Schrei in der Stille

Film
Deutscher TitelSchrei in der Stille/Reflecting Skin (Neuauflage)
OriginaltitelReflecting Skin
ProduktionslandGroßbritannien, Kanada
OriginalspracheEnglisch
Erscheinungsjahr1990
Länge95 Minuten
AltersfreigabeFSK 16
Stab
RegiePhilip Ridley
DrehbuchPhilip Ridley
ProduktionDominic Anciano
MusikNick Bicat
KameraDick Pope
SchnittScott Thomas
Besetzung

Der Spielfilm Schrei in der Stille von Philip Ridley aus dem Jahr 1990 erzählt das ländliche Leben der 1950er-Jahre in Idaho, USA, aus der Sicht des neunjährigen Seth. Sein Vater führt eine Tankstelle. Nachdem er seinem Sohn von der Existenz von Vampiren erzählt hat, ist der Junge überzeugt, dass es sich bei der Witwe Dolphin Blue aus dem Nachbarhaus um einen Vampir handelt. Als sein Bruder Cameron aus dem Koreakrieg nach Hause kommt, versucht Seth ihn davon abzuhalten, Dolphin zu sehen. Seth muss zurechtkommen mit einer herrschsüchtigen, zänkischen Mutter, einem sehr schwachen, wenn auch sanften Vater mit homosexuellen Neigungen und den Wirren der Vorpubertät. In Deutschland erschien der Film zunächst unter dem Verleihtitel „Schrei in der Stille“, die Neuauflage vom 6. November 2009 wurde dann auch dort unter dem Originaltitel „The Reflecting Skin“ auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.

Handlung

Der Film beginnt vorerst in idyllischer Umgebung. Seth Dove und seine beiden Freunde Eben (Codie Lucas Wilbee) und Kim (Evan Hall) wandern durch goldene Weizenfelder und bewundern einen soeben gefundenen großen Frosch. In ihrer kindlichen Unschuld nehmen die Jungen einen Strohhalm, um den Frosch aufzublasen, legen diesen auf den Rücken in die Mitte des Weges. Als sich Dolphin Blue, die Nachbarin der Familie Dove, nähert, schießen sie auf ihn mit einer Steinschleuder, Dolphin über und über mit seinem Blut bespritzend.

„Frösche explodieren lassen“ nennen sie dieses Spiel, das sie nicht zum ersten Mal gespielt haben. Ihnen ist nicht bewusst, was sie eigentlich angestellt haben, wie sinnlos grausam sie das Tier behandelten.

Seth lebt mit seinen Eltern in einem kleinen Haus mit einer schäbigen Tankstelle davor. Seine Mutter ist eine äußerst neurotische Person, die sich ständig über den Mann und seinen Benzingeruch beschwert, ständig an diesem schwachen, ruhigen Menschen herummäkelt, obwohl doch sie selber ihn überhaupt erst dazu gebracht hat, die Tankstelle zu eröffnen. Luke Dove selber wäre viel lieber Imker geworden. Als sich Dolphin Blue bei der Mutter über die Missetat mit dem Frosch beschwert, zwingt diese ihren Sohn, zur Strafe eine Gallone Wasser zu trinken. Dann schickt sie Seth zum Entschuldigen zur Nachbarin hinüber, die allerdings weniger verärgert gewesen ist über den toten Frosch als darüber, dass das Kleid hätte ruiniert sein können. Die seltsame Frau erzählt ihm nun nicht nur von ihrer britischen Heimat, wo sie in ihrer Kindheit Katzen Knallkörper an den Schwanz gebunden hat, sondern auch von ihrer kurzen Ehe und dem Selbstmord ihres Gatten durch Erhängen. Sie zeigt ihm auch ein Kistchen mit Erinnerungen an ihn, wie einen Zahn und auch Haare sowie ein Fläschchen, an dem sie begierig schnuppert – es sei sein Geruch. Als sie ihm, nach Schätzung ihres Alters auf 50 Jahre, auch noch „gesteht“, sie sei in Wirklichkeit bereits 200, bestätigt dies nur seine Überzeugung, dass sie tatsächlich ein Vampir sei.

Ein schwarzer Cadillac fährt durch die idyllisch wirkende Gegend, mit vier Männern (Jason Wolfe, Dean Hass, Guy Buller, Jason Brownlow) darin, die bei der Tankstelle der Doves halten. Seth bedient sie, während sein Vater vorm Haus wieder in einem seiner geliebten Horror-Groschenromane liest. Die jungen Männer wirken vom Aussehen eher schmierig, haben aber ausgezeichnete Manieren. Der Fahrer beobachtet Seth im Rückspiegel bei der Arbeit, erfragt dann seinen Namen und meint, dass er ihn bald wiedersehen würde, nachdem er ihm auf eigenartige, um nicht zu sagen pädophile Art und Weise über das Gesicht gestrichen hat.

Sehnsüchtig erwartet indessen Mutter Ruth Dove die Rückkehr des älteren Sohns Cameron, der im Koreakrieg kämpft, und sehnt seine Heimkehr mit beinahe inzestuös anmutender Besessenheit herbei.

In der Zwischenzeit wird Eben, einer der beiden Freunde Seths, im Hausbrunnen der Doves von Seth, als er für seinen Vater einen Becher Wasser holt, ermordet aufgefunden.

Sheriff Ticker (Robert Koons) schickt seinen Gehilfen (David Bloom) zu den Doves, die verhört werden. Als dieser Andeutungen hinsichtlich der Vergangenheit von Vater Dove macht, schickt die Mutter den Jungen Seth aufs Zimmer, dieser lauscht jedoch und hört mit, wie der Deputy darauf anspielt, ob sie damals so früh und schnell geheiratet hätten, damit Frau Dove seinen guten Ruf rettet. Vater Dove war erwischt worden, wie er in einer Scheune einen Jungen geküsst habe. Empört weist Ruth dies zurück, dieser sei schließlich kein Kind und 17 gewesen.

Der Vater ist verzweifelt, geht später nach draußen, trinkt erst Benzin, übergießt sich dann damit und zündet sich an – vor den Augen seines Sohnes, der nur ein entsetztes „Papa“ von sich gibt und mit weit aufgerissenen Augen zusieht.

Aufgrund dieser Ereignisse kommt der erwachsene Sohn, Cameron, vorzeitig nach Hause. Auf dem Friedhof treffen er und Seth erst auf den Sheriff, der den Jungen zur Seite nimmt und befragt, ob sein Vater irgendwann einmal pädophile Handlungen an ihm vorgenommen habe. Cameron trifft indessen auf Blue und spricht diese an. Die beiden einsamen Menschen verlieben sich ineinander.

Derweil entdeckt Seth gemeinsam mit Kim eine Totgeburt in einer abgelegenen Scheune und denkt, es handele sich dabei um den flügellosen Engel des ermordeten Eben. Nach einem kurzen Streit, wer ihn behalten dürfe, stößt Seth Kim von sich und nimmt die Totgeburt mit nach Hause, wo er sie im Laufe der Tage zu Rate zieht, was er unternehmen kann, um seinen Bruder vor Dolphin Blue zu beschützen.

Später muss Seth aus einiger Entfernung mitansehen, wie die vier Männer im Cadillac seinen Freund Kim in ihr Auto zerren und mit ihm wegfahren. Kurz darauf wird Kim tot aufgefunden. Kims Mutter beschuldigt Seth, als dieser zu ihrem Haus kommt, mehr über den Mord zu wissen, und zwingt ihn, immer wieder zu sagen, dass er sündig sei. Auch der anwesende Sheriff hat den Verdacht, dass der knapp Neunjährige mehr weiß, als er zugibt.

Seth hat Angst, dass Blue, mit der sein Bruder nun zusammen ist und mit der er gemeinsam fortgehen will, seinen Bruder ermorden will, da sie seiner Meinung nach ja ein Vampir ist. Ihn beunruhigt, dass sein Bruder anscheinend zu viele Haare verliert und auch einiges an Gewicht verloren hat, seit er heimgekommen ist (möglicherweise im Zusammenhang stehend mit den Atombombentests, denen er beiwohnen musste). Er verdrängt, dass sie mit dem Tod seiner Freunde nichts zu tun hat, nichts zu tun haben kann. Bei der Entführung von Kim war ja Cameron bei ihr im Haus. Dies hatte Seth gesehen, als er sich in ihr Haus einschlich, und war davongelaufen. Im Innersten hofft er, dass sie das nächste Opfer sein würde. Und kurz darauf trifft er tatsächlich auf Dolphin, diesmal nicht in dunkler Kleidung, sondern ganz hell angezogen, am Wegrand stehend. Sie erzählt ihm, dass sie auf ein Auto warte und in die Stadt wolle. „Unschuld kann die Hölle sein“, sagt sie zu Seth. Der Cadillac kommt vorbei und die Männer bleiben vor den beiden stehen. Der Fahrer fragt Seth, ob er mitfahren wolle, und dieser lehnt ab, ein anderes Mal, heute nicht. Die Nachbarin fragt die Männer, ob sie sie mitnehmen würden, und steigt lächelnd ein.

Cameron und Seth sehen später vom Haus aus mehrere Leute aus dem Dorf und auch die Polizei herumstehen. Cameron läuft hin und Seth hinterher. Als Cameron Dolphin tot auf dem Boden liegen sieht, bricht er weinend über ihrem Leichnam zusammen.

Dem Jungen wird nun wohl erst bewusst, was er angestellt und seinem Bruder angetan hat, und er läuft davon durch die Weizenfelder, bis er schließlich stehen bleibt und sich seinen Schmerz und seine Verzweiflung von der Seele schreit. Und damit endet auch der Film.

Der englische Titel bezieht sich auf die Atombombenversuche, denen Cameron beigewohnt hat, und eines der drei Fotos, die er immer bei sich in der Brieftasche mitträgt und eines Tages Seth zeigt (die anderen beiden Bilder stellen ein blondes, ihm unbekanntes Pin-up dar und ein Foto von ihm mit Seth). Es ist darauf ein verstrahltes Baby mit silbern verfärbter Haut zu sehen, in dessen Gesicht man sich spiegeln kann und das eine morbide Anziehungskraft und Faszination auf Cameron ausübt.

Kritiken

  • Laut Steve Davis vom Austin Chronicle ist es ein Film mit atemberaubendem blauen Himmel und Van-Gogh-goldenen Weizenfeldern. Der Film erinnere an David LynchsBlue Velvet“ oder an „Twin Peaks“.
  • Chris Hicks von den Desert News meint, dass eine Sache sicher sei, der Filmmacher Philip Ridley habe zu viele David-Lynch-Filme gesehen. Schrei in der Stille sei wie „Twin Peaks“ vom Gesichtspunkt eines Kindes her betrachtet, vergleichbar auch die goldenen Weizenfelder mit einem Andrew-Wyeth-Gemälde.
  • Jury der Evangelischen Filmarbeit: „Ridleys symbolträchtiger Film setzt die klaustrophobische Enge der sozialen Beziehungen und die unendliche Weite, in der seine Figuren sich mit Obsessionen eingenistet haben, in ein beklemmendes Spannungsfeld. […] Die Perspektive des Kindes hält so wenig Trost bereit wie die Natur, deren Schönheit keine utopischen Möglichkeiten verheißt […]. Wie in van Goghs lodernden Kornfeldern verlieren sich die Wege im Nichts – keiner führt ins Freie.“ – Film des Monats Juni 1991 [1]
  • Ronald Kruschak in „Das große Film-Lexikon: alle Top-Filme von A–Z“: „Mochte Ridleys neurotisch-fatalistische Weltsicht einem großen Publikum auch nicht schmecken, die Kritik zeigte sich vom düsteren Werk des ehemaligen Malers zutiefst beeindruckt.“ [2]
  • Michael W. Phillips, jr. schrieb in den Goatdog’s Movies ebenfalls, dass Philip Ridley anscheinend zu viele Lynch-Aufnahmen gesehen habe, und er scheine eine Vorliebe für das Groteske und Makabre zu haben, einfache Leute mit außergewöhnlichen Situationen konfrontierend. Allerdings sei der Unterschied zu Lynch, dass bei diesem das Verhalten der handelnden Charaktere weniger vorhersehbar sei. In Schrei in der Stille benehme sich niemand wie ein normaler Mensch und der Zuschauer fühle sich wie in einer Freakshow. Von den Aufnahmen her sei der Film überwältigend.
  • Lexikon des internationalen Films: „Ein bildgewaltiges, in seinen Schockmomenten wie in der Farbdramaturgie ausgeklügeltes, manchmal allzu effektverliebt und symbolträchtig geratenes Filmdebüt, das der einförmigen Landschaft eine unwirkliche Schönheit abgewinnt.“[3]
  • Vincent Canby, The New York Times, 28. Juni 1991: „[…] größtenteils prätentiöser Nonsens.“
  • Die Zeitschrift TV Spielfilm bezeichnet den Film als „surrealen Bilderbogen des Bösen“.

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. Online-Ressource (Memento des Originals vom 28. September 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gep.de, abgerufen am 5. Mai 2007.
  2. Ronald Kruschak (rk) in: Dirk Manthey, Jörg Altendorf, Willy Loderhose (Hrsg.): Das große Film-Lexikon. Alle Top-Filme von A–Z. Zweite Auflage, überarbeitete und erweiterte Neuausgabe. Band V. Verlagsgruppe Milchstraße, Hamburg 1995, ISBN 3-89324-126-4, S. 2439.
  3. Schrei in der Stille. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 1. Februar 2017.Vorlage:LdiF/Wartung/Zugriff verwendet 

Weblinks