Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft

Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft
(SGG)
Logo
Gründung1810
SitzZürich
ZweckSozialer Zusammenhalt
VorsitzNicola Forster (Präsident)
WebsiteSchweizerische Gemeinnützige Gesellschaft
Geschäftssitz der SGG in Zürich-Unterstrass

Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) fördert geistig und materiell gemeinnützige Aktivitäten sowie die Wohltätigkeit in der Schweiz. Seit dem UNO-Jahr für Freiwilligkeit (2001) engagiert sich die SGG zudem in der nationalen Freiwilligenarbeit und publiziert regelmässig den Freiwilligenmonitor Schweiz.

Für die Entwicklung des schweizerischen Bundesstaates und dessen Gründung im Jahr 1848 war die SGG die wichtigste soziale und sozialpolitische Organisation der Schweiz. Die SGG war treibende Kraft bei der Gründung zahlreicher sozialer Organisationen.

Tätigkeitsbereiche

Gemäss ihrem Vereinszweck ist die SGG bestrebt, die Zivilgesellschaft in der Schweiz zu stärken und die Solidarität zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu fördern.[1] Aktuell ist die Gesellschaft in den Bereichen der Volksbildung, der Volksgesundheit, der Volkswirtschaft und der Sozialen Arbeit tätig.[2]

Die Aufgaben der SGG lassen sich wie folgt umschreiben:

  • Die SGG behandelt aktuelle Themen zu sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen;
  • Die SGG setzt sich für das soziale und solidarische Verantwortungsgefühl der Bevölkerung ein.
  • Die SGG leitet drei eigene thematische Programme: Das Programm SeitenWechsel[3] fördert die soziale Führungskompetenz von Kaderpersonen durch Praktika in sozialen Institutionen. Für die Führungskräfte kann dies im Rahmen einer Intensivwoche oder eines eintägigen Workshops geschehen. Das Programm JobCaddie[4] bietet ehrenamtliches Mentoring an für Jugendliche im Übergang in die Arbeitswelt. Und das Programm Intergeneration[5] bringt lokal und virtuell Institutionen und Projekte von Jung und Alt zusammen.
  • Die SGG erforscht und fördert die Freiwilligentätigkeit in der Schweiz und publiziert regelmässig den Freiwilligenmonitor Schweiz.[6]
  • Die SGG unterstützt Notleidende und soziale Projekte in der Schweiz.
Bundespräsident Berset am 1. August 2018 bei seiner Ansprache auf dem Rütli vor dem Logo der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft
  • Die SGG verwaltet seit 1860 das Rütli und organisiert dort jährlich die Bundesfeier.[7]
  • Präsidentin Judith Stamm beschrieb die SGG als ein Frühwarnsystem für soziale Fragen, in welchem man zu originellen Schritten bereit sei.[8]
  • Die SGG lancierte 2014 einen Künstlerwettbewerb zur Schaffung eines neuen Textes für die Schweizer Nationalhymne. Unter den 208 Beiträgen wählte die Öffentlichkeit online den Beitrag des Zürcher Gesundheitsökonomen Werner Widmer. Der neue Hymnetext basiert auf der Präambel der Schweizer Bundesverfassung. Sobald er in der Bevölkerung genügend populär sein wird, wird der neue Hymnetext bei den zuständigen Behörden mit der Bitte eingereicht, ihn zur neuen Nationalhymne zu bestimmen.[9][10][2]
  • Der 2020 gewählte Präsident Nicola Forster kündigte an, thematisch auch auf Digitalisierung, Klimawandel und die Weiterentwicklung der Demokratie zu setzen.[11]

Geschichte

Vereinsgründung

Die SGG verstand sich als Erbin der Helvetischen Gesellschaft und verfolgte aufklärerisch-patriotische Ziele. Vorbild war die 1777 gegründete Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel. Sie stellte die Gemeinwohlorientierung ins Zentrum und konzentrierte sich in den ersten Jahrzehnten auf die Armutsbekämpfung, die Förderung von Bildung, Erziehung und wirtschaftlichen Fortschritt. Die liberal gesinnten Mitglieder des SGG, die reformierter und katholischer Herkunft waren, förderten ein reformorientiertes Diskussionsforum für die politischen, wirtschaftlichen und geistlich-seelsorgerischen Eliten und wirkten dadurch national integrierend und staatstragend.

Die SGG wurde 1810 in Zürich vom Freundeskreis des Zürcher Stadtarztes Hans Caspar Hirzel[12] gegründet. Hirzel hatte im Namen der Zürcher Hülfsgesellschaft zur Gründung eingeladen. Unter dem Namen Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft SGG, Société suisse d‘utilité publique SSUP, Società svizzera di utilità pubblica, Società svizzra ad ütil public besteht seit dem 16. Mai 1810 ein Verein im Sinne von Artikel 60 ff.[13] des Schweizerischen Zivilgesetzbuches mit Sitz in Zürich.[2] Organisatorisch wandelte sich die SGG nach 1850 zunehmend zu einem national verankerten Verein.

Solidarität, Armut und Bildung

Ab 1823 wurde an den SGG-Jahresversammlungen ähnlich einer heutigen Denkfabrik über konkrete Fragestellungen diskutiert, die von Mitgliedern empirisch vorbereitet wurden. Die dabei gehaltenen sozialpolitischen Referate und Diskussionsvoten wurden in den Verhandlungen der SGG und ab 1862 in der Schweizerischen Zeitschrift für Gemeinnützigkeit publiziert. Die praktische Umsetzung der in den Diskussionen entwickelten Ideen und Projekte erfolgte anfänglich durch lokale Akteure und wurde nach 1830 immer mehr durch eigene praktische Tätigkeit abgelöst.

An der Jahresversammlung 1823 wurde von Johann Caspar Zellweger der Antrag eingebracht, die Armut mit Bildung zu bekämpfen, wobei auch Wissen, Moral und Sittlichkeit gefördert werden sollten. Die rege Schuldebatte in der SGG ebnete den Weg für die liberale Schulreform, die sich ab den 1830er Jahren in der ganzen Schweiz durchsetzte. 1835 wurde von der SGG eine Kommission für Armenerziehung eingesetzt, die sich der Ausbildung von sogenannten Armenlehrern widmete. Mitte der 1850er Jahre konnte der SGG dank dem ersten grossen Legat das erste Schwyzer Lehrerseminar errichten lassen.

Ab 1828 hielt die SGG ihre Jahresversammlungen an verschiedenen Orten in der Schweiz ab, um Beziehungen und Bindungen zu stärken und den nationalen Zusammenhalt zur fördern. In den unruhigen 1840er Jahren förderte die SGG die friedliche Gesinnung und die Humanität, sie war ein Ort, an dem die politischen Gegner den Dialog ins Zentrum ihrer Bemühungen stellten. Die SGG engagierte sich für die Schaffung der Stiftung Solidarität Schweiz und übernahm die Führung der Abstimmungskampagne. Der SGG fördert Projekte, die der inneren Kohäsion der Schweiz und dem Austausch zwischen den Sprachregionen dienen.

Öffentliche Wahrnehmung im 19. Jahrhundert

Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte die SGG 1834 mit der Koordination der Geldsammlung für die Geschädigten einer grossen Unwetterkatastrophe im Voralpengebiet. Mit dem Kauf der Rütliwiese von 1859 und der Schenkung an die Eidgenossenschaft schuf sich die SGG einen nachhaltigen nationalen Bekanntheitsgrad. Im 19. Jahrhundert gründete und betrieb die SGG Erziehungs- und Besserungsanstalten (Hilfs- und Sonderschulen) und förderte die Berufsbildung, sie klärte über Gesundheits- und Ernährungsfragen auf und bekämpfte die Alkohol- und Spielsucht. 1901 initiierte die SGG den Fonds für die Hilfe bei nicht versicherbaren Elementarschäden.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts flossen der SGG finanzielle Mittel durch Schenkungen und Legate zu. Im 20. Jahrhundert stieg das verwaltete Vermögen kontinuierlich von 180'000 Fr. (1910) auf 5,7 Mio. Fr. (1980) bzw. 63 Mio. Fr. (2009). Dies ermöglichte ihr die Vergabe von Subventionen und Einzelfallhilfe zu einem Schwerpunkt zu machen. Gleichzeitig schwand durch den Ausbau sozialstaatlicher Strukturen und die fehlende Integration der neuen sozialistisch orientierten Reformkräfte der politische Einfluss der wertkonservativ, wirtschaftsliberal und sozialstaatskritisch geprägten Denkfabrik.

Wohlfahrtswerke im 20. Jahrhundert

Im 20. Jahrhundert gründete die SGG verschiedene private Wohlfahrtswerke: 1912 die Pro Juventute, 1917 die Pro Senectute, 1918 die Stiftung zur Förderung von Gemeindestuben und Gemeindehäusern und 1978 die Pro Mente Sana. Mit der Gründung und Unterstützung von Konferenzen sowie der Einrichtung eines Sekretariats im Jahre 1930 leistete sie einen Beitrag zur Verständigung in der Familienpolitik (Schweizerische Familienschutzkommission 1931, Pro Familia 1942), zur Koordination der privaten Wohlfahrtswerke und zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit. Sie gab 1932 den Anstoss für die Schweizerische Landeskonferenz für soziale Arbeit (LAKO), die sich zunächst der Koordination der Flüchtlingshilfe annahm und 1942 die Gründung der Schweizer Berghilfe veranlasste. 1934 initiierte sie die Gründung der Zentralauskunftsstelle für Wohlfahrtsunternehmungen ZEWO.

In den 1990er Jahren setzte eine Neuorientierung ein, die zur verstärkten Förderung der Freiwilligenarbeit führte.

Die SGG unterstützt unter anderem die Freiwilligen-App Five up, die zur Koordination von Freiwilligenarbeit entwickelt wurde.[14][15] Diese wird gemeinsam von der SGG, vom Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) und von Apps with love (AWL) getragen (bis 2021 unter Federführung der Gesellschaft Five up Community AG).[16] Five up umfasst ein Front-End mit Native Apps und Web-App, die viersprachig (deutsch, französisch, italienisch, englisch) gestaltet sind, sowie ein Cloud-basiertes Back-End,[15] Die Zahl der registrierten Nutzer stieg von der Freischaltung der App im Sommer 2018 bis Sommer 2021 auf über 100‘000.[16] wobei sich vor allem zu Beginn der COVID-19-Pandemie ein größerer Bedarf für die Koordinierung von Freiwilligen ergab.[14][17] Five up gewann 2019 Gold in der Kategorie Enterprise bei Best of Swiss Apps.[18]

Organisation

Vereinsziel

Gemäss ihrer Statuten ist die Förderung geistiger und materieller Volkswohlfahrt in der Schweiz Zweck und Aufgabe der Gesellschaft.[2]

Vereinsorgane / Gremien

Die Strukturen der SGG umfassen jährlich die Gesellschaftsversammlung aller Mitglieder, zwei Sitzungen der aus dreissig Mitgliedern und fünf permanenten Gästen bestehenden Zentral-Kommission (ZK), sechs bis acht Sitzungen des Vorstands, zwei Sitzungen der Geschäftsprüfungskommission (GPK) sowie regelmässige Sitzungen der SGG-Geschäftsstelle und ihrer Programme und Projekte. In der SGG bestehen folgende Fach-Kommissionen: Ressourcen-Kommission (Finanzausschuss REKO), Kommission SeitenWechsel, Kommission Job Caddie, Kommission Forschung Freiwilligkeit (KFF), Rütli-Delegation (Rüdel) und Archiv-Kommission.

Präsidium

Mitglieder

Die Mitgliederzahl betrug von 1860 bis 1890 rund 1000 Mitglieder, darunter Pfarrer, Exekutivpolitiker, Unternehmer, Gewerbetreibende und Bildungsexperten. Sie stieg durch Werbeaktionen nach 1920 auf 10.000 an. Im Jahr 2015 zählte die SGG 1200 natürliche und kollektive Mitglieder.

Publikationen

Die SGG gab unter dem Titel Revue der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, Revue de la Société suisse d’utilité publique, Rivista della Società svizzera di utilità pubblica, Periodic svizzer ad ütil public eine Zeitschrift heraus, die vor allem allgemeine Fragen der Gemeinnützigkeit und Sozialen Arbeit behandelt. Im Jahr 2014 wurde die Revue ersetzt durch einen Online-Newsletter, der vier Mal jährlich auf Deutsch und Französisch an rund 5000 Personen und Organisationen verschickt wird. Der Jahresbericht wird in der Printversion den Mitgliedern zugestellt und zusammen mit der Jahresrechnung in der Webseite der SGG publiziert.

Kantonale und regionale Gemeinnützige Gesellschaften

Neben der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) sind in fast allen Kantonen eigenständige Gemeinnützige Gesellschaften entstanden. Die SGG arbeitet mit den kantonalen, regionalen und lokalen Gemeinnützigen Gesellschaften eng zusammen. Die kantonalen und regionalen Gesellschaften sind historisch sehr unterschiedlich gewachsen und haben verschiedene Formen angenommen. Die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel ist in der Sozialpolitik des Kantons Basel-Stadt ein wichtiger Partner der öffentlichen Hand, ebenso die Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Zug. Die Bernische Ökonomische und Gemeinnützige Gesellschaft hat vor allem für die bäuerliche Bevölkerung des Kantons und darüber hinaus mit der Zeitung Schweizer Bauer eine grosse Bedeutung.

Die SGG regte in den 1830er Jahren die Bildung von Frauenvereinen an, die sich mit der Erziehung und Bildung der weiblichen Jugend befassten. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren bereits 1.030 gemeinnützige Frauenvereine entstanden und 1888 wurde der Schweizerische Gemeinnützige Frauenverein SGF gegründet, der sich zunächst mit der Frage der hauswirtschaftlichen Bildung beschäftigte.

Literatur

  • W. Rickenbach: Geschichte der schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft 1810-1960. Verlag Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, Zürich 1960.
  • Beatrice Schumacher: Freiwillig verpflichtet. Gemeinnütziges Denken und Handeln in der Schweiz seit 1800. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2010, ISBN 978-3-03823-594-1.
  • Natascha Wey: Das Jubiläumsjahr in Bildern. 200 Jahre Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft. SGG, Zürich 2010.

Weblinks

Commons: Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Definition SGG
  2. a b c d Statuten vom 9. Juni 2016. (PDF; 140 kB) Vereinsstatuten. In: Offizielle Webseite. Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, 9. Juni 2016, S. 7, abgerufen am 17. Juli 2018.
  3. www.seitenwechsel.ch
  4. www.jobcaddie.ch
  5. Intergeneration - Wir verbinden Generationen. intergeneration.ch, abgerufen am 29. März 2016.
  6. Freiwilligen-Monitor der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft SGG
  7. www.ruetli.ch
  8. C. Schoch: Gemeinnützige Gesellschaft mit neuer Präsidentin. Mit Nationalrätin Judith Stamm erstmals eine CVP-Vertreterin. Hrsg.: Neue Zürcher Zeitung. Ausgaben-Nr. 252, 30. Oktober 1998, S. 14.
  9. www.chymne.ch
  10. www.sgg-ssup.ch
  11. Iwan Lieberherr: Nicola Forster, der neue Präsident der SGG. Das Tagesgespräch / Radio SRF, 3. Dezember 2020, abgerufen am 7. Dezember 2020 (schweizerdeutsch).
  12. Christoph Mörgeli: Hirzel, Hans Caspar. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  13. ZGB, Art. 60 ff. Zweiter Abschnitt: Die Vereine. In: SR 210 - Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB). Schweizerische Bundeskanzlei - Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1. Januar 2011, S. 25, abgerufen am 7. September 2011.
  14. a b Freiwilligen-App “Five up”: NGOs erreichen in 5 Jahren das digitale Zeitalter. In: sgg-ssup.ch. Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, abgerufen am 28. Dezember 2021.
  15. a b Facts & Figures: «Fiveup»-Plattform. In: sgg-ssup.ch. Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, Januar 2021, abgerufen am 28. Dezember 2021.
  16. a b Geschichte und Zukunft «Five up». In: fiveup.org. 2021, abgerufen am 28. Dezember 2021.
  17. Hilfe in Corona-Krise: Solidarität dank «Five up». In: sgg-ssup.ch. Abgerufen am 28. Dezember 2021.
  18. Gold für Five Up – Connect Your Help. In: netzwoche.ch. 6. November 2019, abgerufen am 28. Dezember 2021.
  19. Neues SGG-Präsidium: Ein Millennial am Ruder. In: Homepage SGG. Abgerufen am 7. Dezember 2020.

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