Schienenverkehr in Argentinien

Der Schienenverkehr in Argentinien war vor allem vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bedeutend, ist jedoch auch heute für den Massenguttransport sowie im Personenverkehr des Großraums Buenos Aires relevant. Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung in den frühen 1950er-Jahren war das in mehreren unterschiedlichen Spurweiten ausgeführte Streckennetz Argentiniens etwa 44.000 km lang. 2018 existierten davon noch etwa 25.000 km, wovon jedoch nur rund 18.300 km betriebsfähig waren und ein Großteil nur für den Güterverkehr genutzt wurde.

Geschichte

Die erste Eisenbahn auf dem Gebiet des heutigen Argentinien war die am 29. August 1857 eingeweihte Ferrocarril Oeste (deutsch Westbahn), weitere Eisenbahnen folgten. Besonders viel wurde zwischen 1895 und 1914 gebaut: mehr als 30.000 Kilometer Gleis einzelner Bahngesellschaften entstanden.[1] Die Transportleistung wuchs von 5 Millionen Tonnen beförderter Güter im Jahr 1895 auf 42 Millionen im Jahr 1913.[2]

Diese Bahnstrecken wurden durch unterschiedliche private und staatliche Betreibergesellschaften überwiegend für den Export von Gütern geplant und errichtet. Dadurch entstanden betrieblich getrennte Teilnetze mit teilweise unterschiedlichen Spurweiten. Mehrere dieser Netze hatten ihren Ausgangspunkt am größten Exporthafen, Buenos Aires.[3] Bei der Finanzierung dieser Strecken spielten europäische Investitionen eine große Rolle, insbesondere aus Großbritannien, sowie auch Deutschland und Frankreich. 1913 entfiel etwa ein Drittel der gesamten ausländischen Beteiligungen an argentinischen Unternehmen auf Bahnbetriebe. Unter anderem durch den Ersten Weltkrieg nahm die Investitionstätigkeit ab 1914 massiv ab; zugleich wurden bis 1927 insgesamt nur noch etwa 1200 km neuer Bahnstrecken in Argentinien errichtet.[4]

Im März 1931 beschloss die Militärregierung unter José Félix Uriburu ein umfangreiches Investitionsprogramm zum Ausbau des argentinischen Straßennetzes, das gegen den Widerstand der Bahnbetreiber und ihrer (insbesondere britischen) Investoren auch ab 1932 unter Agustín Pedro Justo fortgeführt wurde. Im selben Zeitraum gingen die Investitionen in den Schienenverkehr weiter zurück. 1948 hatte etwa die Hälfte der Lokomotiven und Wagen der argentinischen Bahnen ein Alter von mindestens 34 Jahren.[5]

In der Regierungszeit von Juan Perón wurden alle Eisenbahnlinien des Landes verstaatlicht. Am 1. März 1948 wurden dazu die argentinischen Staatsbahnen gegründet. Im Einklang mit diesem Ereignis wurden die Namen der sechs großen Teilnetze in die prominenter Persönlichkeiten der nationalen Politik geändert: Bartolomé Mitre, Julio Argentino Roca, Justo José de Urquiza, Domingo Faustino Sarmiento, Manuel Belgrano und José de San Martín.

Anfang der 1950er-Jahre umfasste das argentinische Bahnnetz Strecken einer Gesamtlänge von etwa 44.000 km.[3] Als Reaktion auf die massiv steigende Arbeitslosigkeit begann die Regierung von Juan Perón zu Beginn des Jahrzehnts nicht nur ein Wohnungsbauprogramm, sondern forcierte auch Neueinstellungen bei der staatlichen Bahn. Die Zahl der Beschäftigten wuchs zwischen 1949 und 1957 von 184.000 auf 210.000, obwohl die Beförderungsleistung im Güterverkehr von 31,7 Millionen Tonnen (15,297 Milliarden Tonnenkilometer) im Jahr 1949 auf 28,5 Millionen Tonnen (14,515 Milliarden Tonnenkilometer) im Jahr 1956 sank. Der Personenverkehr nahm im selben Zeitraum um etwa 20 % zu, doch verbuchten die Ferrocarriles Argentinos dennoch ab den frühen 1950er-Jahren hohe Verluste.[6][7]

Der Niedergang der Eisenbahn begann während der Regierung von Arturo Frondizi und setzte sich während der Militärdiktatur in Argentinien fort. 1991 erfolgte die Privatisierung. Als erster Teil dieser Privatisierung wurden Güter- und Personenverkehr getrennt, wobei letzterer stark reduziert wurde. Zweitens wurde der Personenverkehr in Fern-, Regional- und Vorortverkehr unterteilt. Verkehre wurden als Konzessionen je Teilnetz ausgeschrieben. 2008 wurde die Privatisierung für einzelne Netze rückgängig gemacht. Dazu wurden die Administración de Infraestructuras Ferroviarias und Sociedad Operadora Ferroviaria gegründet.[1] Die staatlichen Eisenbahngesellschaften sind in Ferrocarriles Argentinos (2015) gebündelt.

Tragische Unfälle in der Geschichte der argentinischen Eisenbahn gab es 1970 in Benavídez, 1978 in Sa Pereira und 2012 in Buenos Aires. 1930 stürzte in Buenos Aires eine Straßenbahn von einer Brücke. Dabei starben 56 Menschen.

Infrastruktur

Die Eisenbahn Argentiniens unterteilt sich in einzelne Netze, die nicht oder kaum miteinander verbunden sind:[1]

  • Ferrocarril General Roca
  • Ferrocarril General Urquiza
  • Ferrocarril General Belgrano (Süd und Nord)
  • Ferrocarril General San Martín
  • Ferrocarril General Bartolomé Mitre
  • Ferrocarril Domingo Faustino Sarmiento
  • Subte

Es werden drei Spurweiten (Normalspur, Meterspur und 1676 mm) verwendet. 2018 hatte die Infrastruktur eine Gesamtlänge von rund 25.000 km, wovon jedoch nur etwa 18.300 km betriebsfähig waren und ein Großteil nur für den Güterverkehr genutzt wurde.[3]

Wichtige Personenbahnhöfe sind:

  • Bahnhof Buenos Aires Plaza Constitución
  • Bahnhöfe Retiro (Buenos Aires)
  • Bahnhof Cordoba
  • Bahnhof Rosario Norte

Güterverkehr

Im Jahr 2021 wurden 24 Millionen Tonnen Güter mit der Eisenbahn transportiert; die Hälfte davon Getreide. Der argentinische Schienengüterverkehr hatte im selben Jahr eine Transportleistung von 11,8 Milliarden Tonnenkilometern.[8] 2018 wurden etwa 19 Millionen Tonnen Güter befördert.[3]

Der Anteil des Schienenverkehrs am gesamten Güterverkehr Argentiniens (Modal Split) lag 2012 bei etwa 5 %, wobei für landwirtschaftliche Güter ein höherer Anteil von rund 14 % erreicht wurde.[3]

Eisenbahnverkehrsunternehmen im Güterverkehr sind Nuevo Central Argentino, FerroExpreso Pampeano, Ferrosur Roca und die staatliche Trenes Argentinos Cargas.

Personenverkehr

Fernverkehr

Die Regulierungsbehörde CNRT hat die Fernverkehrsstrecken einzeln ausgewertet und folgende Passagierzahlen für das Jahr 2021 ermittelt (Auswahl):

Weitere Fernzugverbindungen werden von weniger als 100.000 Fahrgästen im Jahr genutzt. Zum Beispiel fuhren 2021 auf der südlichsten Bahnstrecke von Viedma nach Bariloche („Tren Patagónico“) nur 15.000 Fahrgäste.[9]

Regionalzüge

Die CNRT zählt nur folgende Regionalbahnverbindungen auf:

Vorortzüge Buenos Aires

Das Eisenbahnnetz in der Metropolregion Buenos Aires (spanisch área metropolitana de Buenos Aires, AMBA) umfasst acht Linienbündel mit 24 Linien (Verbindungen), von denen der Großteil strahlenförmig von den verschiedenen Kopfbahnhöfen ausgeht. Das dicht getaktete Zugangebot dient vor allem als Verbindung zwischen dem Zentrum von Buenos Aires und den im Norden, Westen und Süden angrenzenden, dicht besiedelten Vororten.

Das Großteil des Angebots wird heute vom staatlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen SOFSE betrieben (Netze Mitre, Belgrano Sur, San Martín, Roca). Zwei private Unternehmen, Ferrovías und Metrovías, betreiben Vorortzüge auf jeweils einer Strecke. Ferrovías bedient die Strecke Retiro–Villa Rosa (Teil der Netzes Belgrano Norte). Die Strecke Federico Lacroze–General Lemos (Línea General Urquiza) gehört verwaltungstechnisch zum Netz der U-Bahn (Subte) und wird daher wie diese ebenfalls von Metrovías betrieben.

2021 fuhren 209 Millionen Passagiere mit den Vorortbahnen; vor der COVID-19-Pandemie waren es doppelt so viele.[11]

U- und Straßenbahnen

Die Subte genannte U-Bahn in Buenos Aires war die erste auf der Südhalbkugel. Die heutigen sechs Linien bilden ein 56,7 km langes Netz.

Seit die Tranvía del Este nicht mehr fährt, ist die Metrotranvía Mendoza die einzige Straßenbahn in Argentinien.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Schienenverkehr in Argentinien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Daniela Villotti: Breve historia de los ferrocarriles argentinos Batalla de Ideas vom 9. April 2015
  2. David Rock: Argentina, 1516-1982: From Spanish Colonization to the Falklands War. University of California Press, 1985, ISBN 978-0-520-05189-8, S. 169 (englisch).
  3. a b c d e Hanno Friedrich; Ioanna Kourounioti; Lóránt Tavasszy: Freight Transport Modeling in Emerging Countries. Elsevier, 2020, ISBN 978-0-12-821681-1, S. 46–49 (englisch).
  4. David Rock: Argentina, 1516-1982: From Spanish Colonization to the Falklands War. University of California Press, 1985, ISBN 978-0-520-05189-8, S. 192 (englisch).
  5. David Rock: Argentina, 1516-1982: From Spanish Colonization to the Falklands War. University of California Press, 1985, ISBN 978-0-520-05189-8, S. 227 (englisch).
  6. David Rock: Argentina, 1516-1982: From Spanish Colonization to the Falklands War. University of California Press, 1985, ISBN 978-0-520-05189-8, S. 301 (englisch).
  7. United States Bureau of Foreign Commerce: World Trade Information Service, Part 4. 1956, S. 10 (englisch).
  8. CNRT-Statistik Güterverkehr 2021 (PDF; 2,4 MB)
  9. CNRT-Statistik Fernverkehr 2021 (PDF; 666 kB)
  10. CNRT-Statistik Regionalverkehr 2021 (PDF; 688 kB)
  11. CNRT-Statistik AMBA 2021 (PDF; 1,8 MB)