Sanremo-Festival 1967

Sanremo-Festival 1967
Ausgabe17
Datum26.–28. Januar
OrtCasinò Municipale in Sanremo
Ausstrah­lungProgramma Nazionale (TV), Secondo programma (Radio)
ModerationMike Bongiorno, Renata Mauro
Teilnehmer59 (mit 30 Liedern)
SiegerIva Zanicchi / Claudio Villa – Non pensare a me
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Die 17. Ausgabe des Festival della Canzone Italiana di Sanremo fand 1967 vom 26. bis 28. Januar im städtischen Kasino in Sanremo statt und wurde von Mike Bongiorno und Renata Mauro moderiert.

Ablauf

Allgemein

Das städtische Kasino, Veranstaltungsort des Sanremo-Festivals

Im Jahr 1967 wurde der nie wieder erreichte Rekord von 58 Teilnehmern aufgestellt. Diese interpretierten 30 Lieder, wobei nur die internationalen Gäste Gene Pitney, The Bachelors und Cher (einmal als Teil von Sonny and Cher) an je zwei Liedern beteiligt waren. Wie im Vorjahr gelangten durch Juryabstimmung 14 Lieder ins Finale. Zum fünften Mal in Folge moderierte Mike Bongiorno die Veranstaltung, diesmal zusammen mit der jungen Renata Mauro. 25 Dirigenten waren für das Orchester verantwortlich, die Gesamtleitung des Festivals oblag nach wie vor Gianni Ravera. Aus Platzgründen wurden die Auftritte verteilt: Solointerpreten traten wie gehabt im Salone delle feste auf, teilnehmende Gruppen fanden ihre Bühne im ebenfalls im Kasino untergebrachten Teatro dell’Opera.

Unter den Teilnehmern fanden sich eine Menge „Festivalveteranen“, so Claudio Villa, Iva Zanicchi, Domenico Modugno, Bobby Solo, Ornella Vanoni, Johnny Dorelli, Milva, Betty Curtis, Pino Donaggio, Little Tony und Giorgio Gaber. Auf der Erfolgswelle von Nessuno mi può giudicare, dem „moralischen Sieger“ des letzten Jahres, kehrte auch Caterina Caselli zum Festival zurück. Es debütierten hingegen Mino Reitano (mit einem von Lucio Battisti und Mogol geschriebenen Lied), Peppino di Capri, Memo Remigi und die Gruppe I Giganti.

Bei den Jurys durchsetzen konnte sich im Finale schließlich das von Frank Sinatras Strangers in the Night inspirierte Non pensare a me von Claudio Villa und Iva Zanicchi. Villa konnte mit diesem vierten Sieg zu Domenico Modugno aufschließen, und bis heute gelangen keinem Interpreten mehr als vier Siege.

Das „Trauma“ Luigi Tenco

Das Sanremo-Festival 1967 wurde von einem tragischen Ereignis überschattet, das als kulturelles Trauma die gesamte italienische Popmusik beeinflussen sollte: der Suizid Luigi Tencos. Der 29-jährige Cantautore aus der Genueser Schule hatte nach einer bereits achtjährigen Karriere erstmals am Wettbewerb teilgenommen. Sein Lied Ciao amore ciao, das die italienische Auswanderung thematisierte und in der zweiten Version von Dalida gesungen wurde, wurde am ersten Abend präsentiert und qualifizierte sich nicht für das Finale. Die zusätzliche Jury, die ein bereits ausgeschiedenes Lied wieder in den Wettbewerb zurückholen konnte, entschied sich für La rivoluzione. In der Nacht fand man Tenco tot in seinem Hotelzimmer, offenbar getötet durch einen Schuss in den Kopf. Nicht zuletzt der Abschiedsbrief machte deutlich, dass es sich um Suizid handelte:

„Ich habe das italienische Publikum geliebt und ihm sinnloserweise fünf Jahre meines Lebens geopfert. Ich tue dies nicht, weil ich des Lebens überdrüssig bin (ganz im Gegenteil), sondern als Akt des Protests gegen ein Publikum, welches Io tu e le rose ins Finale wählt und wegen einer Jury, welche La rivoluzione kürt. Ich hoffe, dass dies jemandem zu Klarheit verhilft.“

Trotz des Vorfalls wurden die zwei verbleibenden Abende des Festivals planmäßig über die Bühne gebracht. Die Presse berichtete vielfältig über Tencos Tod und viele Spekulationen über die genauen Todesumstände machten die Runde, doch seine Beerdigung wurde von der Öffentlichkeit und auch den Musikerkollegen kaum wahrgenommen. Ugo Zatterin, Vorsitzender der Rückhol-Jury, drängte die Angelegenheit aus dem Festival-Kontext und stellte Tenco als psychisch instabil dar. Diese Auffassung wurde auch in das Ereignis thematisierenden Parlamentsanfragen durch die Democrazia Cristiana deutlich. Doch in weniger konservativen Kreisen wurden der Suizid bald als soziale Anklage und Tenco als warnender Vorbote verstanden. Der Cantautore galt nun als Verkörperung einer Generation, die den Anschluss an die Realität zu verlieren drohte. Vor allem aber sah man ihn als Opfer des Marktes und der Unterhaltungsindustrie. Viele junge Menschen erhöhten Luigi Tenco zu einer kulturellen Ikone und lehnten gleichzeitig das Sanremo-Festival vehement ab. 1972 entstand daher in Sanremo der Club Tenco (Verleiher von Tenco-Preis und Targa Tenco), der sich künftig für Förderung von Musik abseits des Mainstreams einsetzte.[1]

Aufzeichnungen

Ursprünglich glaubte man sämtliche Aufzeichnungen des Festivals verloren, da die Rai ihre Magnetbänder von Direktaufzeichnungen damals nicht aufbewahrte. Im Januar 2017 fand man jedoch einen Teil der Eurovision-Aufnahmen im Ausland (das Finale war in Eurovision auch im Ausland übertragen worden). Die Rai stellte daraufhin eine rekonstruierte Version des Finales auf Rai Play online zur Verfügung.[2]

Kandidaten

Platzierung[3]InterpretLiedAutoren
1Iva Zanicchi / Claudio VillaNon pensare a meAlberto Testa, Eros Sciorilli
2Annarita Spinaci / Les SurfsQuando dico che ti amoAlberto Testa, Tony Renis
3I Giganti / The BachelorsPropostaAlbula, Giordano Bruno Martelli
4Ornella Vanoni / Mario GuarneraLa musica è finitaNisa, Franco Califano, Umberto Bindi
5Orietta Berti / Les Compagnons de la ChansonIo, tu e le roseDaniele Pace, Mario Panzeri, Mario Giacomo Gili, Luigi Barazzetti
6Lucio Dalla / The RokesBisogna saper perdereGiuseppe Cassia, Ruggero Cini
7Memo Remigi / Sergio EndrigoDove credi di andareSergio Endrigo
8Gian Pieretti / AntoinePietreGian Pieretti, Ricky Gianco
9Don Backy / Johnny DorelliL’immensitàDon Backy, Mogol, Detto Mariano
10Little Tony / Mario ZelinottiCuore mattoArmando Ambrosino, Totò Savio
11Carmen Villani / Pino DonaggioIo per amorePino Donaggio, Gino Paoli, Vito Pallavicini
Wilma Goich / The BachelorsPer vedere quanto grande è il mondoMogol, Carlo Donida
13Giorgio Gaber / Remo Germani…E allora dai!Giorgio Gaber
Gianni Pettenati / Gene PitneyLa rivoluzioneMogol, Roberto Soffici
Caterina Caselli / Sonny & CherIl cammino di ogni speranzaUmberto Napolitano
Bobby Solo / Connie FrancisCanta ragazzinaProg, Iller Pattacini, Carlo Donida
Riki Maiocchi / Marianne FaithfullC’è chi speraMario Panzeri, Daniele Pace, Gene Colonnello
Luigi Tenco / DalidaCiao amore ciaoLuigi Tenco
Peppino di Capri / Dionne WarwickDedicato all’amoreAlberto Testa, Daniele Pace, Flavio Carraresi
Carmelo Pagano / Roberta AmadeiDevi aver fiducia in meFrancesco Specchia, Renato Martini
Betty Curtis / Tony Del MonacoÈ più forte di meTony Del Monaco, Enrico Polito
Fred Bongusto / Anna GermanGiVito Pallavicini, Antonio Amurri, Fred Bongusto
Nicola Di Bari / Gene PitneyGuardati alle spalleLuciano Beretta, Daniele Pace
Nico Fidenco / CherMa piano (per non svegliarti)Gianni Meccia
Edoardo Vianello / Jimmy FontanaNasce una vitaSergio Bardotti, Jimmy Fontana
Mino Reitano / The HolliesNon prego per meMogol, Lucio Battisti
Los Marcellos Ferial / The HappeningsQuando vedròMarisa Terzi, Carlo Alberto Rossi
Donatella Moretti / Bobby GoldsboroUna ragazzaVito Pallavicini, Bruno Pallesi, Walter Malgoni
Domenico Modugno / GidiuliSopra i tetti azzurri del mio pazzo amoreVito Pallavicini, Domenico Modugno
Milva / Los BravosUno come noiUmberto Martucci, Giorgio Bertero, Marino Marini

Erfolge

Elf der 14 Finalbeiträge erreichten im Anschluss die Top 15 der italienischen Singlecharts, drei davon in beiden Versionen. Von den ausgeschiedenen Liedern konnte – verständlicherweise – nur Luigi Tencos Ciao amore ciao die Charts erreichen.

Am erfolgreichsten war in diesem Jahr Little Tony mit Cuore matto, obwohl er im Wettbewerb nur den zehnten Platz erreicht hatte. Auch L’immensità von Don Backy und Johnny Dorelli sowie La proposta von den Giganti wurden zu Hits. Dem Siegerlied hingegen waren keine großen Erfolge beschieden. Claudio Villa wurde im Anschluss erneut zum Eurovision Song Contest geschickt, dort ging er jedoch mit dem Lied Non andare più lontano ins Rennen.

JahrTitelHöchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartsChartplatzierungen[4]
(Jahr, Titel, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 IT
1967Cuore mattoIT1
(20 Wo.)IT
Version von Little Tony
Platz 10
La propostaIT1
(14 Wo.)IT
Version von I Giganti
Platz 3
L’immensitàIT2
(21 Wo.)IT
Version von Johnny Dorelli
Platz 9
PietreIT2
(17 Wo.)IT
Version von Antoine
Platz 8
Io tu e le roseIT3
(14 Wo.)IT
Version von Orietta Berti
Platz 5
Bisogna saper perdereIT4
(11 Wo.)IT
Version von The Rokes
Platz 6
L’immensitàIT5
(8 Wo.)IT
Version von Don Backy
Platz 9
Ciao amore ciaoIT6
(10 Wo.)IT
Version von Luigi Tenco
Non pensare a meIT7
(5 Wo.)IT
Version von Claudio Villa
Platz 1
La rivoluzioneIT8
(5 Wo.)IT
Version von Gene Pitney
Platz 13
Quando dico che ti amoIT9
(5 Wo.)IT
Version von Annarita Spinaci
Platz 2
La rivoluzioneIT14
(2 Wo.)IT
Version von Gianni Pettenati
Platz 13
La musica è finitaIT15
(2 Wo.)IT
Version von Ornella Vanoni
Platz 4
Non pensare a meIT15
(1 Wo.)IT
Version von Iva Zanicchi
Platz 1
…E allora dai!IT15
(1 Wo.)IT
Version von Giorgio Gaber
Platz 13

Weblinks

Belege

  1. Marco Santoro: The Tenco effect. Suicide, San Remo, and the social construction of the canzone d’autore. In: Journal of Modern Italian Studies. Band 11, Nr. 3, 2006, S. 342–366, doi:10.1080/13545710600806862.
  2. Raiteche: 50 anni dopo recuperata la serata finale del Sanremo 1967. Rai News, 26. Januar 2017, abgerufen am 29. November 2021.
  3. Eddy Anselmi: Il Festival di Sanremo: 70 anni di storie, canzoni, cantanti e serate. DeAgostini, Mailand 2020, ISBN 978-88-511-7661-7, S. 130–131.
  4. M&D-Chartarchiv. Musica e dischi, abgerufen am 27. Juni 2016 (italienisch, kostenpflichtiger Abonnement-Zugang).

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Casino of Sanremo (Italian Riviera)