Satz von Rice

Der Satz von Rice ist ein Ergebnis der Theoretischen Informatik. Benannt wurde der Satz nach Henry Gordon Rice, der ihn 1953 veröffentlichte.[1] Er besagt, dass es unmöglich ist, eine beliebige nicht-triviale Eigenschaft der erzeugten Funktion einer Turing-Maschine (oder eines Algorithmus in einem anderen Berechenbarkeitsmodell) algorithmisch zu entscheiden.

Für spezielle Klassen von Algorithmen ist es zwar möglich – auch automatisiert – einzelne Eigenschaften nachzuweisen. Es gibt jedoch kein allgemeines Verfahren, das für jeden Algorithmus feststellen kann, ob die von ihm beschriebene Funktion ein gewünschtes, in einer üblichen formalen Sprache gegebenes Verhalten zeigt.

Satz

Es sei die Menge aller partiellen Turing-berechenbaren Funktionen und eine nicht-leere, echte Teilmenge davon. Außerdem sei eine effektive Nummerierung vorausgesetzt, die einer natürlichen Zahl die dadurch codierte Turing-Maschine zuordnet.

Dann ist die Menge nicht entscheidbar.

Nach Konstruktion liegen Indizes äquivalenter Turing-Maschinen entweder alle in oder alle im Komplement. Man sagt auch, dass eine semantische Eigenschaft von Turing-Maschinen beschreibt, entsprechend heißt eine semantische Menge.

Anwendungen

Aus dem Satz von Rice folgt beispielsweise, dass es keinen Algorithmus gibt, der für jede Turing-Maschine entscheidet, ob sie für jede Eingabe hält oder nicht. ist hierbei die Menge aller total berechenbaren Funktionen.

Ebenso ist es nicht entscheidbar, ob eine Turing-Maschine eine vorgegebene Funktion berechnet. enthält dann nur diese eine Funktion. Daraus folgt, dass erst recht das Problem der Programmäquivalenz nicht entscheidbar ist.

Auch lässt sich nicht entscheiden, ob die berechnete Funktion etwa injektiv, surjektiv, monoton oder konstant ist.

Beweisidee

Der Beweis ist eine Many-One-Reduktion des speziellen Halteproblems auf für beliebiges nicht-triviales . Er wird hier durch Pseudocode skizziert.

Es sei nicht-trivial. Wir können ohne Einschränkung annehmen, dass die überall undefinierte Funktion nicht in liegt, sonst gehe man zum Komplement über. Sei weiter eine beliebige, fest gewählte Funktion (hier geht ein, dass nicht-trivial ist), die durch die Turing-Maschine berechnet werde.

Man betrachte für eine beliebige Turing-Maschine den folgenden Algorithmus:

Funktion :
simuliere mit Eingabe
simuliere anschließend mit Eingabe
Ausgabe

Er hat folgende Eigenschaften:

  • Die Gödelnummer von ist aus berechenbar. Dies geschehe durch die Funktion , d. h.
  • Falls auf der Eingabe terminiert, berechnet dieselbe Funktion wie , also gerade und damit eine Funktion aus .
  • Andernfalls berechnet die überall undefinierte Funktion , also gemäß obiger Annahme eine Funktion aus dem Komplement von .
  • Nach Voraussetzung liegt also die von berechnete Funktion genau dann in , wenn die Berechnung von terminiert.

Wäre nun durch eine Turing-Maschine entscheidbar, so würde man durch Davorschalten eines Algorithmus für schließlich zu einem Algorithmus zur Lösung des speziellen Halteproblems gelangen, genauer hätte man für jede natürliche Zahl , dass hält auf genau dann wenn auf die Ausgabe 1 hat, das heißt feststellt, dass in liegt. Da dies nicht möglich ist, kann nicht entscheidbar sein.

Analogon für rekursiv aufzählbare Eigenschaften

Auf eine analoge Weise lassen sich die rekursiv aufzählbaren (r. a.) semantischen Eigenschaften von Turing-Maschinen charakterisieren.[2] Sei ein System von r. a. Mengen. Dann ist die Indexmenge

genau dann selbst r. a., wenn es eine r. a. Menge von Gödelnummern endlicher Mengen mit folgender Eigenschaft gibt:

Das heißt, enthält genau die rekursiv aufzählbaren Mengen, die eine endliche Teilmenge haben, deren Gödelnummer in liegt.

Dass eine solche Menge rekursiv aufzählbar ist, ist leicht einzusehen. Man startet dazu nacheinander die Berechnungen aller Turingmaschinen und gleichzeitig eine Aufzählung von . Immer wenn es eine Turing-Maschine gibt, die bereits alle Elemente einer schon aufgezählten endlichen Menge ausgegeben hat, gibt man aus. Dass alle anderen Mengen nicht rekursiv aufzählbar sein können, lässt sich ähnlich dem Satz von Rice durch die Unlösbarkeit des Halteproblems zeigen.

Literatur

  • Hartley Rogers: Theory of recursive functions and effective computability. McGraw-Hill, 1967.

Einzelnachweise

  1. Henry Gordon Rice: Classes of recursively enumerable sets and their decision problems. In: Transactions of the American Mathematical Society. Band 74, 1953, S. 358–366, doi:10.2307/1990888.
  2. Rogers 1967, 324