Sannerz

Sannerz
Gemeinde Sinntal
Koordinaten: 50° 19′ 24″ N, 9° 35′ 23″ O
Höhe: 322 m ü. NHN
Fläche:3,13 km²[1]
Einwohner:769 (31. Dez. 2020)[1]
Bevölkerungsdichte:246 Einwohner/km²
Eingemeindung:1. Dezember 1969
Eingemeindet nach:Sterbfritz
Postleitzahl:36391

Sannerz ist ein Ortsteil in der Gemeinde Sinntal im osthessischen Main-Kinzig-Kreis.

Geschichte

Gedenktafel an der Burg Steckelberg

Ortsgeschichte

Sannerz wurde, soweit bekannt, erstmals in einer Urkunde aus der Zeit um 950 als Sanderates erwähnt. In späteren Urkunden wurde der Ort unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[2] Sanderades (1295), Sanderatz (1355), Sandracz (1356), Sandertzts (1366), Sanhartz (1496), Sanrits (1648), Sannerts (1295). Der Ort wurde 1295 als villa (lateinisch; Dorf) und 1355 als villula (lateinisch; Dörflein) bezeichnet. Das Dorf entwickelte sich aus einer Gutshofsiedlung, die mit ihren Leibeigenen, Gebäuden sowie Acker- und Weideflächen ursprünglich zum Kloster Fulda gehörte.[3] Nach einem Tauschgeschäft fiel das Vermögen an Brun, den Bruder des Königs Otto I. In einer Urkunde von 1295 belegt, dass auch die Adelsfamilie von Steckelberg über Grundbesitz in Sannerz verfügte, der ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Linie Hutten-Steckelberg zufiel. In den folgenden Jahrzehnten vermehrte sich unter Lorenz von Hutten der Grundbesitz erheblich. Nachfolger auf dem Herrschaftssitz war sein Sohn Ulrich, Vater des gleichnamigen ersten Reichsritters, Humanisten und Dichters Ulrich von Hutten, der 1488 auf Burg Steckelberg geboren wurde.

Die Adelslinie Steckelberg-Hutten erlosch 1522 und fiel als Erbe an die Nachfahren Friedrichs von Hutten, die ihren Stammsitz in Altengronau hatten. Einer der späteren Abkömmlinge dieses Geschlechts, der Fürstabt Adolf von Dalberg stiftete in Sannerz eine besondere Propstei und unterstellte sie dem Hochstift Fulda, das damit bis zur Säkularisation 1802 zum unumschränkten Grundbesitzer in Sannerz, Herolz und Weiperz wurde. Ein Propsteigebäude errichtete 1776 der Abt von Piesport. Es gehört heute zum Gebäudekomplex der Don-Bosco-Jugendhilfeeinrichtung der Salesianer.

In den 1920er Jahren war Sannerz ein Treffpunkt der sogenannten religiösen Sozialisten und anderer Reformer unterschiedlicher Couleur. Grund dafür war der von Eberhard und Emmy Arnold ins Leben gerufene Bruderhof, eine kommunitäre Einrichtung, die an Ideen des Urchristentums und der Radikalen Reformation (Täufer, Hutterer) anknüpfte und diese mit den Gedanken der Wandervogelbewegung und des Religiösen Sozialismus verband. Zu den Tausenden von Gästen des Sannerzer Bruderhofs gehörten in jenen Jahren u. a. der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber, der Reformpädagoge Kees Boeke und der Theologe Hermann Kutter.[4]

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Die bis dahin selbstständige Gemeinde Sannerz wurde am 1. Dezember 1969 ein Ortsteil von Sterbfritz, das selbst am 1. Juli 1974 im Zuge der Gebietsreform in Hessen zum Main-Kinzig-Kreis kam, seine Selbständigkeit verlor und kraft Landesgesetz in die 1972 gebildete Gemeinde Sinntal eingegliedert wurde.[5][6] Für Sannerz wurde, wie für die übrigen Ortsteile von Sinntal, ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[7]

Verwaltungsgeschichte im Überblick

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten, in denen Sannerz lag:[2][8]

Bevölkerung

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Sannerz 723 Einwohner. Darunter waren 18 (2,5 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 129 Einwohner unter 18 Jahren, 279 zwischen 18 und 49, 171 zwischen 50 und 64 und 141 Einwohner waren älter.[11] Die Einwohner lebten in 291 Haushalten. Davon waren 72 Singlehaushalte, 78 Paare ohne Kinder und 111 Paare mit Kindern, sowie 21 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 57 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 186 Haushaltungen lebten keine Senioren.[11]

Einwohnerentwicklung

• 1812:39 Feuerstellen, 302 Seelen[2]
Sannerz: Einwohnerzahlen von 1812 bis 2020
Jahr  Einwohner
1812
  
302
1834
  
312
1840
  
259
1846
  
360
1852
  
407
1858
  
343
1864
  
329
1871
  
376
1875
  
340
1885
  
359
1895
  
410
1905
  
466
1910
  
461
1925
  
455
1939
  
456
1946
  
745
1950
  
700
1956
  
653
1961
  
662
1967
  
718
1970
  
719
1979
  
725
1990
  
885
1995
  
879
2000
  
865
2005
  
832
2010
  
793
2011
  
723
2015
  
810
2020
  
769
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: LAGIS[2]; nach 1970: Gemeinde Sinntal[12][1]; Zensus 2011[11]

Religion

Katholisch

Hinweisschild der Sannerz-Gemeinschaft

Die Sannerzer Katholiken gehören zur römisch-katholischen Kirchengemeinde Sinntal-Sannerz. Ihr Gotteshaus, die Kirche Mariä Himmelfahrt, befindet sich am Birkenweg 9.[13] Zur katholischen Kirche gehört auch das Jugendhilfezentrum Don Bosco, eine Einrichtung der Salesianer Don Boscos.[14]

Evangelisch

Die evangelisch-lutherischen Einwohner von Sannerz gehören zur evangelischen Kirchengemeinde Schlüchtern-Ramholz.[15] Mitglieder der Freien evangelischen Gemeinde werden von der Ortsgemeinde dieser Freikirche in Sinntal-Weichersbach (Schulwaldstraße 17) betreut.

Bruderhöfer

Die Sannerz-Gemeinschaft, die heute ihr Domizil an der Lindenstraße 13 hat, gehört zur neuhutterischen Bewegung der Bruderhöfer. Sie wurde um 1920 von Eberhard und Emmy Arnold gegründet und musste 1937 auf Druck des nationalsozialistischen Regimes Sannerz verlassen. Zunächst fand sie im Fürstentum Liechtenstein Asyl und später in England. Heute existieren Bruderhöfer-Gruppen in Australien, Großbritannien und in den USA. Im Jahr 2002 kehrte eine Gruppe wieder an den Ursprungsort Sannerz zurück und betreibt seitdem dort einen an die Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urgemeinde angelehnten Bruderhof. Dort leben nach eigenen Angaben etwa 25 Menschen.[16]

Statistik

• 1885:082 evangelische (= 22,84 %), 277 katholische (= 77,16 %) Einwohner[2]
• 1961:137 evangelische (= 20,69 %), 514 katholische (= 77,64 %) Einwohner[2]

Sehenswürdigkeiten

  • Naturlehrpfad der Vogelschutzgruppe Sannerz
  • Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, erbaut 1895

Bildung

Die für Sannerz zuständige Kindergarteneinrichtung liegt im Sinntaler Ortsteil Sterbfritz. In Sannerz selbst befindet sich eine öffentliche Grundschule (Birkenweg)[17] und die Johann-August-Waldner-Schule, eine private Förderschule, die ihren Sitz in der Don-Bosco-Jugendhilfeeinrichtung hat.[18] Weiterführende Schulen finden sich in Schlüchtern (Gymnasien), Altengronau (Haupt- und Realschule) sowie Sterbfritz (Hauptschule). Für die Freizeitgestaltung steht in Sannerz ein Jugendheim am Birkenweg 15 zur Verfügung.

Persönlichkeiten

Literatur

  • Josef Leinweber(†) und Johannes Burkardt: Sannerz. In: Friedhelm Jürgensmeier u. a.: Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Hessen (Germania Benedictina 7 Hessen), Eos, St. Ottilien 2004, S. 913–915. ISBN 3-8306-7199-7.
  • Heinrich Reimer: Historisches Ortslexikon für Kurhessen, Band 14 in der Reihe Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 1926, S. 419
  • Emmy Arnold: A Joyful Pilgrimage: My Life in Community, 3. Auflage, 1999, ISBN 9780874869569, S. 34–59 online; eingesehen am 20. September 2011
  • Literatur über Sannerz nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Gemeinde Sinntal – Gemeindeinformationen. Abgerufen am 12. November 2022.
  2. a b c d e f Sannerz, Main-Kinzig-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  3. Die Angabe zur Geschichte Sannerz’ orientieren sich weitgehend an folgender Darstellung:Homepage der Kommunalgemeinde Sinntal: Sannerz; eingesehen am 20. September 2011
  4. Emmy Arnold: Gegen den Strom. Mein Leben in Gemeinschaft, Rifton (USA) und Robertsbridge (England) 2009, S. 75ff
  5. Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Gelnhausen, Hanau und Schlüchtern und der Stadt Hanau sowie die Rückkreisung der Städte Fulda, Hanau und Marburg (Lahn) betreffende Fragen (GVBl. 330–26) vom 12. März 1974. In: Der Hessische Minister des Innern (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 9, S. 149, §§ 15 und 18 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,0 MB]).
  6. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 377.
  7. Hauptsatzung. (PDF; 529 kB) §; 5. In: Webauftritt. Gemeinde Sinntal, abgerufen im Februar 2019.
  8. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  9. Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S. 158 f. (online bei Google Books).
  10. Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 76.
  11. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 30 und 84, archiviert vom Original am 11. Juli 2021;.
  12. Haushaltssatzung für den Haushaltsplan 2019. (PDF; 2,8 MB) Statistische Angaben. Gemeinde Sinntal, S. 41, archiviert vom Original; abgerufen im Januar 2019.
  13. Homepage der Kommunalgemeinde Sinntal: Katholische Pfarrämter; eingesehen am 20. September 2011
  14. Homepage der Jugendhilfeeinrichtung Don Bosco: Über uns; eingesehen am 20. September 2011
  15. Homepage der Kommunalgemeinde Sinntal: Evangelische Pfarrämter; eingesehen am 20. September 2011
  16. Homepage des Sannerzhauses; eingesehen am 20. September 2011
  17. Gemeinde Sinntal: Bürgerinformationen, S. 14; eingesehen am 20. September 2011
  18. Website der Don-Bosco-Jugendhilfeeinrichtung: Johann-August-Waldner-Schule (Memento vom 5. Mai 2010 im Internet Archive); eingesehen am 20. September 2011

Auf dieser Seite verwendete Medien

Ulrich von Hutten hoc ego genitus sum.JPG
Autor/Urheber:

Andreas Schneider

, Lizenz: Bild-frei

Gedächtnistafel, Geburtsort des Ulrich von Hutten