954 vom Kochendorfer Künstler Albert Dobler gestaltet und zeigt ausdrucksvoll den gekreuzigten Christus. Dieser ist nur mit einem Lendentuch bekleidet und trägt die Dornenkrone als Zeichen des Spotts und der Erniedrigung. Das Kruzifix befindet sich auf dem Altar vor dem Auferstehungsfenster.

Sebastiansskulptur

Die ursprünglich dem Märtyrer Sebastian geweihte Kirche enthält in ihrem Chor eine Skulptur des Heiligen Sebastian. Diese zeigt ihn mit den Pfeilen der Bogenschützen sowie einem Palmwedel als Zeichen des Martyriums (Märtyrerpalme). Die Figur war eine Schenkung des Creativ-Teams der Evangelischen Kirchengemeinde.

Taufstein

Der Taufstein der Sebastianskirche wurde aus Sandstein 1948 vom Neckarsulmer Steinmetz Zartmann gefertigt. Die Taufschale aus Bronze befindet sich auf diesem Sandsteinsockel. Auf ihr ist ein Kreuz und zwei Fische zu sehen: dieselben Symbole, die sich auch auf der Taufglocke befinden. Der Taufstein befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Altar und zur Kanzel.

Glasmalerei

Die Fenster im Chor und im Kirchenschiff nehmen die Themen der Gleichnisse Jesu auf. Die meisten Kirchenfenster des Stuttgarter Glaskünstlers Adolf Valentin Saile wurden in den Jahren 1967 bis 1971 durch Einzelspenden der Gemeindemitglieder sowie durch Konfirmandenspenden finanziert. Das Auferstehungsfenster wurde bereits 1956 eingesetzt.[5]

  • Das Auferstehungsfenster im Osten des Chors zeigt in zwei Szenen die Osterbotschaft: Unten sieht man die erschrockenen Frauen, die zum Grab gekommen sind und in der Grabhöhle vor dem himmlischen Boten Gottes stehen, der an den auferstandenen Jesus Christus weist.
  • Das kleine Rundfenster mit der Lutherrose befindet sich südlich der Kanzel.
  • Das Fenster der Fürsorge Gottes zeigt in drei Quadraten unten den Lebensbaum als Ort des Schutzes und der Geborgenheit für Mensch und Tier, darüber zwei Fischer mit übervollem Netz nach zunächst erfolgloser Nacht – Zeichen für das Gottesgeschenk der Fülle, und oben einen Sämann, dessen Saatgut sehr unterschiedlich gedeiht – wie das Wort Gottes nicht bei allen Menschen auf fruchtbaren Boden fällt. Über allem im Fensterbogen die Sonne sowie drei Tauben, die den Ölzweig als Zeichen des Friedens in die Welt tragen.
  • Das Gleichnisfenster vom verlorenen Sohn oder vom barmherzigen Vater zeigt den eigenen Weg und das Scheitern des Sohnes sowie die Rückkehr zu seinem Vater in dessen offene Arme und Haus.
  • Das Gleichnisfenster vom Pharisäer und Zöllner befindet sich auf der Südseite der Kirche.
  • Das David-Fenster im Vierpass über der Orgel auf der Westempore unterstreicht mit der Harfe die Bedeutung der Musik für die Verkündigung.
  • Vier Evangelistenfenster befinden sich auf beiden Seiten links und rechts unter der Empore. Matthäus ist hierbei als Engel, Markus als Löwe, Lukas als Stier und Johannes als Adler dargestellt.
  • Das Fenster Die Speisung der 5000 zeigt Jesus und seine Jünger, die am See Genezareth das Brot des Lebens verteilen.
  • Das Fenster mit den zehn Jungfrauen auf der Nordseite stellt das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen
  • Der Weinstock und der gute Hirte: Auf diesem Fenster werden das Gleichnis vom guten Hirten und das Gleichnis vom Weinstock dargestellt.

Relief „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt...“

Ein Meisterkurs der Heilbronner Gipserinnung übernahm es, an der linken Turmseite der Sebastianskirche ein Sgraffito nach einer frühchristlichen Ritzzeichnung zu gestalten. Es zeigt ein Schiff mit ausgeworfenem Netz. Das Motiv nimmt das Verständnis auf, dass die Gemeinde Jesu einer Arche gleicht.

Orgel

Die Orgel der Sebastianskirche wurde 1958 von der Firma Weigle aus Echterdingen gebaut. Sie befindet sich auf der Empore im Westen der Kirche, gegenüber dem Chorraum im Osten, und hat 21 Register auf zwei Manualen und Pedal.

Glocken

Die 1765 bei Metzger in Heilbronn gegossenen Glocken der Sebastianskirche wurden während des Zweiten Weltkrieges im März 1942 zu Waffen umgegossen. Nach dem Krieg wurden von der ortsansässigen Glockengießerei Bachert fünf neue Glocken gefertigt, welche 1952 in den Kirchturm kamen.

Nr.
 
Name
 
Gießer,
Gussjahr
Gewicht
(kg)
Inschrift
 
Zier
 
1TaufglockeGlockengießerei Bachert, 1952259Christus spricht: „Lasset die Kindlein zu mir kommen“Kreuz, Fische, Lutherrose
2FriedensglockeGlockengießerei Bachert, 1952459Es möge Frieden sein in deinen Mauern!Taube
3GedächtnisglockeGlockengießerei Bachert, 1952667Christus spricht: „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“Kruzifix
4LutherglockeGlockengießerei Bachert, 1952944Eine feste Burg ist unser GottMartin Luther
5ChristusglockeGlockengießerei Bachert, 19521672Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid ich will euch erquickenWeltenrichter

Die Glockenstube wurde 2000 erweitert und mit einem Eichenholz-Glockenstuhl versehen.

Epitaphe

An den Außen- und Innenwänden der Sebastianskirche befanden sich zahlreiche Epitaphe. Einige davon wurden bei Kampfhandlungen im April 1945 zerstört, andere sind heute noch erhalten. Darunter sind Grabmale derer Greck von Kochendorf, von Gemmingen, Kolb von Wartenberg und von Berlichingen.

Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Neckarsulm, Stuttgart 1881, S. 455–459 (Digitalisat bei https://digi.ub.uni-heidelberg.de)
  • Walter Hennig: Sebastianskirche Kochendorf; herausgegeben von der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Friedrichshall-Kochendorf; Bad Friedrichshall 2006
  • Bad Friedrichshaller Kleindenkmale, Bad Friedrichshaller Geschichtshefte I, Stadt Bad Friedrichshall und Simon M. Haag, Bad Friedrichshall 2017

Einzelnachweise

  1. Website der Kirchengemeinde Kochendorf
  2. Website des Evangelischen Kirchenbezirks Weinsberg-Neuenstadt
  3. Ellen Pietrus: Heinrich Dolmetsch. Die Kirchenrestaurierungen des württembergischen Baumeisters; Stuttgart 2008, Seite 380–382
  4. Firmenbroschüre mit Referenzen: Glasmalerei von Wilh. Jahn in Heilbronn a.N.; Heilbronn, Brok & Feierabend, o. J. (um 1895)
  5. Ehrenfried Kluckert, Axel Zimmermann (Bearb.): Adolf V. Saile - Städtische Galerie Filderstadt, Kleines Kunst-Kabinett Bernhausen; Ausstellung vom 13.10.1985 - 6.11.1985; hrsg. von der Städt. Galerie Filderstadt; Band 1: Ausstellungskatalog, Band 2: Werkverzeichnis; Filderstadt 1985 - Nr. 1a/56/3, 1a/67/3, 1a/69/2, 1a/70/1

Weblinks

Commons: Sebastianskirche Kochendorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 49° 13′ 26,9″ N, 9° 13′ 3,2″ O

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Historisches Grabmal der Greck von Kochendorf an der Sebastianskirche in Kochendorf
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Historisches Grabmal der Greck von Kochendorf an der Sebastianskirche in Kochendorf
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Doppelgrabmal für Wolff Greck von Kochendorf († 1533) und seine Frau Kunigund von Liebenstein († 1534) in der Sebastianskirche in Kochendorf
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Sebastianskirche Bad Friedrichshall Kochendorf
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Epitaph der Witwe eines Greck von Kochendorf, gest. 1633, an der Sebastianskirche in Bad Friedrichshall-Kochendorf, trotz fortgeschrittenes 17. Jahrhundert noch ganz im Stil der Renaissance
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Grecken-Epitaph von 1598 an der Kirche Kochendorf (Bad Friedrichshall).
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Grabdenkmal für Wolf Konrad Greck († 1598) und seine beiden Frauen Sibylle von Gemmingen († 1567) und Amalie Altdorf gen. Wolfschlag († 1588) in der Sebastianskirche in Kochendorf
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Epitaph der Greck von Kochendorf an der Sebastianskirche in Kochendorf
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Portal des Seiteneingangs der Sebastianskirche