Sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz (Deutschland)

Der Bestimmtheitsgrundsatz im Sachenrecht verlangt, dass dingliche Rechte nur an einem bestimmten, einzelnen Rechtsobjekt bestehen können.

Allgemeines

Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz gehört neben dem Publizitätsprinzip und dem Grundsatz der Spezialität zu den fünf Grundsätzen im Sachenrecht. Eine Verfügung über Sachen setzt voraus, dass der Gegenstand der Verfügung konkret bestimmt oder zumindest bestimmbar ist. Er gilt nicht nur im Sachenrecht, sondern auch bei der Abtretung von Forderungen muss das Recht als hinreichend bestimmt oder bestimmbar bezeichnet werden. Seine Funktion besteht darin, für Rechtsklarheit zu sorgen.[1]

So ist es beispielsweise nicht möglich, 20 % der Schrauben in einer Kiste zu übereignen. In diesem Fall müsste genau bestimmt werden, um welche Schrauben es sich im Einzelnen handelt. Dies erscheint im Alltag zwar wenig praktikabel, ist jedoch aus rechtlichen Gründen erforderlich. Dieses Prinzip dient auch der Publizität der dinglichen Rechte. Diese wirken absolut, das heißt, gegenüber jedermann. Daher vereinfacht es den Rechtsverkehr, wenn für jeden immer klar erkennbar ist, wer dingliche Rechte an einer konkreten Sache hat.

Anwendung

Der Bestimmtheitsgrundsatz schließt die Übereignung von Sachgesamtheiten aus.[2] Sind Sachgesamtheiten zu übereignen (etwa der Teil eines Lagerbestands), so muss im Vertrag genau geregelt werden, welche einzelnen Sachen konkret gemeint sind. Dazu gehört die Bezeichnung oder Beschreibung jeder einzelnen Sache. Auf der Grundlage des Trennungsprinzips ist die Übereignung einer Sachgesamtheit möglich. Daher kann sich ein Kaufvertrag, Mietvertrag, Pachtvertrag, Leihvertrag, selbst die bloße Übergabe nur auf einen konkreten Gegenstand beziehen. Bei der Sicherungsübereignung hat der BGH in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass „aufgrund äußerer Abgrenzungskriterien für jeden, der die Parteiabreden kennt, ohne weiteres ersichtlich ist, welche individuell bestimmten Sachen übereignet sind“.[3] Im Fall ging es um die Zuordnung des ehelichen Hausrats zur Konkursmasse. Im Anschluss an diese Entscheidung ergab sich eine dogmatische Kasuistik über den Bestimmtheitsgrundsatz.

Insbesondere spielt der Bestimmtheitsgrundsatz bei der Übertragung von Kreditsicherheiten eine große Rolle. Bei allen Sicherungsverträgen muss das Spezialitätenprinzip beachtet werden. Danach müssen die zu bestellenden Sicherheiten nicht nur für Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer, sondern objektiv auch für Dritte (unter Umständen auch den Insolvenzverwalter) genau bezeichnet (individualisiert) und von anderen, nicht haftenden gleichartigen Gegenständen unterscheidbar sein; dabei müssen einfache äußere Abgrenzungskriterien gewählt werden.[4] Sachen müssen so bestimmt bezeichnet sein, dass jeder Kenner des Vertrages sie unschwer von anderen unterscheiden kann.[5] Der Bestimmtheitsgrundsatz ist erfüllt, wenn die typischen Merkmale jeder Sicherheit umfassend beschrieben wurden, so dass eine spätere Identifizierung auch für Dritte ohne größeren Aufwand und ohne Zweifel möglich ist. Erforderlichenfalls sind Skizzen und Standorthinweise oder andere Anlagen den Sicherheitenverträgen beizufügen. Die Bestimmtheit dient neben diesen Abgrenzungsfragen auch dem Schutz anderer Gläubiger.

Bestimmtheit ist regelmäßig bei der Sicherungsübereignung von Sachgesamtheiten erforderlich, die im Bestand wechseln.[6] An Bestimmtheit fehlt es dann, wenn zur Klarstellung außerhalb des Vertrages liegende Umstände mit herangezogen werden müssen.[7] Nicht erforderlich ist, dass die Sachen des Sicherungsgebers und Vorbehaltswaren räumlich voneinander getrennt werden. Es kann vielmehr vereinbart werden, dass das Anwartschaftsrecht am Sicherungsgut auf die Bank übergehen soll.[8] Der Bestimmtheitsgrundsatz ist gewahrt, wenn alle Gegenstände in einem Raum übereignet werden.[9] Soll jedoch ein Teil einer größeren Menge in einem Raum übereignet werden, bedarf es einer eindeutigen Abgrenzung gegenüber dem nicht übereigneten Teil.[10] Hierzu ist erforderlich, dass Markierungen zeigen, auf welche Gegenstände sich die Übereignung erstreckt.[11]

Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz kann nicht ohne weiteres auf Forderungen angewandt werden, weil die Sicherungsabtretung im Schuldrecht des BGB geregelt ist und hier der Bestimmtheitsgrundsatz unbekannt ist. Die gleiche Problematik wie im Sachenrecht ergibt sich, wenn nicht eine Forderung, sondern gleich mehrere abgetreten werden sollen. Dann genügt nach herrschender Meinung bereits die einfache Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderungen. Die Abtretung (bestehender oder künftiger) Forderungen ist wirksam, wenn die abgetretene Forderung eindeutig bestimmt oder zumindest im Augenblick ihres Entstehens nach Gegenstand und Umfang bestimmbar ist.[12] Notwendig und ausreichend ist die Bestimmtheit im Zeitpunkt der Entstehung der Sicherheit (Forderungen, Warenbestand). Bei antizipierten Zessionen (Mantel- und Globalzession) muss Bestimmbarkeit im Zeitpunkt der Abtretungserklärung vorliegen, sodass jedenfalls dann einer Wirksamkeit der Abtretung künftiger Forderungen nichts entgegensteht, wenn die Geschäftsunterlagen zweifelsfreien Aufschluss über das rechtliche Schicksal der zedierten Forderungen geben. Es handelt sich hierbei nicht um eine Frage der Rechtswirksamkeit der Abtretung, sondern ihrer Beweisbarkeit.[13] Die Abtretung künftiger Forderungen (etwa im Rahmen der Globalzession) verlangt die Bestimmbarkeit dieser erst künftig entstehenden Forderungen, auch und gerade wegen des mit diesem kollidierenden verlängerten Eigentumsvorbehalts.[14]

Rechtsfolgen

Stellt sich später heraus, dass ein Rechtsgeschäft nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügt, so erzeugen unbestimmte Sachenrechtsgeschäfte keine Rechtsfolgen.[2] Das gilt auch für die Forderungsabtretung. Fehlt es mithin bei Kreditsicherheiten an der Bestimmtheitserfordernis, sind die entsprechenden Sicherheitenbestellungen nichtig.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jürgen F. Baur/Rolf Stümer, Sachenrecht, 1999, § 4 Rn. 17.
  2. a b Jens Thomas Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, 2006, S. 18.
  3. BGH, Urteil vom 31. Januar 1979, Az.: VIII ZR 93/78
  4. BGH WM 1992, 398.
  5. BGH NJW 1994, 133.
  6. BGH WM 1963, 504.
  7. BGH NJW 1958, 945.
  8. BGH WM 1958, 1024.
  9. BGH NJW 1996, 2654.
  10. BGH NJW 1984, 803.
  11. BGH WM 1977, 218.
  12. BGH NJW 2000, 276.
  13. BGH NJW 1978, 358.
  14. Harm Peter Westermann/Dieter Eickmann/Karl-Heinz Gursky, Sachenrecht, 2011, S. 25.

Literatur

  • Tiedtke, "Bestimmtheit der zu übereignenden Sachen bei teilweiser Sicherungsübereignung von Sachgesamtheiten – Neue Tendenzen in der Rechtsprechung des BGH", WiB 1995, S. 197.