Sebastianskapelle (Ladenburg)

Sebastianskapelle

Die Sebastianskapelle ist ein ehemaliges Gotteshaus in Ladenburg im Rhein-Neckar-Kreis im Nordwesten Baden-Württembergs. Ursprünglich Hofkapelle der Bischöfe von Worms, war sie nach der Reformation römisch-katholische Pfarrkirche. Nach 1875 wurde sie vorwiegend von der alt-katholischen Gemeinde genutzt. Ende 2017 wurde sie profaniert.

Die Sebastianskapelle wurde von der Denkmalstiftung Baden-Württemberg zum „Denkmal des Monats Oktober 2023“ ernannt.

Geschichte

Sebastianskapelle und Galluskirche 1645 (Matthäus Merian)

Urkundlich erwähnt wurde die Kapelle erstmals im Jahr 1266, als am Friedhof von St. Sebastian eine Gerichtsverhandlung durchgeführt wurde. Teile des Bauwerks sind aber karolingisch. Der Turm erhielt in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts sein heutiges Dach. Unter Bischof Reinhard von Sickingen wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der Chor erbaut. 1565 ließ Kurfürst Friedrich III. in der Sebastianskapelle und in der St.-Gallus-Kirche alle bildhaften Darstellungen zerstören und gestattete in der Galluskirche, der alten Ladenburger Pfarrkirche, nur noch den reformierten Gottesdienst. Seitdem war die Sebastianskapelle die katholische Pfarrkirche Ladenburgs. Dies blieb fast durchgängig so, bis Bischof Ludwig Anton die St.-Gallus-Kirche 1693 vom Militär besetzen ließ.

1736/37 wurde die Sebastianskapelle renoviert und erhielt eine barocke Ausstattung. Am 5. Mai 1737 wurde die Kapelle von Weihbischof von Merle geweiht. 1874 wurde das Innere der Kapelle restauriert und anschließend wurde sie bis 1878 von der evangelischen Gemeinde genutzt, während die neue Evangelische Stadtkirche erbaut wurde. Fast zeitgleich hatte sich 1874 der erste alt-katholische Verein in Ladenburg gegründet. Nach der staatlichen Anerkennung wurde der alt-katholischen Gemeinde die Sebastianskapelle zugewiesen, wo sie am 5. November 1876 erstmals Gottesdienst feierte.

In den folgenden Jahrzehnten drohte das Gebäude zu verfallen. Die römisch-katholische Kirche investierte nicht in ein von ihr nicht genutztes Bauwerk, die alt-katholische Kirche investierte nicht, weil sie nicht Eigentümerin war. Erst mit dem Erstarken der Ökumene wurde eine finanzielle Lösung gefunden, an der sich beide Kirchen, die Stadt, der Kreis und das Land beteiligten, und zwischen 1960 und 1982 wurde die Kapelle restauriert. Die Wiedereinweihung fand bereits am 12. Oktober 1980 in Anwesenheit des alt-katholischen Bischofs Josef Brinkhues, einst Pfarrer in Heidelberg und Ladenburg, mit einem ökumenischen Gottesdienst statt. Die alt-katholische Gemeinde Heidelberg-Ladenburg feierte ihre Gottesdienste abwechselnd in der Sebastianskapelle und der Heidelberger Erlöserkirche, bis im Jahr 2006 die Sebastianskapelle wegen Bauschäden geschlossen werden musste. Seitdem wird sie nicht mehr genutzt. Der Ladenburger Pfarrgemeinderat beschloss am 1. Februar 2017, dass St. Sebastian profaniert werden soll. Gemäß Vereinbarung mit der Stadt Ladenburg soll die Kapelle in zwei Stufen saniert werden und danach in das Eigentum der Stadt übergehen.[1]

Beschreibung

Ansicht von Nordwesten

Die Sebastianskapelle steht auf dem Gelände des alten Bischofshofs im Südwesten der Altstadt von Ladenburg. Der seitlich angeordnete Turm und der dazugehörige Verbindsbau gehören zu den ältesten Gebäudeteilen. Das orientalisch anmutende Dach wurde im 13. Jahrhundert aufgesetzt. Am Turm und an den romanischen Blendarkaden am Verbindungsbau sind apotropäische Fratzen angebracht. Beide Gebäudeteile sind aus Kleinquadermauerwerk, während der Rest der Kapelle verputzt ist. Auf der anderen Seite der Kapelle ist eine Vorhalle angebaut, die 1474 errichtet wurde. An der Südseite sind zwei Grabplatten von um 1500 angebracht. Im Osten der Kapelle befindet sich der gotische Langchor mit 5/8-Schluss. Das Chordach trägt seit 1737 einen barock erneuerten Dachreiter.

Cronberger Kinder (aus dem Thesaurus Palatinus des Johann Franz Capellini von Wickenburg)

Den Schlussstein des Sterngewölbes im spätgotischen Chor ziert das Wappen von Bischof Reinhard von Sickingen. Die Gewölbefelder sind kunstvoll mit Blumenmotiven bemalt. Der prachtvolle Hochaltar und die beiden Seitenaltäre stammen von 1737. Im Langhaus stellen Wandmalereien mehrere Heilige und Apostel dar. Sie stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert und wurden im 20. Jahrhundert von Valentin Feuerstein restauriert. Mehrere Grabplatten befinden sich in der Sebastianskapelle. Aus der jüngeren Vergangenheit stammt die Platte von Bischof Ludwig Anton beim Altar. Man hatte sein Grab lange in der Düsseldorfer Andreaskirche vermutet, bis es im 20. Jahrhundert von Berndmark Heukemes in der Sebastianskapelle gefunden wurde. Im Chor links steht das Epitaph von drei im Jahr ihrer Geburt gestorbenen Cronberger Kindern. Im Langhaus befindet sich die Grabplatte des letzten Wormser Weihbischofs Stephan Alexander Würdtwein.

Orgel

Die Orgel wurde 1790 vom Heidelberger Hoforgelbauer Andreas Krämer für die St.-Gallus-Kirche erbaut. Sie wurde 1865 in die Sebastianskapelle überführt. 1982 wurde sie von Orgelbau Vleugels restauriert. Das Instrument hat 18 Register auf zwei Manualen und Pedal.[2]

I Positiv C–d3
1.Gedackt8′
2.Salizional8′
3.Musikprinzipal4′
4.Spitzflöt4′
5.Fluttravers2′
II Hauptwerk C–d3
6.Principal8′
7.Viol di Gamba8′
8.Großgedackt8′
9.Prinzipal4′
10.Kleingedackt4′
11.Quint223
12.Oktav2′
13.Mixtur IV113
14.Cornett V8′
15.Trompete8′
Pedal C–g0
16.Subbass16′
17.Oktavbass8′
18.Posaunbass16′

Anlässlich des Ladenburger Orgelsommers (2000–2014) erklang die Orgel von St. Sebastian regelmäßig beim Wandelkonzert, bei dem die Zuhörer in der Ladenburger Altstadt anschließend noch zu den beiden Orgeln der evangelischen Stadtkirche und von St. Gallus „wandelten“. Im Rahmen der Übergabe der Kapelle an die Stadt Ladenburg hat die katholische Kirchengemeinde die Orgel für 15.000 € an die Heidelberger Christusgemeinde verkauft und im Februar 2018 abgebaut.[3][4]

Literatur

  • Ladenburg-Lexikon. Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8334-6799-8.
  • Hansjörg Probst (Hrsg.): Ladenburg: aus 1900 Jahren Stadtgeschichte. Ubstadt-Weiher 1998, ISBN 3-929366-89-4.
  • Rainer Laun: Rhein-Neckar-Kreis. In: Dagmar Zimdars u. a. (Bearb.), Georg Dehio (Begr.): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Baden-Württemberg I. Die Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe. München 1993, ISBN 3-422-03024-7.
  • Hans Huth: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Mannheim: Ohne Stadt Schwetzingen. München 1967.
  • Martin Kares, Michael Kaufmann, Godehard Weithoff: Orgelführer Rhein-Neckar-Kreis. Heidelberg 2001, ISBN 3-932102-07-X.
Commons: Sebastianskapelle (Ladenburg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Axel Sturm: Ladenburg übernimmt Sebastianskapelle. In: Rhein-Neckar-Zeitung. 3. Februar 2017, abgerufen am 6. April 2017.
  2. Informationen zur Orgel
  3. Klaus Backes: Orgel der Sebastianskapelle erklingt künftig in Heidelberg. In: Mannheimer Morgen. 18. Januar 2018, abgerufen am 21. Januar 2018.
  4. Klaus Backes: Zehn Jahre Zeit zum Überlegen gehabt. In: Mannheimer Morgen. 27. Januar 2018, abgerufen am 28. Januar 2018.

Koordinaten: 49° 28′ 15,3″ N, 8° 36′ 31,4″ O

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Ladenburg, St. Sebastian - ehemalige Hofkapelle der Bischöfe von Worms.

Von dem karolingischen Bau des 9. Jahrhunderts sind die Außenmauern und der nördliche Querhausarm erhalten. Die Ostmauer dieses Vorbaus ist ein Rest des südlichen Querhausarmes, an den sich bis zum 18. Jahrhundert eine breite frühmittelalterliche Torhalle anschloß. Weitere karolingische Teile wurden 1969/70 durch Ausgrabung nachgewiesen. Um 1050 wird der Turm an der Nordseite angebaut, der um 1270 ein syrisch beeinflusstes Pyramidendach aus Stein erhält. Romanische Blendengliederung am nördlichen Querhausarm. 1474 völliger Umbau durch Bischof Reinhard von Sickingen. Damals werden die mit dem Saal (Aula) verbundene Emporenkapelle im Westteil, der südliche Querhausarm und die Chorapsis abgerissen und der spätgotische Chor gebaut. 1565 zerstören calvinistische Bilderstürmer die mittelalterliche Ausstattung auf Befehl des Kurfürsten Friedrich III. Bischof Ludwig-Anton von Pfalz-Neuburg (1660 bis 1694) wird von Lüttich überführt und in einer Geheimgruft im Chor bestattet. Nach dem Abzug der Wormser Bischöfe 1705 erhält St. Sebastian dann 1737 eine barocke Ausgestaltung. Die 1787 bis 1790 von Andreas Krämer aus Heidelberg erbaute Orgel stammt ursprünglich aus der Galluskirche. Seit 1875 dient die katholische Kapelle auch den Altkatholiken.

Unter St. Sebastian liegen beachtliche römische Baureste: Die Porta praetoria des um 90 n. Chr. erbauten Steinkastells über einem älteren Lagertor des Holzkastells von 75 n. Chr. und die zivile Forumstraße mit Portiken und Wohnhäusern des 2./3. Jahrhunderts. Auch Mauerreste des urkundlich überlieferten merowingischen Königshofs wurden dort bei den Grabungen 1970 entdeckt.
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Sebastianskapelle und St.-Gallus-Kirche in Ladenburg
Ladenburg-St-Gallus-Kirche-Epitaph-362.jpg
Sebastianskapelle in Ladenburg. Epitaph für Wolfgang III. Hartmut von Cronberg, Hans Schweikard III. von Cronberg und Julius von Cronberg. Wappen der Ahnen: von Cronberg, Kämmerer von Worms genannt von Dalberg, von Sickingen, Mühl von Ulmen.
Sebastianskapelle Ladenburg von Norden2.JPG
Autor/Urheber: Joachim Specht, Lizenz: CC0
Ladenburg, Sebastianskapelle von Norden