Schlauchreifen
Schlauchreifen (Schweiz: Collé oder auch Tubolare) sind eine Bauart des Fahrradreifens, bei der, anders als bei den allgemein üblichen Drahtreifen, der Reifenmantel zu einer geschlossenen Hülle vernäht ist, in dessen Inneren der eigentliche Schlauch aus Gummi oder Latex liegt. Schlauchreifen werden vorwiegend im Straßenradsport, bei Querfeldein-Rennen, im Bahnradsport sowie bei Saalsportdisziplinen (Kunstradfahren, Radball, Radpolo und zum Beispiel beim Rollstuhlbasketball) verwendet. Für die Straße hergestellte Schlauchreifen werden mit Breiten von 18 bis 30 mm angeboten, deren Masse liegt zwischen 140 und 370 Gramm.
Aufbau
Der Mantel eines Schlauchreifens besteht aus zwei bis drei Lagen von gummiertem Baumwoll- oder Nylongewebe, der Karkasse, auf der Lauffläche griffig gemacht durch eine Gummiauflage, den Protektor, häufig auch verstärkt durch ein bis zwei Gewebestreifen darunter. Auf der Innenseite ist der Mantel vernäht. Diese Naht wird mit einem dünnen, aufgeklebten textilen Nahtband geschützt.
Montage und Reparatur
Schlauchreifen benötigen Felgen, die eine konkave Außenfläche (das Felgenbett) besitzen, aber keine Felgenhörner. Schlauchreifenfelgen können besonders leicht und stabil konstruiert werden. Bis in die 1950er Jahre waren Felgen aus Hickoryholz verbreitet, sie waren zwar leichter als damalige Aluminiumfelgen, die meist auf einem Holzkern basierten, aber aufwendiger in der Herstellung und hielten Nässe nur bedingt stand. Zuletzt fanden Holzfelgen noch bei Bahnrädern und im Straßenrennsport bei manchen Bergetappen Verwendung. Moderne Felgen aus Kohlenstofffaser werden meist als Schlauchreifenfelge konstruiert, was zu einer Renaissance der Schlauchreifen geführt hat.
Um Schlauchreifen auf der Felge zu halten, müssen sie aufgeklebt werden. Vor allem im Bahnradsport wurde dazu früher oft ein Kleber auf Schellackbasis verwendet,[1] heute verwendet man dazu zähflüssigen Klebstoff (im Radrennfahrerjargon als „Reifenkitt“ bezeichnet), oder Felgenklebeband. Klebeband ist im Renneinsatz nicht gestattet.
Bei Defekten wird der Reifen zunächst von der Felge gezogen. Oftmals klebt der an der Felgen haftende Reifenkitt noch ausreichend, sodass der Ersatzreifen lediglich auf das Felgenbett gedrückt und aufgepumpt werden muss. Falls nicht, sollte die Felge mittels Schmirgelpapier und/oder Benzin komplett von Kleberresten und Schmutz befreit werden. Anschließend werden je nach Art des Klebers eine oder mehrere Lagen davon mit einem Pinsel aufgetragen. Zum Schluss wird der leicht aufgepumpte Schlauchreifen an seiner Nahtversiegelung ebenfalls mit Kleber benetzt und möglichst ohne Verdrehungen auf die Felge gespannt.[2]
Vor- und Nachteile – Alternativen
Die Hauptvorteile sind geringere Masse und geringerer Rollwiderstand. Durch den Wegfall der bei Drahtreifen erforderlichen Felgenhörner sind auch deutlich leichtere Felgen möglich, beispielsweise aus Vollcarbon. Der geringere Rollwiderstand resultiert vor allem aus dem hohen Luftdruck von bis zu 15 bar beim Bahnradsport, der durch die Bauart des Schlauchreifens möglich ist.
Im Querfeldeinsport nutzt man die konstruktiven Vorteile von Schlauchreifen, um mit sehr niedrigem Luftdruck (teils nur 2,5 bar) Traktionsvorteile auf weichem Untergrund zu erreichen. Ein weiterer Vorteil ist, dass Schlauchreifen bei Druckverlust nicht von der Felge springen können, was das Risiko eines Sturzes senkt.
Der Nachteil ist der erheblich größere zeitliche und finanzielle Aufwand bei einer Reifenpanne. Der Schlauchreifen muss von der Felge gelöst und ein neuer aufgeklebt werden. Die Reparatur des Schlauchs ist nicht vorgesehen, aber prinzipiell möglich, indem man den Reifen auftrennt und nach der Schlauchreparatur wieder zunäht, was allerdings nur mit einiger Übung gelingt. Aus diesem Grund sind Schlauchreifen fast nur im Profiradsport anzutreffen. Ein weiterer Nachteil ist, dass der Kleber bei sehr großer Hitze (beispielsweise durch das Bremsen bei langen Abfahrten, speziell mit Aluminiumfelgen) weich werden und dadurch sich der Reifen von der Felge lösen kann. Dann kann das Ventil abreißen, oder der Reifen springt von der Felge. Dem Radprofi Joseba Beloki passierte dies während der neunten Etappe der Tour de France 2003, als der Reifen vom Hinterrad sprang und Beloki dadurch schwer stürzte.
Seit den 1980er Jahren gibt es auch schmale Drahtreifen, die in Kombination mit Hohlkammerfelgen und Latex-Schläuchen ähnliche Fahreigenschaften bieten wie Schlauchreifen.
Einzelnachweise
- ↑ Schellack (PDF, 31 kB), auf /nati-mech.alvente.com, abgerufen am 16. Juli 2017.
- ↑ Step-by-step Schlauchreifenmontage Continental . Website Continental. Abgerufen am 12. Januar 2014.
Literatur
- Michael Gressmann, Franz Beck, Rüdiger Bellersheim: Fachkunde Fahrradtechnik. 1. Auflage, Verlag Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten, 2006, ISBN 3-8085-2291-7
- Frank Lewerenz, Martin Kaindl, Tom Linthaler: Das Rennrad Technikbuch. 1. Auflage, Pietsch Verlag, Stuttgart, 2005, ISBN 3-613-50486-3
- Jörg Urban, Jürgen Brück: Fahrradreparaturen Wartung und Pannenhilfe. 1. Auflage, Gondrom Verlag GmbH, Bindlach, 2007, ISBN 978-3-8112-2938-9
- Peter de Leuw: Fahrräder Richtig auswählen, sicher fahren. 1. Auflage, Beuth Verlag GmbH, Berlin-Wien-Zürich, 2006, ISBN 3-410-16487-1
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Fahrradfelge aus Holz mit Schlauchreifen
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Tubasti Schlauchreifenkitt