Satz von Euler (Primzahlen)

Einer der zahlreichen Lehrsätze von Leonhard Euler im mathematischen Teilgebiet der Analysis ist der Satz von Euler über die Summation der Kehrwerte der Primzahlen. Dieser besagt, dass die aus diesen Kehrwerten gebildete Reihe divergiert. Der Beweis dieses Lehrsatzes beruht wesentlich auf dem Fundamentalsatz der Arithmetik und der Divergenz der harmonischen Reihe. Der Satz geht auf das Jahr 1737 zurück[1] und aus ihm folgt unmittelbar, dass es unendlich viele Primzahlen gibt.

Formulierung des Satzes

Sei die Folge aller Primzahlen. Für die Summe aller Kehrwerte gilt:

Geschichte

Aus seinen Überlegungen zum Euler-Produkt konnte Euler 1737 seinen Satz folgern. Er hatte auch eine Idee von der Größenordnung der Partialsummen:

„Die Summe der reziproken Reihe der Primzahlen ist unendlich groß, dennoch unendlich mal kleiner als die Summe der harmonischen Reihe . Und die Summe jener ist quasi der Logarithmus dieser Summe.“

Seine Lösung war für ihn ein Indikator, dass die Primzahlen wesentlich dichter liegen müssen als die Quadratzahlen, da er bei der Lösung des Basler Problems mit bewiesen hatte, dass die unendliche Summe der Kehrwerte aller Quadratzahlen gegen einen endlichen Grenzwert strebt. Dieses Argument ist jedoch nur von heuristischer Natur – bis heute ist nicht einmal bekannt, ob zwischen zwei benachbarten Quadratzahlen stets eine Primzahl liegt (diese Fragestellung ist auch als die Legendresche Vermutung bekannt).

Beweis des Satzes von Euler

Einer von mehreren möglichen Beweisen, die nur elementare Ergebnisse der Analysis benutzen, ist der folgende:[3][4][5][6]

Die Eulersche Zahl e ist der Grenzwert

Eine Umformung der Bernoullischen Ungleichung ergibt zunächst für alle . Dies führt für jede Primzahl zu der Ungleichung

.

Folglich erhält man mittels Bruchrechnung und natürlichem Logarithmus:

Nun sei eine beliebige natürliche Zahl und es sei die endliche Folge aller Primzahlen bis zur Zahl .

Es gilt dann unter Ausnutzung der Produktregel für Logarithmen:

In Verbindung mit dem bekannten Grenzwert

genügt es daher zum Beweis der behaupteten Divergenz zu zeigen, dass

mit wachsendem ebenfalls über alle Grenzen wächst.

Dazu bezieht man zunächst die Eigenschaften der geometrischen Reihe ein und leitet dadurch die weiter unten angegebene Identität ab:

Innerhalb jeder Klammerung befindet sich eine absolut konvergente Reihe.

Wegen des Fundamentalsatzes der Arithmetik erhält man durch das Ausmultiplizieren der Klammern den Kehrwert jeder natürlichen Zahl genau einmal.

Damit hat man die folgende Identität:

, *: Aufsummiert werden 1 und die Kehrwerte aller , deren Primteiler kleiner oder gleich sind.

Mit einem über alle Grenzen wachsenden nähert sich die rechte Seite der Gleichung der harmonischen Reihe an. Diese divergiert und somit divergiert auch die linke Seite.

Der Beweis ist erbracht.

Erläuterungen zum Beweis

  • Durch Erweiterungen von Zähler und Nenner mit p und anschließend -1+1 im Zähler ergeben sich die oben durchgeführten Umformungen:

  • Terme für

Die nach dem Ausklammern entstandene Summe enthält beispielsweise die Kehrwerte von , und .

Die Vielfachen von werden erst mit wachsendem gebildet.

Anmerkungen und Ergänzungen

hat, folgt aus dem Satz auch, „dass es in einem wohlbestimmten Sinne mehr Prim- als Quadratzahlen gibt.“[7] „Dennoch ist es ein offenes und anscheinend sehr schwieriges Problem, ob zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Quadratzahlen immer eine Primzahl liegt.“[8]
  • Potenziert man in der obigen Primzahlkehrwertreihe alle Primzahlen mit einem Exponenten so gewinnt man statt einer divergenten stets eine konvergente Reihe, denn die zugehörige Zeta-Reihe ist eine konvergente Majorante:
Leonhard Euler hat diese Reihenwerte in der Introductio für gerade ganzzahlige systematisch errechnet und bis auf 15 Nachkommastellen genau angegeben. So nennt er u. a. die folgenden Näherungswerte:[9]
(Folge A085548 in OEIS)
(Folge A085964 in OEIS)
(Folge A085966 in OEIS)
(Folge A085968 in OEIS)

Die Berechnungen von Leonhard Euler und die OEIS-Folgen unterscheiden sich frühestens ab der 13. Nachkommastelle.

(Folge A078437 in OEIS)
  • Dem gegenüber steht das von Paul Erdős gestellte und – soweit heute bekannt – bislang ungelöste Problem, ob die alternierende Reihe
konvergiert oder divergiert.
  • Die verwandte Reihe
ist divergent.[11][12]

Literatur

  • Alexander Schmidt: Einführung in die algebraische Zahlentheorie. Springer Verlag, Berlin (u. a.) 2007, ISBN 978-3-540-45973-6.
  • Richard K. Guy: Unsolved Problems in Number Theory (= Problem Books in Mathematics). 3. Auflage. Springer-Verlag, New York 2004, ISBN 0-387-20860-7.
  • József Sándor, Dragoslav S. Mitrinović, Borislav Crstici: Handbook of Number Theory. I. Springer Verlag, Dordrecht 2006, ISBN 1-4020-4215-9.
  • J. Barkley Rosser, Lowell Schoenfeld: Approximate formulas for some functions of prime numbers. In: Illinois J. Math. Band 6, 1962, S. 64–94 (projecteuclid.org).
  • Friedrich Ischebeck: Einladung zur Zahlentheorie. BI-Wissenschaftsverlag, Berlin (u. a.) 1992, ISBN 3-411-15451-9.
  • Steven R. Finch: Mathematical Constants (= Encyclopedia of Mathematics and its Applications. Band 94). Cambridge University Press, Cambridge (u. a.) 2003, ISBN 0-521-81805-2.
  • Leonhard Euler: Einleitung in die Analysis des Unendlichen. Erster Teil der Introductio in Analysin Infinitorum. Springer Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1983, ISBN 3-540-12218-4 (Reprint der Ausgabe Berlin 1885).
  • Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen (= Die Grundlehren der Mathematischen Wissenschaften. Band 2). 5., berichtigte Auflage. Springer Verlag, Berlin (u. a.) 1964, ISBN 3-540-03138-3.

Einzelnachweise

  1. Knopp: S. 461.
  2. Leonhard Euler: Variae observationes circa series infinitas. 25. April 1737, Commentarii academiae scientiarum imperialis Petropolitanae 9, 1744, S. 160–188 (lateinisch; Euler-Produkt als „Theorema 19“ auf S. 187 f.). Deutsche Übersetzung (PDF) von Alexander Aycock.
  3. Leonhard Euler: Einleitung in die Analysis des Unendlichen., § 273, Seite 226–227
  4. Schmidt: Einführung … S. 5–6.
  5. Ischebeck: Einladung … S. 38–39.
  6. Knopp: Theorie … (§§ 17, 58). S. 146–147, 461.
  7. Schmidt: S. 6.
  8. Ischebeck: S. 40.
  9. Leonhard Euler: Einleitung in die Analysis des Unendlichen., § 282, Seite 237
  10. Finch: Mathematical Constants (Kap. 2.2). S. 94 ff., 96.
  11. Finch: S. 96.
  12. Guy: Unsolved Problems … (Abschnitt E7). S. 316.