Schlacht um Charkiw (2022)

Schlacht um Charkiw
Datum24. Februar 2022 bis 14. Mai 2022
OrtCharkiw
AusgangUkrainischer Sieg
FolgenRückzug der russischen Streitkräfte aus der Region um Charkiw[1]
Konfliktparteien

Russland Russland

Ukraine Ukraine

Befehlshaber

Witali Gerassimow

Ihor Terechow


Die Schlacht um Charkiw zwischen den ukrainischen Streitkräften und den Streitkräften Russlands fand im Frühjahr 2022 um die ukrainische Stadt Charkiw statt, die eines der Hauptangriffsziele Russlands im russischen Angriff auf die Ukraine darstellte.[2] Die Schlacht endete mit einem Sieg der Ukraine nach Rückzug der russischen Streitkräfte.

Verlauf

Angriff auf die Stadt im Februar 2022

Am 24. Februar überquerten die in Belgorod versammelten russischen Truppen die Grenze und begannen ihren Vormarsch auf Charkiw mit Unterstützung russischer Artillerie, wobei sie unerwartet auf massiven ukrainischen Widerstand stießen.[3] Am 26. Februar erklärte Oleh Synjehubow, der Gouverneur der Oblast Charkiw, dass die gesamte Stadt weiter unter ukrainischer Kontrolle stehe.[4] Am frühen Morgen des 27. Februar zerstörten russische Truppen eine Gaspipeline in Charkiw.[5] Später am Morgen drangen russische Truppen in Charkiw ein und wurden in heftige Straßenkämpfe verwickelt, so das Ministerium für innere Angelegenheiten der Ukraine.[6] Gouverneur Synjehubow berichtete am späten Nachmittag desselben Tages, dass die Stadt wieder vollständig unter ukrainischer Kontrolle sei.[7]

Nach dieser Niederlage unternahmen die russischen Truppen keinen weiteren Versuch mehr, mit Bodentruppen in die Stadt vorzustoßen, sondern intensivierten die Beschießung. Am 4. März gab Human Rights Watch (HRW) bekannt, dass die russischen Streitkräfte am 28. Februar Streubomben in den Bezirken Industrialnyi, Moskovskyi und Shevchenkivskyi eingesetzt hätten. HRW wies darauf hin, dass der Einsatz von Streubomben durch das Übereinkommen über Streumunition von 2010 verboten ist und dass ihr Einsatz aufgrund der Bedrohung der Zivilbevölkerung ein Kriegsverbrechen sein könnte.[8] Am 13. Mai berichtete CNN, dass neue Beweise belegten, dass Generaloberst Alexander Alexandrowitsch Schurawljow den Einsatz von 17 Streubomben der Smertsch-Streurakete durch die 79. Raketenartillerie-Brigade gegen diese zivilen Ziele angeordnet habe. Diese Angriffe töteten mindestens drei Zivilisten.[9]

Artilleriebeschuss im März und April 2022

Ein Hochschulgebäude der Nationalen W.-N.-Karasin-Universität Charkiw nach einem Beschuss am 2. März 2022

Auch nachdem sich russische Truppen aus dem Innenstadtbereich zurückgezogen hatten, blieb es bei einer engen Umklammerung von Charkiw im Norden und Osten der Stadt, was es den russischen Kräften erlaubte, die Stadt unter beständigen Artilleriebeschuss zu nehmen. Bereits am 1. März 2022 kam es zu Schäden an einem Opernhaus, einer Konzerthalle und Verwaltungsgebäuden. Der Einschlag einer Rakete auf dem Platz der Freiheit wurde durch eine Überwachungskamera aufgezeichnet. Die Rakete beschädigte das Hauptgebäude der Regionalverwaltung stark.[10] Das slowenische Konsulat wurde dabei zerstört.[11] Am 2. März erklärte Gouverneur Synjehubow, dass in den vorangegangenen 24 Stunden mindestens 21 Menschen getötet und 112 verwundet worden seien.[12] Das Hauptquartier der Polizei von Charkiw, eine Militärakademie und die Nationale Universität von Charkiw wurden am Morgen durch russischen Beschuss beschädigt.[13]

Am 7. März gab das ukrainische Verteidigungsministerium bekannt, dass die ukrainischen Streitkräfte den russischen Generalmajor Witali Gerassimow, den stellvertretenden Kommandeur der 41. Armee, getötet hätten. Am 18. März gab es einen russischen Beschuss von Saltiwka, bei dem Borys Romantschenko getötet wurde, der während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland die Konzentrationslager Buchenwald, Peenemünde, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt hatte.[14][15] Die Stadt wurde auch nach dem Rückzug der russischen Truppen aus dem Norden der Ukraine Anfang April zunächst weiter aus der Luft und mit Artillerie bombardiert. Die BBC bekam Berichte zu hören, wonach russische Truppen mit weißen Fahnen auf Ukrainer zugekommen sein sollen und bei genügender Nähe das Feuer eröffnet hätten. Zudem, so die BBC, sei in einem Krieg mit Russland die Front „überall“, da Russland jederzeit aus der Luft mit Bomben oder Raketen angreifen könne; Russland terrorisiere die gesamte Bevölkerung, dies sei das syrische Drehbuch, so der Korrespondent Quentin Sommerville; Umzingeln, Belagern, Terrorisieren.[16]

Ukrainische Gegenoffensiven im Mai und September 2022

Den ukrainischen Streitkräften gelang es Mitte Mai 2022 in einer begrenzten Gegenoffensive, die russischen Verbände aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt zu vertreiben und die Belagerung zu beenden. Nach Einschätzung der amerikanischen Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) hatte die Ukraine somit die Schlacht um Charkiw gewonnen.[17] Die russischen Kräfte hielten jedoch weiterhin einen Geländestreifen im Norden der Region, von dem aus weiterhin sporadische Bombardierungen der Stadt und der Vororte erfolgten. Erst mit der erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensive im September 2022 konnte der Oblast Charkiw weitgehend befreit werden; russische Truppen zogen sich aus dem Norden der Stadt hinter die russische Grenze zurück, und der Großraum der Stadt Charkiw war somit erstmals seit Februar außerhalb der Reichweite der russischen Artillerie.

Weblinks

Commons: Schlacht um Charkiw – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. NZZ Die Ukraine hat die Schlacht um Charkiw vorerst gewonnen
  2. Andrew Higgins: Kharkiv, Ukraine’s second-largest city, is a major target of Russia. Here’s why. In: nytimes.com. The New York Times, 24. Februar 2022, abgerufen am 19. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  3. Isabelle Khurshudyan, Miriam Berger: Why Kharkiv, a city known for its poets, has become a key battleground in Ukraine. In: washingtonpost.com. The Washington Post, 28. Februar 2022, abgerufen am 19. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  4. Tweet von shaunwalker7. In: twitter.com. 26. Februar 2022, abgerufen am 5. April 2022.
  5. Ukraine says Russian troops blow up gas pipeline in Kharkiv. In: reuters.com. Reuters, 27. Februar 2022, abgerufen am 19. April 2022 (englisch).
  6. Defense Ministry: The 302nd Anti-Aircraft Missile Regiment Of The Armed Forces Of Ukraine, Armed With BukM-1 Systems, Voluntarily Laid Down Arms. In: eprimefeed.com. 27. Februar 2022, abgerufen am 19. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  7. Russian troops enter Ukraine's 2nd largest city. In: npr.org. National Public Radio, 27. Februar 2022, abgerufen am 19. April 2022 (englisch).
  8. Ukraine: Cluster Munitio-ns Launched Into Kharkiv Neighborhoods. In: hrw.org. Human Rights Watch, 4. März 2022, abgerufen am 5. April 2022 (englisch).
  9. Exclusive: Russian general who oversaw atrocities in Syria led cluster bomb attacks on civilians in Ukraine, CNN, abgerufen am 14. Mai 2022
  10. Ukraine conflict: Russia bombs Kharkiv's Freedom Square and opera house. BBC News, 1. März 2022, abgerufen am 6. Juni 2022 (englisch).
  11. Kirsten Donovan: Slovenia's consulate in Ukraine destroyed in attack on Kharkiv-ministry. In: Reuters. 1. März 2022, abgerufen am 6. Juni 2022 (englisch).
  12. At least 21 killed, 112 wounded in shelling of Kharkiv - Ukrainian official. In: reuters.com. Reuters, 2. März 2022, abgerufen am 19. April 2022 (englisch).
  13. Ukraine invasion: Russian troops move 'closer and closer' to Kyiv as at least 2,000 civilians dead, emergency service says. In: news.sky.com. Sky News, 2. März 2022, abgerufen am 5. April 2022 (englisch).
  14. Philip Oltermann: Russian attack on Kharkiv kills Holocaust survivor, 96. In: theguardian.com. The Guardian, 21. März 2022, abgerufen am 5. April 2022 (britisches Englisch).
  15. Maximilian-Kolbe-Werk: Nachruf Boris Romantschenko. Abgerufen am 26. April 2022.
  16. Ukraine war: On the front line of the battle for Kharkiv. In: bbc.com. British Broadcasting Corporation, 10. März 2022, abgerufen am 19. April 2022 (britisches Englisch).
  17. Die Ukraine hat die Schlacht um Charkiw vorerst gewonnen nzz.ch, 14. Mai 2022.

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