Schalom Asch

Schalom Asch (1940)

Schalom Asch[1] (jiddisch: שלום אַש, geboren 1. Januar[2] 1880 in Kutno, Warschauer Gouvernement, Russisches Kaiserreich; gestorben 10. Juli 1957 in London) war ein jiddischer Schriftsteller und Dramatiker. Seine Hauptwerke sind in fast alle Weltsprachen übersetzt.

Charakterisierung

Er verfasste historische und moderne jüdische Romane, Erzählungen und Dramen, schrieb auch Essays und schilderte u. a. in romantischem Stil die ostjüdische Welt und versuchte mit seinem nicht unumstrittenen Spätwerk – biographischen Romanen über Jesus, den Apostel Paulus und über Maria –, das eine Annäherung an christliche Denkweise erkennen lässt, zur Versöhnung von Christentum und Judentum beizutragen. Heftige Angriffe von orthodox-jüdischer Seite[3] und Ablehnung breitester jüdischer Kreise[4] waren die Folge und verbitterten ihm seine letzten Lebensjahre.

Mehrfach wurde versucht, bei Asch drei verschiedene Schaffensperioden zu unterscheiden, jedoch sind alle diese Ansätze nicht überzeugend und haben sich nicht durchgesetzt.

Festzuhalten bleibt, dass Asch, obwohl mit der jüdischen Vergangenheit und Herkunft – speziell mit der jiddischen Tradition des Stetls – eng verbunden geblieben, die jiddische Literatur aus diesen thematisch engen Fesseln befreit und mit dem mainstream europäischer und amerikanischer Kultur verbunden hat und so noch vor Isaac Bashevis Singer zum ersten jiddischen Schriftsteller wurde, der internationale Aufmerksamkeit erhielt und der jiddischen Literatur zu großer Popularität weltweit verholfen hat.

Leben und Wirken

Schalom Asch wuchs als eines von zehn Kindern eines Schankwirtes und Viehhändlers[5] auf. Er erhielt eine traditionelle jüdische Erziehung und lernte bis zu seinem 16. Lebensjahr Bibel und Talmud. Doch bald wurde er von der europäischen Kultur und Literatur angezogen und zog zuerst in die Stadt Włocławek und von dort 1899 nach Warschau, wo er seine literarische Tätigkeit in Hebräisch und Jiddisch entfaltete. Deutsch hatte er aus der Mendelssohn'schen Bibelübersetzung gelernt.

In Warschau konnte Asch als Schriftsteller debütieren; seine ersten Werke verfasste er in hebräischer Sprache (Novellenband, Warschau 1900). In dieser Zeit war er auch politisch aktiv; dabei war ihm die Haskala sehr wichtig. Bei dieser Arbeit lernte u. a. auch den Schriftsteller Itzhok Lejb Perez kennen, unter dessen Einfluss Asch begann, in Jiddisch zu veröffentlichen. In Warschau heiratete Asch Mathilde, eine Tochter des Schriftstellers M. M. Shapiro. Mit ihr hatte er zwei Söhne, Moses Asch, den späteren Gründer von Folkways Records, und den Schriftsteller Nathan Asch.

1908 reiste Asch mit seiner Ehefrau nach Jerusalem (seine Eindrücke legte er in einer Serie historischer Bilder In Erez Israel nieder) und bald nach seiner Rückkehr (1909) in die USA, ging aber 1910 abermals zurück nach Russland. Den Ersten Weltkrieg verbrachte Asch zusammen mit seiner Familie in New York. Hier wurde er u. a. engagierter Mitarbeiter der bedeutendsten jiddischen Zeitschriften, vor allem beim Forward. 1920 wurde seinem Antrag stattgegeben und ihm die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen.

Mit seinen Theaterstücken konnte Asch fast durchweg große Erfolge erzielen, und auch sein restliches Werk wurde von der Literaturkritik positiv besprochen. Bereits 1924 erschien in Warschau eine große „Schalom-Asch-Werkausgabe“ (s. u.), die aber durch die politischen Ereignisse keine weite Verbreitung fand.

1923 war Asch nach Polen zurückgekehrt, emigrierte aber 1938 über Frankreich wieder in die USA. 1956 ließ er sich in Bat Yam, einer Stadt in der Nähe Tel Avivs, nieder. Sein damaliges Wohnhaus ist jetzt seinem Wunsch gemäß als Museum und Gedenkstätte zu besichtigen und Teil des MoBY-Museumskomplexes.[6][7]

Im Alter von 77 Jahren starb Schalom Asch am 10. Juli 1957 in London.

Er war auch Ehrenvorsitzender des jiddischen Pen-Klubs (seit 1932).

Der Großteil des Nachlasses seiner Bibliothek, darunter seltene jiddische Bücher, Manuskripte und auch Manuskripte seiner eigenen Werke, wird durch die Universität Yale betreut.

Werke/Ausgaben (Auswahl)

Entstehungszeit / Erscheinen / Ausgabe bekannt

  • Novellen, Warschau 1900 (hebräisch)
  • In a schlechte zait. Erzählungen, 1903
  • Mitn Schtrom ("Mit dem Strom"), 1903 (sein erstes Drama)[8]
  • Die Stadt (Roman), 1903
  • Meschiachs Zeiten, 1904 (Theaterstück)[9]
  • Dos klajne Schtetl, 1905 (gesammelte Skizzen)
  • Der got fun nekome ("Der Gott der Rache. Drama in 3 Akten"), 1905[10]
  • Die Jüngsten, ca. 1906 oder später[11]
  • Bilder aus dem Ghetto, Berlin 1907 (Fischer)
  • In Erez Israel, ca. 1909
  • Die Familie Großglück. Komödie in 3 Akten, Berlin 1909 (Fischer)
  • Amerika (Erzählung), 1910 (erschienen im in Russland herausgegebenen Fraind)
  • Mori, 1911 (Roman)
  • Der Landsmann, 1911 (dreiaktige Komödie)
  • Das chorban beth hamikdosch, 1912 (Poem)
  • Der Bund der Schwachen. Drama, Berlin 1913 (Fischer)
  • Erde. Erzählung, Berlin 1913 (Juncker)
  • Reb Schloime Nogid, 1913 (Novelle)
  • Motke Ganev (oder Motke Gannew etc.), 1916[12]
  • Der Weg zu sich selbst, 1917 (Theaterstück)
  • Sabbatai Zewi. Tragödie in 3 Akten, Berlin 1918 (Fischer)
  • Onkel Moses. Roman, 1918[13]
  • Ein Glaubensmartyrium. Erzählung, Berlin 1929 (Zsolnay)[14]
  • Di muter („Die Mutter“, Roman), 1919 (deutsch: Berlin, Zsolnay, 1930; englisch 1930)
  • Der Psalmenjude (Roman), 1920
  • Die Zauberin von Kastilien. Erzählung, Berlin 1929, Zsolnay (jiddisches Original 1921)
  • Kleine Geschichten aus der Bibel, Berlin 1923 (Jüdischer Verlag)
  • Das Toidturteil, 1924 (Roman, identisch mit „Der elektrische Stuhl“?)
  • Joseph. Eine Hirten-Legende in 5 Bildern, Berlin 1925 (Zsolnay)
  • Chaim Lederers Rückkehr, Berlin 1929, Zsolnay (Orig.: Chaim Lederers Tsurikkumen, 1927)[15]
  • Kohlen, 1928 (Drama)
  • Der elektrische Stuhl. Roman, Berlin 1929 (Zsolnay)[16]
  • Vor der Sintflut (Original: Farn mabul). Trilogie: 1. Petersburg. Roman, 1929; 2. Warschau. Roman, 1929; 3. Moskau. Roman 1930 (alle Berlin, Zsolnay)[17]
  • Die Kinder Abrahams. Novellen aus Amerika, Berlin 1931 (Zsolnay)[18]
  • Von den Vätern, Berlin 1931 (Zsolnay)
  • Rückblick. (autobiographische Skizze seines Lebens), 1931, in: Jahrbuch 1931 des Wiener Zsolnay-Verlages
  • Die Gefangene Gottes. Roman, Berlin 1932 (Zsolnay)
  • Der Tehillim-Jid, 1934 (1934 und 1961 auf deutsch unter dem Titel „Der Trost des Volkes“ erschienen; engl. Titel: "Salvation", 1951)
  • Kinder in der Fremde. Erzählungen, Amsterdam 1935 (Allert-de Lange Verlag)
  • Der Krieg geht weiter. Roman, Amsterdam 1936 (Allert-de Lange Verlag)
  • Bajm Opgrunt („Am Abgrund“), 1937[19]
  • Three novels, 1938
  • Gesang des Tales. Roman (Original: Dos gesang fun tol), Amsterdam 1938 (Allert-de Lange Verlag)[20]
  • Der man fun Natzeres, 1939[21]
  • What I Believe („An was ich glaube“, Essay), Putnam, New York 1941
  • The Apostle, 1943[22]
  • One Destiny, 1945
  • East River. Roman, Konstanz 1955 (Diana-Verlag)[23]
  • Der brenendiker dorn, 1946[24]
  • Ein Schicksal, ein Brief an die Christen (Essay), 1948
  • Tales of My People, 1948 (short stories)
  • Mary, 1949[25]
  • Moses. Roman, New York 1951 (dt. 1953)
  • A Passage in the Night, 1953[26]
  • The Prophet (Roman), New York 1955 (zunächst nur englisch; zum Thema Deuterojesaja)

Ohne Jahr bzw. nicht ermittelt

  • Amnon we Tamar (Theaterstück)
  • Jephtas Tochter (Theaterstück)
  • Wenn der Frühling kommet (Theaterstück)

Gesamtausgaben und Sammelbände

  • Gesammelte Werke, 8 Bände, o. J. o. O.
  • Gesammelte Werke, 12 Bände, 1920[27]
  • Kleine Geschichten aus der Bibel, aus dem Jiddischen übersetzt und bearbeitet von Helene Sokolow (2. Aufl. 1924)
  • Gesammelte Werke, 18 Bände, Warschau 1924[28]
  • Deutsche Auswahlausgabe, Berlin 1926[29]

Literatur

  • Schulem Asch. In: leksikon fun der naier jidischer literatur. Band 1. New York 1956 (mit Bibliographie)
  • Ludger Heid: Asch, Scholem. In: Julius Hans Schoeps (Hrsg.): Neues Lexikon des Judentums. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1992, ISBN 3-570-09877-X.
  • John F. Oppenheimer (Red.) u. a.: Lexikon des Judentums. 2. Auflage. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh u. a. 1971, ISBN 3-570-05964-2, Sp. 56.
  • Salman Reisen: Leksikon … Warschau 1914.
  • Günter Stemberger: Geschichte der jüdischen Literatur. 1977.
  • Ost und West. Jahrgang 1907.
  • C. Liberman: Schulem Asch un kristntum. New York 1950.
  • Salomon Wininger: Große Jüdische National-Biographie. 1925 ff. Bd. I + Bd. VI (Ergänzungen)
  • Literarische Blätter. 19. Dezember 1930.
  • Meyer Isser Pines: Die Geschichte der jüdischdeutschen Literatur. Leipzig 1913 (frz. Original Paris 1911)
  • Neue Nationalzeitung. Nr. 19. Wien 1907.
  • Samuel Meisels: Asch, Schalom. In: Jüdisches Lexikon. Babd I. Berlin 1927.
  • Minikes Jontewbletlech. (1920?)
  • A. Kahan: Schulem Aschs najer weg. New York 1941.

Weblinks

Commons: Schalom Asch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. hebräisch שלום אש; auch Scholem, Scholom [so unterschrieb er], Schulem, Sholem, Shulem, Shalom, Shulim, Szulim Asch usw.
  2. Nach einigen Quellen wurde er nicht am 1. Januar 1880, sondern am 1. November 1880 geboren.
  3. Gerüchte einer angeblichen Zuneigung zum Katholizismus wurden nie bestätigt.
  4. So konnte er als langjähriger Schreiber für den Forward keine Beiträge mehr dort platzieren und wurde durch den The Forward sogar öffentlich angegriffen – während die nichtjüdische englische Presse Aschs Spätschriften teilweise enthusiastisch aufnahm.
  5. Moszek Asz, 1825–1905; Mutter: Frajda Malka, geborene Widawska
  6. MoBY – Museen von Bat Yam. In: Rosa-Luxemburg-Stiftung Israel Office. Oktober 2016, abgerufen am 16. Oktober 2017.
  7. Sholem Asch Museum. In: Homepage des MoBY-Komplexes. Abgerufen am 17. Oktober 2017 (englisch).
  8. Wurde noch im selben Jahr in polnischer Übersetzung im Krakauer Stadttheater aufgeführt.
  9. Aufgeführt in Jiddisch vom berühmten Schauspieler und Theatermogul J. P. Adler in Amerika und in russischer Übersetzung durch den seinerzeitigen Schauspielstar Vera Komissarschewskaja. Versuch der Darstellung des auseinanderbrechenden zeitgenössischen Judentums im Rahmen einer Familiengeschichte.
  10. Auch Berlin, Fischer-Verlag 1907. Behandelt die Nöte eines jüdischen Bordellbesitzers, der seine eigene Tochter von der sie alle umgebenden Unzucht abschirmen will und dafür eine Torarolle stiftet, diese jedoch entweiht, als ihm der "Gott der Rache" seinen Wunsch nicht erfüllt. Im Jahr 1908 von Reinhardt in Berlin in deutscher Übersetzung aufgeführt und dadurch weit bekannt geworden. Auch auf jiddischen und russischen Bühnen gespielt, löste es wegen seiner anstößigen Thematik noch 1923 am Broadway einen handfesten Skandal aus, während dessen das gesamte Ensemble wegen "Obszönität" verhaftet wurde.
  11. Roman, erschienen in Jiddisch in Warschau und New York, in deutscher Übersetzung in Berlin.
  12. Gehört zu den bekanntesten Werken Aschs, viele weitere Ausgaben, z. B. deutsch Mottke der Dieb. Roman, München 1987 (Goldmann). In diesem von Gorki beeinflussten Werk gibt Asch ein liebevoll, beinahe idealisierend gezeichnetes Bild der jüdischen Unterwelt, Motke scheitert bei seinem Versuch, eines geliebten Mädchens wegen das Verbrechermilieu hinter sich zu lassen.
  13. Roman aus dem amerikanisch-jüdischen Arbeitermilieu; deutsch: Berlin 1929 (Zsolnay); englisch: 1938
  14. Erzählung über das jüdische Leben zur Zeit des Chmielnicki-Aufstandes. Originaltitel: Kiddusch haschem, 1919. Englische Übersetzung 1926
  15. Auszug, Kapitel 9 & 10: Der Sohn belehrt den Vater; Sehnsucht nach vergangenem Leben, in Werner Treß, Verbrannte Bücher 1933. Mit Feuer gegen die Freiheit des Geistes. Bundeszentrale für politische Bildung BpB, Bonn 2009 ISBN 3838900030 S. 90–99
  16. In Amerika spielender psychologisierender Mord-Krimi
  17. Trilogietitel der frz. Ausgabe: Trois villes, engl. (1933): Three Cities. Beschreibt das jüdische Leben der im Titel genannten Städte zu Anfang des 20. Jahrhunderts.
  18. Englisch: Children of Abraham (short stories), 1942
  19. Thematisiert die Hyperinflation der Zwanzigerjahre in Deutschland
  20. Thematisiert das Leben der Chaluzim und reflektiert seinen Palästinabesuch 1936. Englische Übersetzung 1939
  21. Groß angelegter Roman über Jesus; Original jiddisch, danach in englischer Übersetzung erschienen; deutsch „Der Nazarener“, 1950; wieder als Jesus. Ein Nazarener, 1987; wieder als „Jesus der Nazarener“, Weltbild-Verlag, Augsburg 1991
  22. Gross angelegter Roman über Paulus; Original jiddisch, zunächst in englischer Übersetzung erschienen; deutsch 1946: „Der Apostel“. Roman, Stockholm, bei Bermann-Fischer.
  23. Über die Juden Amerikas. Erstausgabe 1946
  24. In der Hitlerzeit entstandene Erzählungen zur Thematik des Martyriums rund um die Schülerinnen einer jüdischen Schule in Warschau, die eine kollektive Selbsttötung durchführen, um nicht in die Hände der deutschen Truppen zu fallen
  25. Gross angelegter Roman über Maria, die Mutter Jesu; Original jiddisch, zunächst in englischer Übersetzung erschienen; deutsch 1950; weitere dt. Ausg.: „Maria, Mutter des Erlösers“, Augsburg 2004, Weltbild-Verlag.
  26. Deutsch 1956: Reise durch die Nacht
  27. In Amerika anlässlich Asch's 40. Geburtstag herausgegeben durch ein Komitee, dem J. L. Magnes vorsass, mit einer Einleitung versehen von S. Niger
  28. Und zwar in folgender Bandaufteilung:
    1. A Stetil, Schlome Nagid
    2. Bilder und Humoresken
    3. Himmel und Erde
    4. Amerika
    5. Jugend
    6. Dus Buch vin zaar
    7. Erez Israel
    8. Meiri
    9. Der Weg zi sich
    10. Onkel Moses
    11. Motke Ganev
    12. Kischefmachern vin Kastilien, Kidisch haschem
    13. Naie Erzählungen
    14. Die Mutter
    15. Biblische Motive
    16. Soziale Dramen
    17. Nationale Dramen
    18. Die Jorschim mitn Strom, Der Sinkender, Im Winter, Marranen
  29. Enthaltend: Onkel Moses, Roman aus dem Leben der polnischen Juden in New York; Motke der Dieb; Die Zauberin von Kastilien; Ein Glaubensmartyrium; Der elektrische Stuhl; Die Mutter; Reverend Dr. Silber; die Trilogie: Petersburg – Warschau – Moskau

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