Schul-Rushhour

Der Begriff Schul-Rushhour, bisweilen auch Schulrushhour (eine Wortverbindung aus deutsch Schule als Gebäude und Lernort, englisch rush = Ansturm, Andrang, Gedränge und englisch hour = Stunde), ist ein Fachterminus der Verkehrspädagogik. Er findet sich in der Literatur in einer Doppelbedeutung:[1] Zum einen bezeichnet er die außergewöhnliche Verkehrsgefährdung im unmittelbaren Umkreis von Schulen und Kindergärten. Zum anderen steht er für den ursächlichen Zusammenhang damit, der Verdichtung des Verkehrsaufkommens zu Beginn und zum Ende der Unterrichtszeiten, auch durch „Elterntaxis“.

Entstehungsgründe

Für die Situation der Schul-Rushhour machen die Verkehrsexperten verschiedene Gründe verantwortlich:[2][1][3]

  • Ängste der Eltern vor der Gefährdung ihrer Kinder im Straßenverkehr
  • fehlende elterliche Verkehrserziehung (insbesondere Vorbereitung und Planung des sicheren Schulwegs)
  • mangelndes Vertrauen in die Selbstsicherungsfähigkeiten ihrer Kinder
  • eine verfehlte Organisation der morgendlichen Zeitplanung (zu spätes Aufstehen etc.)
  • Bequemlichkeit der Kinder

Risiken

Die besondere Gefahrenlage und die negativen Konsequenzen für den Unterrichtsbeginn ergeben sich nach Warwitz[1] aus folgenden Gegebenheiten:

  • Hektik und Probleme aus der zeitlichen und räumlichen Koordination der Verpflichtungen von Eltern und Kindern (Schule, Kindergarten, Büro)
  • Stress und Streit bei der Passivierung der Kinder im „Käfig“ Auto
  • erhöhte Gefährdung durch das punktuelle Aufeinandertreffen unterschiedlicher Verkehrsströme (Fußgänger, Radfahrer, Mopeds, Privat-Pkw, Schulbusse)
  • kontraproduktives Verhalten hinsichtlich der Verkehrssicherheit der Kinder (verkehrsgeschulte und verkehrsgeübte Kinder haben statistisch den höchsten Sicherheitsstandard)
  • Entmündigung der Kinder als aktive, wache Verkehrsteilnehmer und Aufbau entsprechender Defizite im Verkehrsumgang
  • Schaffen eines emotional aufgeladenen und deshalb ungünstigen Unterrichtsbeginns

Die Schul-Rushhour wird daher von der Verkehrspädagogik, von Schulen und von Verkehrsverbänden (ADAC, VCD u. a.) nachdrücklich bekämpft.[1][3]

Gegenmaßnahmen

  • Elternaufklärung
    • Vermittlung der Unfallstatistik (geringste Gefährdung durch gekonnten Fußverkehr)[5]
    • Informationen über kindliche Unterforderungen und Überforderungen im Verkehr[6]
    • Vermittlung kindgerechten Verkehrsverhaltens (Schulanfänger sind bereits zum selbstständigen Schulweg als Fußgänger erziehbar. Das Radfahren im Straßenverkehr ist aus entwicklungspsychologischer Sicht erst ab dem dritten bis vierten Schuljahr verantwortbar)[7]
    • Aufklärung über die Konsequenzen des Unmündighaltens und der Verweigerung verkehrstechnischer Lernprozesse
    • Überzeugung vom Wert des aktiven Schulwegs für die Sicherheit wie für die emotionale Verfassung der Kinder zum Unterrichts- und Lernbeginn
  • Didaktische Maßnahmen
    • Systematische mentale und praktische Vorbereitung auf die altersgerechte eigene Bewältigung des Schulwegs, etwa durch Spielangebote[8], durch das Karlsruher 12-Schritte-Programm[9] im Vorschulalter, durch den Erwerb des Fußgängerdiploms[10][11] mit der Einschulung und durch die Organisation einer Radfahrprüfung im dritten/vierten Schuljahr.
    • Überzeugung der Kinder von ihren eigenen verkehrstechnischen Fertigkeiten (Aufbau von begründetem Selbstbewusstsein des bewiesenen Könnens)
    • Vermittlung von Freude an der selbstständigen und selbstverantworteten Bewältigung des Schulwegs (Reifestatus, durch das Fußgänger- und Radfahrerzeugnis dokumentiert)
    • Bevorzugte Stellplätze für „geprüfte Radfahrer“, wenn sich das Fahrverbot mangels Kooperation der Eltern für ungeprüfte Radfahrer nicht durchsetzen lässt.

Verantwortliche Stellen

Siehe auch

Literatur

  • S.A. Warwitz: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen-Spielen-Denken-Handeln. 6. Auflage, Baltmannsweiler 2009, ISBN 978-3-8340-0563-2.
  • M. Limbourg: Kinder unterwegs im Verkehr. Risiken und Gefahren auf Kinderwegen. In: Sache-Wort-Zahl 47 (2002), S. 9–16
  • R. Streyhammer: Die Schule steht vor der Tür … Lehrhilfe. Wien 2007.
  • S.A. Warwitz: Wir schaffen uns selbst ein Schulwegspiel. Erstklässler in einem fächerübergreifenden Projekt. In: Sache-Wort-Zahl 30 (2002), S. 23–27.
  • S.A. Warwitz: Kinder im Problemfeld Schul-Rushhour. In: Sache-Wort-Zahl 86 (2007), S. 52–60.
  • P. Spitta: Laufend lernen. Der Schulweg in der ersten Klasse. In: Sache-Wort-Zahl 30 (2002), S. 17–22.
  • M.A. Haller: Verkehrserziehung im Vorschulalter als Vorbereitung auf den Schulweg nach dem Karlsruher 12-Schritte-Programm. Wiss. Staatsexamensarbeit GHS, Karlsruhe 2001.
  • P. Wegener: Die Methode ‚Fußgängerdiplom’ als didaktisches Konzept zur Verkehrsertüchtigung des Schulanfängers. Wiss. Staatsexamensarbeit GHS Karlsruhe 1999.
  • S.A. Warwitz: Sind Verkehrsunfälle ‚tragische’ Zufälle ? In: Sache-Wort-Zahl 102 (2009), S. 42–50 und 64.

Einzelnachweise

  1. a b c d S.A. Warwitz: Kinder im Problemfeld Schul-Rushhour. In: Sache-Wort-Zahl 86 (2007), S. 52–60
  2. M. Limbourg: Kinder unterwegs im Verkehr. Risiken und Gefahren auf Kinderwegen. In: Sache-Wort-Zahl 47 (2002), S. 9–16
  3. a b P. Spitta: Laufend lernen. Der Schulweg in der ersten Klasse. In: Sache-Wort-Zahl 30 (2002), S. 17–22
  4. Macht mit! Ohne Elterntaxi zu Fuß zur Schule. Aktionstag am 22.9., Hamburger Abendblatt (abgerufen am 11. Mai 2008)
  5. S.A. Warwitz: Sind Verkehrsunfälle ‚tragische’ Zufälle ? In: Sache-Wort-Zahl 102 (2009), S. 42–50 und 64
  6. R. Streyhammer: Die Schule steht vor der Tür … Lehrhilfe, Wien 2007
  7. S.A. Warwitz: Der Weg zum ersten Alleingang. In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Baltmannsweiler, 6. Auflage 2009, S. 190–215
  8. S.A. Warwitz: Das Schulwegspiel. In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Baltmannsweiler, 6. Auflage 2009, S. 216–221
  9. C. Schneider: Das Karlsruher 12-Schritte-Programm. Praktische Überprüfung einer Methode zum sicheren Fußgänger. Wiss. Staatsexamensarbeit GHS, Karlsruhe 2002
  10. S.A. Warwitz: Das Fußgängerdiplom. In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Baltmannsweiler, 6. Auflage 2009, S. 221–251
  11. P. Wegener: Die Methode ‚Fußgängerdiplom’ als didaktisches Konzept zur Verkehrsertüchtigung des Schulanfängers. Wiss. Staatsexamensarbeit GHS Karlsruhe 1999