Scaligerburg (Malcesine)
Scaligerburg Malcesine | ||
---|---|---|
Westseite mit Palazzo Veneziano, Palazzo Scaligero und Bergfried | ||
Staat | Italien | |
Ort | Malcesine | |
Entstehungszeit | 590 erstmals erwähnt | |
Burgentyp | Höhenburg | |
Erhaltungszustand | erhalten | |
Heutige Nutzung | Museum | |
Geographische Lage | 45° 46′ N, 10° 49′ O | |
Höhenlage | 104 m s.l.m. | |
Die Scaligerburg (italienisch Castello Scaligero) in Malcesine ist eine Höhenburg in der gleichnamigen italienischen Gemeinde am Ostufer des Gardasees in der Provinz Verona. Die Burg ist durch die Schilderung Goethes in seiner Italienischen Reise bekannt.
Lage
Die Scaligerburg liegt am Nordende des Ortskerns von Malcesine auf einer natürlichen Anhöhe, die an drei Seiten bis zu 30 m tief abfällt. An der sanfter verlaufenden Südseite schließt fast unmittelbar an die Burgmauern der älteste Teil von Malcesine an. An der Ostseite liegt direkt unterhalb der Burg, die mit einem Zeltdach überdachte Freilichtbühne Lacaòr.
Geschichte
Wegen der überhöhten und geschützten Lage kann man annehmen, dass der Burgberg schon in der Bronze- und Eisenzeit als Zufluchtsort diente, zumal südlich und östlich davon zwei heute nicht mehr erkenntliche Bacheinschnitte den Ort zusätzlich schützten. Der erste Name des Burgbergs könnte Lacaòr gewesen sein, wie eine an der Ostseite der Burg gelegene Fläche heute noch heißt und wo bei Ausgrabungen eine kleine Nekropole vermutlich aus der Etruskerzeit entdeckt wurde. Um die Rocca herum bildete sich der erste Siedlungskern von Malcesine heraus, der sich während der Römerzeit langsam nach Süden hin ausdehnte, wie Funde unterlegen.[1]
Die Langobarden bauten im 6. Jahrhundert die Rocca als Festung aus, die Anlage wurde kurze Zeit darauf von den Franken im Jahr 590 zerstört. Als Malcesine 774 unter den Herrschaftsbereich von Karl dem Großen fiel, wurde sie wieder aufgebaut und unter Berengar I. während der Ungarneinfälle am Ende des 9. Jahrhunderts ausgebaut.[2][3]
In der Folgezeit fiel die Anlage dem Bischof von Verona zu. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde der mittlerweile 15 m hohe Bergfried aufgestockt und 1145 der Burg ein eigener Herrschaftsbereich und Ländereien unterstellt. 1157 vermachte sie Bischof Tebaldo II. seinem Enkel Turrisando, unter dessen Herrschaft sie von Friedrich Barbarossa vergeblich belagert wurde.[2][4]
1277 fielen Malcesine und die Burg unter die Herrschaft des Scaliger. Diese bauten in der Folgezeit die an der Nordgrenze ihres Herrschaftsbereiches liegende Anlage aus. In diese Epoche fallen die bedeutendsten Aus- und Umbauarbeiten der Burg, die ausschlaggebend waren, dass sie später allgemein als Scaligerburg bezeichnet wurde. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde sie zum Sitz des Capitano, des Stellvertreters der Gardesana dell’acqua, einer von den Scaligern kontrollierten Zollunion mehrerer Orte am Ostufer des Sees.[5]
1387 wurde die Scaligerburg von den Truppen Gian Galeazzo Viscontis besetzt. Die Herrschaft der Viscontis dauerte bis 1403. 1405 fiel Malcesine in den Herrschaftsbereich der Republik Venedig. 1506 fiel sie in die Hände der Kaiserlichen Truppen, konnte aber bereits 1513 von dem venezianischen Condottiere Scipione Ugoni zurückerobert werden. Die venezianische Epoche dauerte bis ins 18. Jahrhundert an. In dieser Zeit erfuhr die Burg weitere wesentliche Ausbauten und war zeitweise Sitz der venezianischen Verwaltung und des venezianischen Flottenkommandos am Gardasee.[6][7][8]
In der napoleonische Epoche wurden Malcesine und die Burg 1797 erst von den Franzosen und 1798 von den Österreichern besetzt. Zwischen 1805 und 1814 fiel sie dem Königreich Italien zu und nach dem Wiener Kongress 1815 wurde sie dem Kaisertum Österreich in Form des Königreichs Lombardo-Venetien einverleibt. In dieser bis 1866 dauernden österreichischen Epoche erfuhr die Burg ihre letzten wesentlichen Umbauten. Nach dem Verlust Venetiens im Dritten Italienischen Unabhängigkeitskrieg und dem Anschluss an das Königreich Italien wurde die Scaligerburg als Grenzposten der Guardia di Finanza genutzt. 1902 wurde sie zum Nationalmonument erklärt.[6]
In den 1980er Jahren wurde die Anlage umfangreich restauriert, nachdem bereits nach dem Zweiten Weltkrieg einzelne stückhafte Arbeiten durchgeführt worden waren. 2013 ging die Burg in den Besitz der Gemeinde Malcesine über.
Goethe und die Scaligerburg
Zum Bekanntheitsgrad der Burg hat die Beschreibung Goethes in seinem Reisebericht Italienische Reise wesentlich beigetragen. Eigentlich hatte Goethe gar nicht vor in Malcesine Station zu machen, als er in den frühen Morgenstunden des 13. September 1786 von Torbole mit dem Boot aufbrach. Bereits während der Fahrt auf dem See fiel ihm die Scaligerburg auf und er fertigte eine Skizze an. Als Gegenwind aufkam, war an eine Weiterfahrt nicht mehr zu denken. Gezwungen in Malcesine an Land zu gehen, wollte er den Zwangsaufenthalt so gut wie möglich nutzen und die malerische Burg zeichnerisch festhalten. Als er sich am darauffolgenden Tag in die anscheinend verlassene Burg begab, um Zeichnungen anzufertigen, versammelte sich schnell eine kleine Menschenmenge um ihn. Man fragte ihn aus, was es mit den Zeichnungen auf sich habe, riss ihm sogar eine Zeichnung entzwei. Man verdächtigte ihn ein österreichischer Spion zu sein und drohte ihn zu verhaften. Goethes Redekünste und sein weltmännisches Auftreten ließen den Verdacht schnell verfliegen. Am Ende plauderte er mit dem Einheimischen Gregorio, der in Frankfurt am Main in Diensten stand, über gemeinsame Bekannte und konnte so endgültig jegliche Zweifel an seinem Tun aus dem Weg räumen und seines Weges ziehen. Noch in der gleichen Nacht brach er zur Weiterfahrt nach Bardolino auf. Goethe hielt dieses Abenteuer ausführlich in seinem Tagebuch fest und machte die Scaligerburg und Malcesine berühmt.[9]
Beschreibung
Die Burg von Malcesine ist ein Konglomerat verschiedener Baukörper aus unterschiedlichen Bauepochen, die sich über Jahrhunderte hinweg herausgebildet hat, auch wenn der allgemein benutzte Name Scaligerburg einschränkend nur auf eine ganz bestimmte Epoche verweist. Auch wenn sich nicht festlegen lässt, wann und wer den Burgberg als Erster bebaut oder besiedelt hat, kann man anhand der erhaltenen Gebäude insgesamt vier verschiedene Bauperioden unterscheiden. In diesen Bauphasen hat sich die Burg schrittweise vom höchsten Punkt langsam nach unten hin ausgebreitet.
Eingangsbereich
Die Scaligerburg besitzt zwei Eingänge. Der heute als Zugang genutzte Eingang, Posterla genannt, ist zur Seeseite gewandt und entstand während der venezianischen Epoche. Er unterlegt, wie sich die strategische Bedeutung der Anlage im Laufe der Jahrhunderte von der Land- zur Seeseite gewandelt hat, lag der ursprüngliche Eingang doch unterhalb des Bergfriedes auf der landeinwärts gerichteten Seite. Noch vor dem Burgtor führt ein Weg hinab zu einer kleinen Bucht, die den Venezianern als Anlegestelle diente. Im 19. Jahrhundert wurde der Eingang von den Österreichern zusätzlich mit einem kleinen Graben und einer Brücke sowie einer zweiten mit Schießscharten versehenen Mauer geschützt.[7]
Unterer Innenhof
Der untere Innenhof liegt etwa 24 m über der Seeoberfläche und entstand mit dem neuen Eingangsbereich ebenfalls während der venezianischen Epoche. Der markante Palazzo Veneziano links des Eingangs war bis 1618 Sitz des venezianischen Stellvertreters, des Capitanos, dem die Kontrolle des Warenhandels auf dem See unterstand. Nach der Verlegung der Amtsräume in den Palazzo dei Capitani wurde das Gebäude als Kaserne genutzt, weshalb es auch als Casermetta bezeichnet wird. Die markante Freitreppe stammt aus dem Jahr 1622, wie aus der über der Treppe angebrachten Gedenktafel hervorgeht. In dem dreistöckigen Gebäude ist eine Zweigstelle des Naturkundemuseums von Verona untergebracht. In neun über zwei Stockwerke verteilten Ausstellungsräumen, die 2008 vollständig neugestaltet wurden, befasst man sich mit verschiedenen Aspekten der Naturgeschichte des Gardasees und des Monte Baldo. Die Außenmauer, die den unteren Innenhof umgibt, wurde wie die zum Zwinger aufsteigende Rampe im 19. Jahrhundert von den Österreichern angelegt.[10]
Zwinger
Der etwa 9 m höher liegende Zwinger verfügt heute über zwei Durchgänge vom darunter liegenden Eingangsbereich. Die aus der Scaligerzeit stammende Zwingermauer bildet die eigentliche Außenmauer der Burg. Die Pulverkammer im nordwestlichen Eckpunkt des Zwingers stellt das jüngste Gebäude der Burg dar und war im 19. Jahrhundert von den Österreichern errichtet worden. Später diente sie der Guardia di Finanza als Gefängnis. In der in den 1980er Jahren restaurierten Pulverkammer befinden sich heute zwei Ausstellungssäle. Im größeren der beiden Räume sind die österreichischen Projektskizzen aus der letzten Umbauphase im 19. Jahrhundert zu sehen, während im zweiten Raum auf den Aufenthalt Goethes in Malcesine eingegangen wird.[11]
Auf dem Dach der Pulverkammer konnten Geschütze in Stellung gebracht werden, die die Nordseite unter Feuer nahmen. Von hier führt ein Wehrgang an der von den Scaligern erbauten Zwingermauer entlang bis in den südlichen Bereich des Zwingers. Dort befindet sich eine von den Venezianern im 15. Jahrhundert errichtete Rampe, die dazu diente, Kanonen auf das südliche Ravelin zu ziehen. Die venezianische Artillerie war auf die Verteidigung der Seeseite ausgerichtet, wie die geschleiften Zinnen an dieser Seite unterlegen.
An der südöstlichen Seite des Zwingers unterhalb des Bergfrieds liegt der alte ehemalige Eingang in die Scaligerburg. Neben dem Eingang befinden sich Freskenreste aus dem 14. Jahrhundert und eine Grabplatte, die auf eine ehemalige Burgkapelle hinweisen. An die Ostseite des Zwingers grenzt die Außenmauer des Palazzo Scaligero mit seinen charakteristischen Schwalbenschwanzzinnen.[12]
Innerer Burgbereich
Der Zugang zum inneren Burgbereich befindet sich neben der Pulverkammer an der Nordseite der Burg. Dieser liegt nochmals 6 m höher als der Zwinger und ist mit einer Ringmauer und Wehrgängen geschützt. Der Innenhof wird fast vollständig vom Fuß des Bergfrieds ausgefüllt, der zu den ältesten Teilen der Burg gehört. Ursprünglich war der Turm nur 15 m hoch und endete im zweiten Stock. Hier lag auch der ehemalige Zugang, der über eine heute nicht mehr vorhandene Treppe zu erreichen war. Erhalten ist die vergitterte ehemalige zur Seeseite gewandte Eingangstür. Das darunter liegende Gewölbe wurde vermutlich als Kerker genutzt und war nur über ein schmales Loch im Fußboden zugänglich. Die Mauern des aus Werkstein und an den Kanten mit Buckelquadern errichteten Turms weisen eine Stärke von 2,5 m auf und besitzen nur einige wenige schmale Bogenscharten. Wann der Turm entstanden ist, lässt sich nicht festlegen. 1131 wurde er jedenfalls um zwei Stockwerke erhöht, wie aus einer heute nicht mehr lesbaren Inschrift im Gewölbe des vierten Stockes hervorging. Die Scaliger setzten dem Turm ein weiteres Stockwerk auf, dessen Mauerwerk aus Ziegeln nur 80 cm stark ist. Dieser vierte Stock verfügt über sechs Öffnungen und diente als Ausguck. Eine Feuer- und Wasserstelle machte eine dauerhafte Besetzung über längere Zeiträume möglich. Die darüber liegende Plattform, auf der die im 15. Jahrhundert gegossene Gemeindeglocke steht, entstand erst 1909, als das ursprüngliche Holzdach durch eine Betonkonstruktion ersetzt wurde. Heute liegt der Eingang in den 31 m hohen Bergfried im ersten Stock. Der Zugang vom darunter liegenden Innenhof wurde von den Österreichern im 19. Jahrhundert angelegt. Neben dem Turm liegt im südwestlichen Eckpunkt des Innenhofes mit dem zweistöckigen Palazzo Scaligero der Palas. Seine Entstehung lässt sich wie beim Bergfried nicht festlegen. An der zum Zwinger liegenden Außenwand sind verschiedene Baustile und Baumaterialien zu erkennen, die den Schluss zulassen, dass der von den Scaligern errichtete Palast auf einem Vorgängerbau unbekannter Herkunft beruht. In dem zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert erbauten Palazzo befinden sich im Untergeschoss zwei Ausstellungssäle. Im ersten größeren Saal befasst man sich unter anderem mit der venezianischen Schifffahrtsgeschichte auf dem Gardasee. Eingegangen wird auch auf den Transport der venezianischen Flotte vom Etschtal auf dem Landweg nach Torbole im als Galeas per montes bekannten Unternehmen. Im anschließenden Saal wird die Geschichte der Burg und Malcesines illustriert. Der obere Saal des Palas dient dagegen als Veranstaltungssaal. Im Innenhof befinden sich auch der Burgbrunnen und zwei von den Österreichern erbauten Latrinen, die in die nördliche Mauer eingelassen sind. Im nordöstlichen Eck ist eine Madonnenfreske byzantinischen Stiles erhalten, die erst 1949 entdeckt wurde.[13]
Bilder
Bergfried
Palazzo Veneziano
Südliches Ravelin
Alter Eingang mit Freskenresten
Landeinwärts gerichtete Ostseite
- (c) qwesy qwesy, CC BY 3.0
Nordseite mit Freilichtbühne Lacaòr
Literatur
- Comitato del Museo Castello Scaligero di Malcesine (Hrsg.): Malcesine e Goethe, Verona 1983.
- Ierma Sega, Christian Terzer: Malcesine. Il Castello e il Monte Baldo, ViaDellaTerra, Rovereto 2008, ISBN 978-88-7558-045-2.
- Casa di Goethe, Comune di Malcesine (Hrsg.): Goethe in Malcesine. Castello Scaligero, Comune di Malcesine, Malcesine 2004.
- Eugenio Cipriani: Il Castello Scaligero di Malcesine e i suoi musei, Cierre Edizioni, Verona o. J.
- Gianni Perbellini: Castelli Scaligeri. Rusconi immagini, Mailand 1982.
Weblinks
- Infos zur Burg, Öffnungszeiten und Eintrittspreise (italienisch)
Einzelnachweise
- ↑ Eugenio Cipriani: Il Castello Scaligero di Malcesine e i suoi musei S. 7
- ↑ a b Eugenio Cipriani: Il Castello Scaligero di Malcesine e i suoi musei S. 9
- ↑ Comitato del Museo Castello Scaligero di Malcesine (Hrsg.): Malcesine e Goethe S. 73
- ↑ Comitato del Museo Castello Scaligero di Malcesine (Hrsg.): Malcesine e Goethe S. 74
- ↑ Comitato del Museo Castello Scaligero di Malcesine (Hrsg.): Malcesine e Goethe S. 75
- ↑ a b Comitato del Museo Castello Scaligero di Malcesine (Hrsg.): Malcesine e Goethe S. 76
- ↑ a b Eugenio Cipriani: Il Castello Scaligero di Malcesine e i suoi musei S. 13
- ↑ Geschichte der Burg (italienisch) abgerufen am 29. Januar 2018
- ↑ Casa di Goethe, Comune di Malcesine (Hrsg.): Goethe in Malcesine. Castello Scaligero S. 19
- ↑ Ierma Sega, Christian Terzer: Malcesine. Il Castello e il Monte Baldo S. 26–27
- ↑ Comitato del Museo Castello Scaligero di Malcesine (Hrsg.): Malcesine e Goethe S. 78–83
- ↑ Ierma Sega, Christian Terzer: Malcesine. Il Castello e il Monte Baldo S. 32–35
- ↑ Ierma Sega, Christian Terzer: Malcesine. Il Castello e il Monte Baldo S. 41–42
Auf dieser Seite verwendete Medien
an icon for castles and fortresses
Autor/Urheber: JoJan, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Drawing of the castle of Malcesine (1786) by J.W. Goethe; Malcesine, Lake Garda, Italy
Autor/Urheber: CTHOE, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Malcesine, Palazzo Veneziano
Dieses Bild zeigt eine Ansicht der Burg von Malcesine am Gardasee in Italien. Ich habe es am 4.September 2003 gemacht.
Autor/Urheber: Robertk9410, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Scaligerburg Malcesine mittlerer Innenhof
Autor/Urheber: High Contrast, Lizenz: CC BY 3.0 de
Castello Scaligero in Malcesine am Gardasee.
Autor/Urheber: Robertk9410, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Scaligerburg Malcesine, alter Eingang
Autor/Urheber: Robertk9410, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Der Palazzo Scaligero in der Scaligerburg Malcesine
Autor/Urheber: Falk2, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Ansicht von Südwesten, der Gebäudeteil mit der Fensterfront unten ist der Palazzo Veneziano, das kompakte Bauwerk darüber der deutlich ältere Palazzo Scaligero. Auf etwa dem höchsten Punkt des Burgfelsens steht der Bergfried.
(c) qwesy qwesy, CC BY 3.0
Malcesine, Castello Scaligero
Autor/Urheber: H. Zell, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Malcesine, Castello Scaligero.
Das Foto wurde an der Stelle aufgenommen, an der Goethe am 14. September 1786 die Burg zeichnete. Die Zeichnung wurde von einem Mann - "nicht von dem besten Ansehen" - zerrissen, bevor Goethe sie fertiggestellt hatte. Er wurde beschuldigt, ein österreichischer Spion zu sein und wäre beinahe verhaftet worden.
Goethe beschreibt den Vorfall in seiner "Ialienischen Reise":
"Der Gegenwind, der mich gestern in den Hafen von Malcesine trieb, bereitete mir ein gefährliches Abenteuer, welches ich mit gutem Humor überstand und in der Erinnerung lustig finde. Wie ich mir vorgenommen hatte, ging ich morgens beizeiten in das alte Schloss, welches ohne Tor, ohne Verwahrung und Bewachung jedermann zugänglich ist. Im Schlosshofe setzte ich mich dem alten auf und in den Felsen gebauten Turm gegenüber; hier hatte ich zum Zeichnen ein sehr bequemes Plätzchen gefunden; neben einer drei, vier Stufen erhöhten verschlossenen Tür, im Türgewände ein verziertes steinernes Sitzchen, wie wir sie wohl bei uns in alten Gebäuden auch noch antreffen.
Ich saß nicht lange, so kamen verschiedene Menschen in den Hof herein, betrachteten mich und gingen hin und wider. Die Menge vermehrte sich, blieb endlich stehen, so dass sie mich zuletzt umgab. Ich bemerkte wohl, dass mein Zeichnen Aufsehen erregt hatte, ich ließ mich aber nicht stören und fuhr ganz gelassen fort. Endlich drängte sich ein Mann zu mir, nicht von dem besten Ansehen, und fragte, was ich da mache. Ich erwiderte ihm, dass ich den alten Turm abzeichne, um mir ein Andenken von Malcesine zu erhalten. Er sagte darauf, es sei dies nicht erlaubt, und ich sollte es unterlassen. Da er dieses in gemeiner venezianischer Sprache sagte, so dass ich ihn wirklich kaum verstand, so erwiderte ich ihm, dass ich ihn nicht verstehe. Er ergriff darauf mit wahrer italienischer Gelassenheit mein Blatt, zerriss es, ließ es aber auf der Pappe liegen. Hierauf konnt' ich einen Ton der Unzufriedenheit unter den Umstehenden bemerken, besonders sagte eine ältliche Frau, es sei nicht recht, man solle den Podestà rufen, welcher dergleichen Dinge zu beurteilen wisse. Ich stand auf meinen Stufen, den Rücken gegen die Türe gelehnt, und überschaute das immer sich vermehrende Publikum. Die neugierigen starren Blicke, der gutmütige Ausdruck in den meisten Gesichtern und was sonst noch alles eine fremde Volksmasse charakterisieren mag, gab mir den lustigsten Eindruck. Ich glaubte, das Chor der Vögel vor mir zu sehen, das ich als Treufreund auf dem Ettersburger Theater oft zum besten gehabt. Dies versetzte mich in die heiterste Stimmung, so dass, als der Podestà mit seinem Aktuarius herankam, ich ihn freimütig begrüßte und auf seine Frage, warum ich ihre Festung abzeichnete, ihm bescheiden erwiderte, dass ich dieses Gemäuer nicht für eine Festung anerkenne. Ich machte ihn und das Volk aufmerksam auf den Verfall dieser Türme und dieser Mauern, auf den Mangel von Toren, kurz auf die Wehrlosigkeit des ganzen Zustandes und versicherte, ich habe hier nichts als eine Ruine zu sehen und zu zeichnen gedacht.
Man entgegnete mir: wenn es eine Ruine sei, was denn dran wohl merkwürdig scheinen könne? Ich erwiderte darauf, weil ich Zeit und Gunst zu gewinnen suchte, sehr umständlich, dass sie wüssten, wie viele Reisende nur um der Ruinen willen nach Italien zögen, dass Rom, die Hauptstadt der Welt, von den Barbaren verwüstet, voller Ruinen stehe, welche hundert- und aber hundertmal gezeichnet worden, dass nicht alles aus dem Altertum so erhalten sei, wie das Amphitheater zu Verona, welches ich denn auch bald zu sehen hoffte.
Der Podestà, welcher vor mir, aber tiefer stand, war ein langer, nicht gerade hagerer Mann von etwa dreißig Jahren. Die stumpfen Züge seines geistlosen Gesichts stimmten ganz zu der langsamen und trüben Weise, womit er seine Fragen hervorbrachte. Der Aktuarius, kleiner und gewandter, schien sich in einen so neuen und seltnen Fall auch nicht gleich finden zu können. Ich sprach noch manches dergleichen; man schien mich gern zu hören, und indem ich mich an einige wohlwollende Frauengesichter wendete, glaubte ich, Beistimmung und Billigung wahrzunehmen.
Als ich jedoch des Amphitheaters zu Verona erwähnte, das man im Lande unter dem Namen Arena kennt, sagte der Aktuarius, der sich unterdessen besonnen hatte, das möge wohl gelten, denn jenes sei ein weltberühmtes römisches Gebäude, an diesen Türmen aber sei nichts Merkwürdiges, als dass es die Grenze zwischen dem Gebiete Venedigs und dem östreichischen Kaiserstaate bezeichne und deshalb nicht ausspioniert werden solle. Ich erklärte mich dagegen weitläufig, dass nicht allein griechische und römische Altertümer, sondern auch die der mittlern Zeit Aufmerksamkeit verdienten. Ihnen sei freilich nicht zu verargen, dass sie an diesem von Jugend auf gekannten Gebäude nicht so viele malerische Schönheiten als ich entdecken könnten..."
Goehte erklärte, dass er aus Frankfurt am Main sei, nicht aus Österreich. Eine junge Frau erinnerte sich, dass ein Einwohner Malcesines, Master Gregario, mehrere Jahre in Frankfurt gelebt hatte und es wurde nach diesem geschickt. Er kam und sprach mit Goethe.
"...Als ich ihm nun die genaueste Auskunft fast über alles gegeben, um was er mich befragt, wechselten Heiterkeit und Ernst in den Zügen des Mannes. Er war froh und gerührt, das Volk erheiterte sich immer mehr und konnte unserm Zwiegespräch zuzuhören nicht satt werden, wovon er freilich einen Teil erst in ihren Dialekt übersetzen musste.
Zuletzt sagte er: »Herr Podestà, ich bin überzeugt, dass dieses ein braver, kunstreicher Mann ist, wohl erzogen, welcher herumreist, sich zu unterrichten. Wir wollen ihn freundlich entlassen, damit er bei seinen Landsleuten Gutes von uns rede und sie aufmuntere, Malcesine zu besuchen, dessen schöne Lage wohl wert ist, von Fremden bewundert zu sein.« Ich verstärkte diese freundlichen Worte durch das Lob der Gegend, der Lage und der Einwohner, die Gerichtspersonen als weise und vorsichtige Männer nicht vergessend."
Autor/Urheber: High Contrast, Lizenz: CC BY 3.0 de
Castello Scaligero in Malcesine am Gardasee.
Autor/Urheber: Tschubby, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Positionskarte von Venetien (Italien)