Schreibweise biblischer Namen im Deutschen

Die Schreibweise biblischer Namen hat sich im deutschsprachigen Raum innerhalb der unterschiedlichen Konfessionen anhand unterschiedlicher Vorlagen entwickelt. Erst in den 1960er-Jahren begann die Arbeit an einer einheitlichen Namensgebung. Heute orientieren sich Kirchen, Verlage, wissenschaftliche Einrichtungen und Bibliotheken für die Orts- und Eigennamen der christlichen Bibel am Ökumenischen Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien (ÖVBE). Die althergebrachten, teils aus der griechisch-lateinischen Tradition, teils aus der Lutherbibel stammenden Bezeichnungen bestimmen aber vielerorts weiter den Alltag.

Entwicklung der Schreibweise

Griechische und lateinische Vorbilder

Die griechische Septuaginta hat, soweit sie hebräische Namen nicht übersetzt hat, öfters griechische Endungen an sie angefügt. Die hebräischen Konsonanten hat sie weitgehend einheitlich transkribiert. In der Regel gilt:

  • Die meisten Kehllaute (אʾ, הh, ח und עʿ) werden weggelassen; חChet wird gelegentlich auch zu χch, עAjin wird zu Gamma
  • Alle stimmlosen s- und sch-Laute (סs, צ, שׂś, שׁš) werden zu σs; זz wird zu ζds
  • טt wird zu τt und תt zu θth
  • פph (ohne Dagesch) wird zu φph, פּp (mit Dagesch) wird zu πp; ב und בּb werden zu βb; כ und כּk werden zu χch; und קq wird zu κk
  • Ein konsonantisches יj bzw. וw werden meist zu ιi bzw. υy
  • Die restlichen Konsonanten (גg, דd, לl, מm, נn, רr) haben direkte griechische Entsprechungen (γg, δd, λl, μm, νn, ρr)

Das griechische Neue Testament übernimmt meist die Schreibungen aus der Septuaginta. Neu dort auftauchende Namen hebräischen und aramäischen Ursprungs werden nicht immer nach diesen Regeln transkribiert (z. B. Kephas und Kafarnaum mit κKappa trotz כKaph im hebr./aram. Wort).

Die Vulgata übernimmt weitgehend die griechische Schreibweise unter Verwendung von -z- für ζZeta, -c- (selten auch -ch-) für κKappa, -ch- (manchmal auch -c-) für χchi, -th- für θTheta und -ph- für φPhi. Sie fügt im Griechischen weggelassenes hebräisches חChet, עAjin, הHe oder אAleph gelegentlich als -h- wieder ein, sehr oft aber auch nicht (Bethleem, Naum, Baal, Chanaan). Außerdem wird h- häufig Namen vorangestellt, die im Hebräischen und Griechischen mit יJod bzw. ιIota beginnen. Hier sind einige Beispiele[1] von Schreibungen mit -h- (vor dem Doppelpunkt die übliche deutsche Schreibung):

  • Abraham: Abraham < ΑβρααμAbraam < אַבְרָהָםʾavrāhām
  • Kedor-Laomer: Chodorlahomor < ΧοδολλογομορChodollogomor < כְּדָרְלָעֹמֶרkədårlāʿōmær
  • Israel: Israhel < ΙσραηλIsraēl < יִשְׂרָאֵלjiśrāʾēl
  • Eva: Hava < ΕυαEua < חַוָּהḥawwāh
  • Hebron: Hebron < ΧεβρωνChebrōn < חֶבְרוֹןḥæwrōn
  • Jeremia: Hieremias < ΙερεμιαςIeremias < יִרְמְיָהjirməjāh
  • Ezechiel: Hiezecihel < ΙεζεκιηλIezekiēl < יְחֶזְקֵאלjəḥæskēʾl
  • Jehu: Hieu < ΙουIu < יֵהוּאjēhūʾ

Eine genauere Darstellung unter Einschluss der Vokale findet sich bei Könnecke[2] für die Septuaginta und bei Krašovec[3] auch für die Vulgata.

Katholisch

In der katholischen Kirche galten für die alt- und neutestamentlichen Namen meist die einheitlichen altgriechischen oder lateinischen Formen der Septuaginta und Vulgata. Eine Unterscheidung von gleichen Namen zwischen Altem Testament (hebräische und griechische Quelltexte) und Neuem Testament (griechische Quelltexte) gab es nicht. 1962 beschlossen die deutschen katholischen Bischöfe eine Übersetzung der Heiligen Schrift für den kirchlichen Gebrauch (aus diesem Vorhaben entwickelte sich später die Einheitsübersetzung). Für das Neue Testament wurde bis Ende 1963 eine Schreibweise der biblischen Namen entwickelt und bis 1966 überarbeitet.

Evangelisch

Dagegen folgte der evangelische Bereich Martin Luther, der in seiner Bibelübersetzung auf die hebräische und für das Neue Testament auf die griechische Originallautung zurückgriff und sie zu transkribieren versuchte. Dadurch kam es zu unterschiedlichen Schreibweisen der Namen im Alten und Neuen Testament. Einige der von Martin Luther gewählten Schreibweisen wurden in den sogenannten „Buchdrucker-Revisionen“ verändert, d. h. in den im Laufe der Jahrhunderte aus privater Initiative von Buchdruckern vorgenommenen Revisionen des Luthertextes.[4] So wurde z. B. aus „Ebräer“ „Hebräer“, siehe Gen 40,15 . Veränderungen erfolgten auch durch die drei kirchenamtlichen Revisionen: die erste 1892, die zweite 1912 und die dritte kirchenamtliche Revision 1956 (NT), 1964 (AT) und 1970 (Spätschriften). Da die Revision des NT vor der des AT geschah, wurden die griechischen Transkriptionen für das AT übernommen.[5]

Bei den Revisionen wurde darauf geachtet, die Namen an deutsche Sprechgewohnheiten anzupassen. Daher ist auch hier beispielsweise bei bekannten Namen das hebräische „sch“ durch „s“ ersetzt, wie bei „Mose“ statt „Mosche“. Ferner erscheint anstelle des Frikativs (Reibelauts) „v“ der entsprechenden Plosiv (Verschlusslaut) „b“, wie bei „Abraham“ statt „Avraham“ analog zum griechischen Vorbild.

Ökumenische Schreibweise

Loccumer Richtlinien

1966 beschlossen die Deutsche Bischofskonferenz, der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und das damalige Evangelische Bibelwerk, wichtige biblische Texte gemeinsam herauszubringen. Die zu diesem Zweck berufene Übersetzerkommission beauftragte daraufhin Pastor Klaus Dietrich Fricke und Pater Benedikt Schwank OSB, Richtlinien für die Schreibweise der biblischen Eigennamen zu erstellen, die sich an den von katholischer und evangelischer Seite bereits in den Vorjahren erarbeiteten Grundsätzen und Regeln orientierten. Deren Vorschläge wurden im Juli 1967 im Kloster Loccum von der Kommission angenommen und in den Folgemonaten von der Übersetzerkommission der Einheitsübersetzung und der Mitgliederversammlung des Evangelischen Bibelwerks akzeptiert. In den folgenden drei Jahren wurden diese Richtlinien bei der Übersetzungsarbeit verwendet und – wo notwendig – modifiziert. 1970 wurde die überarbeitete Fassung abgeschlossen und in Braunshardt verabschiedet. Im gleichen Jahr stimmten die Deutsche Bischofskonferenz, der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und das Evangelische Bibelwerk dieser Fassung zu. Im Jahr darauf (1971) erschien die umfangreiche Erstveröffentlichung des Ökumenischen Verzeichnisses der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien (ÖVBE). Das Namensverzeichnis stellt in sechs Spalten nebeneinander die „Verbindliche Schreibweise“, die hebräische und/oder griechische „Vorlage“, „Ausgewählte Stellenangaben“, „Zu vermeidende Schreibweisen“, die Schreibweise der „Lutherbibel“ bzw. der „Vulgata“ sowie weitere „Bemerkungen“. So ist es möglich, die Entscheidung für die verbindliche Schreibweise nachzuvollziehen. Nach weiteren kleineren Änderungen 1976 und 1979 wurde schließlich 1979 die heute gültige Fassung der Richtlinien und des ÖVBE beschlossen. Die 1981 veröffentlichte, von Joachim Lange im Auftrag der Ökumenischen Revisionskommission neu bearbeitete 2. Auflage ist erheblich kürzer als die erste Fassung und enthält z. B. nicht die hebräische und griechische Schreibweise der biblischen Namen.

Die Loccumer Richtlinien enthalten auch eine Liste empfohlener Schreibweisen für die Namen der biblischen Bücher und für deren Abkürzungen. Diese haben sich in der Praxis weitgehend durchgesetzt.

Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen

Das ÖVBE orientiert sich an den Loccumer Richtlinien. Die Transkriptionsvorgaben wurden allerdings nicht bei allen Namen konsequent angewendet, um beispielsweise gewohnte Namen wie Betlehem (nach den Loccumer Richtlinien wäre die Schreibweise Bet-Lehem) nicht zu verändern. So wurde 1978 auf Antrag der evangelischen Seite bei der Schlusssitzung der Ökumenischen Kommission für die Revision des Neuen Testaments der Einheitsübersetzung beschlossen, in neun Fällen die Schreibweise der revidierten Lutherübersetzung in die revidierte Fassung der Einheitsübersetzung zu übernehmen. In diesen Bibelübersetzungen werden entgegen den Loccumer Richtlinien neun Namen mit „th“ bzw. mit „ph“ statt mit „t“ bzw. „f“ geschrieben: Alphäus, Arimathäa, Bartholomäus, Kajaphas, Kephas, Matthäus, Matthias, Thaddäus und Thomas. Das ÖVBE verzeichnet jedoch auch die Schreibweisen mit „t“ bzw. mit „f“ als richtig.

Genau genommen spricht man also nicht von den Loccumer Richtlinien, die in den Bibelübersetzungen Anwendung finden sollen, sondern vom ÖVBE.

Anwendung

Das ÖVBE wird in der Einheitsübersetzung und der Gute Nachricht Bibel angewendet. Auch in der Lutherbibel von 1984 werden in weiten Teilen die Richtlinien angewendet, allerdings gibt es auch eine Liste mit etwa 150 Ausnahmen.

Problematik

Das ÖVBE kommt der hebräischen Schreibweise der Namen und Orte in vielen Fällen näher, während es sich von den griechischen Formen des Neuen Testaments und den daraus entwickelten lateinischen Formen meist weiter entfernt. Alle ÖVBE-Formen sind Kompromisse zwischen den traditionellen (konfessionell unterschiedlichen) Schreib- und Lesegewohnheiten, den hebräischen, aramäischen und griechischen Schreib- und Aussprachevarianten sowie dem deutschen Schriftzeichen- und Lautbestand.

Beispielliste

Tabelle der Schreibweisen biblischer Namen
ÖVBEkatholischevangelischHebräische FormGriechische Form (NT/LXX)
BetlehemBethlehemBethlehemבֵּית לֶחֶם (bêṯ leḥem)Βηθλέεμ (Bēthléem)
ElijaEliasEliaאֵלִיָּהוּ (’ēliyyā́hû), אֵלִיָּה (’ēliyyāh)Ἠλίας (Ēlías)
ElischaElisäusElisaאֱלִישָׁע (’ĕlîšā‘)Ἐλισαῖος (Elisaîos)
GennesaretGenesarethGenezarethכִּנֶּרֶת (kinnereṯ)Γεννησαρέτ (Gennēsarét)
GetsemaniGethsemaniGethsemaneגַּת שְׁמָנִים (gaṯ šəmānîm)Γεθσημανί (Gethsēmaní)
GolgotaGolgothaGolgathaגּוֹלְגּוֹלְתָא (aram.) (gôlgôlṯā’)Γολγοθᾶ (Golgothâ)
EzechielEzechielHesekielיְחֶזְקֵאל (yəḥezqêl)Ιεζεκιηλ (Iezekiēl; LXX)
JesajaIsaiasJesajaיְשַׁעְיָהוּ (yəša‘yā́hû)Ἠσαΐας (Ēsaḯas)
JeremiaJeremiasJeremiaיִרְמְיָהוּ (yirməyā́hû), יִרְמְיָה (yirməyāh)Ἰερεμίας (Ieremías)
IsaiJesseIsaiיִשַׁי (yišay)Ἰεσσαί (Iessaí)
IjobJobHiobאִיּוֹב (’iyyôḇ)Ἰώβ (Iṓb)
JonaJonasJonaיוֹנָה (yônāh)Ἰωνᾶς (Iōnâs)
JonatanJonathanJonathan
(Lutherbibel 2017: Jonatan)
יְהוֹנָתָן (yəhônāṯān), יוֹנָתָן (yônāṯān)Ιωναθαν (Iōnathan; LXX)
JoschijaJosiasJosiaיֹאשִׁיָּהוּ (yôšiyyā́hû)Ἰωσίας (Iōsías)
KafarnaumKapharnaumKapernaumכְּפַר נָחוּם (kəp̄ar nāḥûm)Καφαρναούμ (Kapharnaoúm)
MoseMosesMoseמֹשֶׁה (mōšeh)Μωϋσῆς (Mōÿsē̂s)
NazaretNazarethNazarethנַצֶּרֶת (naṣṣereṯ)Ναζαρέτ (Nazarét)
NoachNoeNoahנֹחַ (nṓaḥ)Νῶε (Nō̂e)
PaschaPaschaPassah
(Lutherbibel 2017: Passa)
פֶּסַח (pesaḥ)
פַּסְחָא (aram., pasḥā’)
πάσχα (páscha)
ZebaotSabaothZebaothצְבָאוֹת (ṣəḇā’ôṯ)σαβαώθ (sabaṓth)
ZionSionZionצִיּוֹן (ṣiyyôn)Σιών (Siṓn)
Sacharja (AT), Zacharias (NT)Zacharias (AT/NT)Sacharja (AT), Zacharias (NT)זְכַרְיָה (zəḵaryāh)Ζαχαρίας (Zacharías)
JosuaJosuaJosuaיְהוֹשֻׁעַ (Jehoschua)Ἰησοῦς (Iēsûs)

Zu den üblichen Abkürzungen der Bücher siehe Bücher der Bibel.

Perspektiven

Die Revision der Lutherbibel hatte sich dem ÖVBE nicht wieder angenähert; als Vorsitzender des Lenkungsausschusses erklärte Altbischof Christoph Kähler bei einer Veranstaltung des Katholischen Bibelwerks 2017 dazu: „Nach über 40 Jahren gibt es aber offene Probleme, die ökumenisch gelöst werden sollten: Es gibt unsinnige Schreibweisen nach Loccum (Seleuzia für Seleukeia), uneinheitliche Schreibweisen ‚nach Loccum‘ und alte Formen, Konjekturen oder Einzellösungen ohne Loccum. Vorschlag: Eine ökumenische Arbeitsgruppe aktualisiert ‚Loccum‘ und erstellt auch eine gemeinsame Datenbank im Internet für Interessierte.“[6]

Siehe auch

Literatur

  • Hellmut Haug (Hrsg.): Namen und Orte der Bibel. Mit den „Loccumer Richtlinien“ zur Schreibung der biblischen Eigennamen im Anhang. Dt. Bibelges., Stuttgart 2002, ISBN 3-438-06208-9.
  • Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien. Hrsg. von den Deutschen Bischöfen, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Evangelischen Bibelwerk. 1. Auflage. erarbeitet nach den Weisungen der Ökumenischen Übersetzerkommission von Klaus Dietrich Fricke und Benedikt Schwank. Stuttgart 1971, ISBN 3-920609-09-3.
  • Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien. Hrsg. von den katholischen Bischöfen Deutschlands, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft – Evangelisches Bibelwerk. 2. Auflage. im Auftrag der Ökumenischen Revisionskommission neu bearbeitet von Joachim Lange. Stuttgart 1981, ISBN 3-438-06009-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Beispiele verwenden für die Septuaginta und die Vulgata die Schreibungen, wie sie auf der Webseite Blue Letter Bible veröffentlicht sind. Man findet aber auch abweichende modernisierte Schreibungen, z. B. auf dem Webserver bibleserver.com.
  2. Clemens Könnecke: Die Behandlung der hebräischen Namen in der Septuaginta. in: Programm des Königlichen und Gröning’schen Gymnasiums zu Stargard in Pommern, Stargard 1885. Online PDF (1863 kB)
  3. Jože Krašovec: Phonetic Factors in Transliteration of Biblical Proper Names into Greek and Latin. In: Textus: Studies of the Hebrew University Bible Project. Band 24, 2009, ISSN 0082-3767, S. 15–36 (englisch, PDF [abgerufen am 5. April 2018]).
  4. Zu den „Buchdrucker-Revisionen“: Christian Zippert: Meine Liebesgeschichte mit der Lutherbibel. In: Evangelische Verantwortung, Jg. 1985, Heft 1, S. 1–2, hier S. 1.
  5. Joachim Lange (Bearb.): Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien. Deutsche Bibelgesellschaft und Katholisches Bibelwerk, Stuttgart, 2. Aufl. 1981, S. 13–31.
  6. Christoph Kähler: Zur Revision der Lutherbibel 2017. (PDF) 9. Februar 2017, abgerufen am 5. August 2022.