Sardanapal

Johann Theodor de Bry: Sardanapal im Bade

Sardanapal(os) gehörte außer Semiramis bei den alten Griechen und Römern zu den bekanntesten legendären Gestalten des orientalischen Altertums. Nach dem antiken griechischen Geschichtsschreiber Ktesias von Knidos soll er der letzte König des Assyrischen Reichs gewesen sein. Erst die moderne Assyriologie enthüllte, dass in Wirklichkeit Aššur-uballiṭ II. als letzter König von 612–608 v. Chr. über Assyrien herrschte.

Legendäre griechische Berichte

Als Erster erwähnt der in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. schreibende griechische Geschichtsschreiber Herodot die Gestalt des Sardanapal. Dieser sei ein sehr reicher König von Ninos (= Ninive) gewesen; seine Schatzhäuser seien aber von diebischen Nachbarn untergraben und beraubt worden.[1] Auch in einem Fragment aus den verlorenen Werken des Hellanikos wird auf Sardanapal Bezug genommen. Wahrscheinlich gestaltete zuerst Ktesias von Knidos in seinen Persika die Sardanapal-Sage voll aus. Sein Werk blieb nur sehr fragmentarisch erhalten, doch liegen größere Bruchstücke bezüglich Ktesias’ Bericht über Sardanapal vor allem beim griechisch-sizilischen Historiker Diodor vor. Daneben dürften zwei Fragmente aus der Weltgeschichte des Nikolaos von Damaskus, die Sardanpal behandeln, auf der Darstellung des Ktesias beruhen. Athenaios sowie die Chroniken des Eusebius von Caesarea und Synkellos geben ebenfalls kurze Auszüge aus Ktesias’ Bericht.[2]

Laut der Darstellung Diodors im zweiten Buch seiner Historischen Bibliothek hätten, beginnend mit Ninos, 30 Könige über Assyrien geherrscht, deren letzter Sardanapal gewesen sei. Diodor erzählt, dass Sardanapal noch ärger als seine Vorgänger genusssüchtig war, nie seinen Palast verließ und sich einer weibischen Lebensart hingab. Er zog nur Frauenkleidung an, hielt sich Konkubinen und fand beständiges Vergnügen im Spinnen von Purpurgewändern und feiner Wolle. Er schminkte sich auch wie eine Frau und besaß eine feminine Stimme. Neben erlesenen Mahlzeiten frönte er sinnlichen Ausschweifungen mit beiderlei Geschlechtern.[3]

Sehr ausführlich schildert Diodor das Ende des Sardanapal. Demnach hielt sich dieser zu seinem Schutz eine sehr starke Leibwache, die unter dem Befehl von jährlich wechselnden Kommandanten stand. Als der tapfere Meder Arbakes den Oberbefehl über die Leibwache führte, machte er Bekanntschaft mit Belesys, dem Anführer der Babylonier. Belesys war Sterndeuter und weissagte, dass es Arbakes’ Bestimmung sei, anstelle des Sardanapal die Herrschaft über Assyrien anzutreten. Arbakes vermochte nun die anderen Feldherren auf seine Seite zu ziehen und bot Belesys im Fall seines Erfolgs an, ihn zum Statthalter Babyloniens zu ernennen. Auch bestach er einen Eunuchen, um sich Zutritt zu Sardanapal zu verschaffen. So konnte er dessen würdeloses Leben beobachten, was ihn in seinem Entschluss zur Rebellion bestärkte.[4]

Nachdem Arbakes seinen Dienst als Kommandant der Leibwache nach einem Jahr niedergelegt hatte, kehrte er in seine Heimat zurück und stachelte die Meder und Perser zum Aufstand an. Belesys tat das Gleiche bei den Babyloniern und Arabern. Nach Abwarten des restlichen Jahres zogen Arbakes und seine Verbündeten mit einer aus 400.000 Soldaten bestehenden Armee gegen Ninive, um scheinbar die momentane Leibwache Sardanapals abzulösen; indessen wollten sie aber tatsächlich ihren Plan zum Sturz des Königs realisieren und das assyrische Reich vernichten. Sardanapal erlangte bald von der Rebellion Kenntnis und sandte Militärkontingente anderer Völker gegen die Aufständischen, die eine schwere Niederlage erlitten und sich ins 70 Stadien von Ninive entfernte Gebirge zurückzogen. Die Rebellen griffen dann Ninive zum zweiten Mal an, erlitten aber gegen die von Sardanapal kommandierten königstreuen Truppen erneut eine Niederlage und mussten wieder zurückweichen. Immerhin war keiner der Empörer Sardanapals Aufruf gefolgt, gegen eine Belohnung von 200 Talenten Gold ihre Anführer Arbakes und Belesys zu töten. Belesys bedurfte viel Überzeugungskraft, seine Mitstreiter zu einer neuen Attacke gegen Ninive zu bewegen. Doch auch dieser dritte Angriff schlug fehl; Sardanapal blieb wiederum siegreich und verfolgte die fliehenden Rebellen bis an die Grenze Babyloniens. Arbakes hatte bei den Kämpfen eine Verletzung erlitten.[5]

Trotz dieser schweren Niederlagen vermochte Belesys nochmals, die Stimmung der besiegten Soldaten zu heben, indem er ihnen versicherte, seine Beobachtung des Sternenhimmels habe ihm gezeigt, dass sie nach fünf Tagen Beistand erhielten. Zwar erfuhren die Aufständischen nach Ablauf dieser Frist, dass ein baktrisches Heer nahe, um Sardanapals Armee zu verstärken, doch vermochte Arbakes diese Hilfstruppen auf seine Seite zu ziehen. Sardanapal blieb dieser Seitenwechsel der Baktrer unbekannt; er vergnügte sich inzwischen und ließ seinen vor der Stadt kampierenden Kriegern ein Festessen ausrichten. Arbakes überfiel des Nachts das Lager der zechenden Soldaten, die auch vom Weingenuss berauscht waren, tötete zahlreiche von ihnen und verfolgte die restlichen bis vor die Tore Ninives. Sardanapal übertrug nun den Oberbefehl über die Streitkräfte seinem Schwager Salaimenes und organisierte selbst die Verteidigung der Stadt. Die Empörer gewannen zwei vor den Mauern der Stadt ausgetragene Schlachten gegen die assyrische Armee, wobei Salaimenes fiel. Viele von dessen Soldaten wurden auf der Flucht getötet, und die meisten anderen konnten nicht mehr nach Ninive hineingelangen, sondern wurden in den Euphrat getrieben, woraufhin der Strom aufgrund des Blutes der zahlreichen Toten eine rötliche Färbung annahm. Sardanapal selbst wurde in seiner Stadt eingeschlossen und musste vom Abfall weiterer ihm untergebener Völker erfahren.[6]

Sardanapal übergab seinen drei Söhnen und zwei Töchtern große Schätze und trug ihnen auf, den Statthalter Paphlagoniens, Kottas, aufzusuchen, den er für äußerst loyal hielt. Auch forderte er seine Untertanen brieflich zur Entsendung von Hilfstruppen auf. Er hatte einen von seinen Ahnen weitergegebenen Götterspruch in Erinnerung, dass Ninive nicht erstürmt werden könne, falls sich nicht zuvor der Euphrat der Stadt feindlich gezeigt hätte. Dies hielt Sardanapal für ausgeschlossen. Tatsächlich konnte die Rebellen die mit ausreichenden Vorräten versehene Stadt in den nächsten beiden Jahren aufgrund von deren starken Mauern nicht erobern, denn damals gab es noch keine hierfür benötigte Belagerungsmaschinen. Als aber der Euphrat im dritten Jahr der Belagerung aufgrund von lang andauerndem und heftigem Regen Überschwemmungen verursachte und dadurch ein Stück der Stadtmauern einstürzte, glaubte Sardanapal, dass die alte Prophezeiung nunmehr in Erfüllung ginge. Er fürchtete seine Gefangennahme durch die Feinde, ließ im Palast einen großen Scheiterhaufen aufschichten, darauf seine Schätze auftürmen und suchte mit seinen Konkubinen und Eunuchen eine Kammer im Innern des Scheiterhaufens auf. Dieser wurde daraufhin seinem Wunsch gemäß in Brand gesetzt, sodass der ganze Palast in Flammen aufging. Die Aufständischen verschafften sich in Ninive Einlass und Arbakes wurde neuer Herrscher.[7]

Historische Einordnung

In die Legende von Sardanapal dürften Züge mehrerer historischer Personen wie jene des assyrischen Königs Sanherib und des babylonischen Königs Šamaš-šuma-ukin eingeflossen sein. Es finden sich darin aber auch rein märchenhafte Motive.[8]

Sardanapal begründete angeblich Anchiale, eine Stadt in Kilikien. Alexander der Große sah hier angeblich ein Standbild des Königs, zusammen mit einer Inschrift, die besagte: „Anchiale und Tarsos hat Sardanapal an einem Tag begründet; Du aber, Fremdling, iss, trinke, liebe; was sonst der Mensch hat, ist der Rede nicht wert.“

Nachwirkung

  • Aristoteles erwähnt Sardanapal, als er über die wichtigsten Lebensformen schreibt, im Zusammenhang der Lebensweise der Mehrheit:

„Die Menge erweist sich als ganz sklavisch, indem sie die Lebensweise des Viehs vorzieht; sie hat dafür allerdings insofern eine gewisse Rechtfertigung, als auch viele Mächtige die Neigungen des Sardanapal teilen.“

  • Aus der Feder des deutschen Komponisten Christian Ludwig Boxberg stammt die 1698 uraufgeführte Oper Sardanapalus.
  • Der britische Dichter George Byron veröffentlichte 1821 eine Goethe gewidmete Tragödie mit dem Titel Sardanapal.
  • Der erste Teil des 1906 uraufgeführten Oratoriums Totentanz von Felix Woyrsch behandelt das Ende Sardanapals.
  • Der Name Saranapal konnte in der Neuzeit einen Menschen als Inbegriff sexueller Perversion brandmarken.[10]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Herodot, Historien 2, 150.
  2. Franz Heinrich Weißbach: Sardanapal. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I A,2, Stuttgart 1920, Sp. 2436–2475 (hier: Sp. 2437).
  3. Diodor, Bibliothḗkē historikḗ 2, 21, 8 und 2, 23, 1 f.
  4. Diodor, Bibliothḗkē historikḗ 2, 24, 1–4.
  5. Diodor, Bibliothḗkē historikḗ 2, 24, 5 – 25, 6.
  6. Diodor, Bibliothḗkē historikḗ 2, 25, 7 – 26, 7.
  7. Diodor, Bibliothḗkē historikḗ 2, 26, 8 – 27, 3.
  8. Wolfgang Röllig: Sardanapal. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 4, Stuttgart 1972, Sp. 1551.
  9. Aristoteles: Nikomachische Ethik übersetzt von Dorothea Frede. Berlin; Boston: de Gruyter, 2020. ISBN 978-3-11-055948-4, S. 6.
  10. Pierre Jarriage: Nachricht von den vielen Lastern, welche die Jesuiten in der Provinz Quienne begangen haben. ohne Ort, 1761, S. 90, wo er den Prediger Etienne Petiot als Päderasten herausstellt und ihn unseren Saranapal nennt. Zitiert nach: Ulrich L. Lehner: Inszenierte Keuschheit. De Gruyter, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-311-131098-5, S. 83.

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