Saalkirche
Eine Saalkirche ist eine in der Regel kleinere Kirche oder Kapelle, deren Innenraum nicht durch Stützen unterteilt ist – mit Ausnahme von Pfeilern für Emporen und einer oder zwei Mittelstützen, wenn ein größerer Dachreiter diese notwendig macht.[1]
Grundrisse
Grundriss der Saalkirche kann, muss aber nicht rechteckig sein; ein Querschiff ist folglich möglich. Bei einem großen Teil der heutigen wie auch der archäologisch nachgewiesenen Saalkirchen ist der Altarraum leicht eingezogen, also etwas schmaler als der Gemeindesaal. Auch ein polygonaler, ein kreisrunder und ein ovaler Kirchenraum ohne freistehende Stützen ist eine Saalkirche. Je schmaler und länger der Innenraum ist, desto eher spricht man von einer einschiffigen Kirche. Kirchen ohne Säulen und Pfeiler, aber mit kreuzförmigem Grundriss werden sowohl als „kreuzförmige Saalkirchen“ wie auch als „einschiffige Kreuzkirchen“ bezeichnet.
Für den Fall der mittelalterlichen Dorfkirchen hat der Kunsthistoriker Erich Bachmann eine Saalkirchen-Typologie mit vier verschiedenen Grundrissen entwickelt, unter denen die rechteckige Saalkirche ohne ausgeschiedenes Altarhaus (Rechtecksaal) der einfachste und der dem Profanbau ähnlichste ist.[2] An der Ostseite erweiterte Grundrisstypen hat Bachmann Apsissaal, Chorquadratkirche und Vollständige Anlage genannt.[2]
Decken
Saalkirchen können eine Holzdecke oder einen zum Kirchenraum hin offenen Dachstuhl haben. Sie können aber auch gewölbt sein, wobei dies der Breite einer Kirche meist abträglich ist. Dabei finden sich außer Tonnengewölben oder den ganzen Raum überspannenden Zeltgewölben auch Gliederungen der Decke in mehrere Joche, die von Kreuzgrat- oder Kreuzrippengewölben überspannt werden. Das Rippengewölbe der Kirche St.-Maurice in der südfranzösischen Kleinstadt Mirepoix überspannt mit 21,40 m Breite das breiteste gotische Kirchenschiff des Mittelalters.
- Einfache Saalkirche mit flacher Holzdecke
- Saalkirche mit Tonnengewölbe und wandständigen Pilastern
- Abseitensaal mit Obergaden über den Seitenkapellen
Geschichte
Vielerorts waren die ersten, heute oft nur noch archäologisch nachweisbaren, Kirchen Saalkirchen (siehe z. B. die karolingischen Dreiapsidenkirchen). Für lange Zeit waren dem Bau von Kirchen mit Raumbreiten, die ohne Stützen überdacht werden konnten, enge Grenzen gesetzt. Daher wurden viele ältere Saalkirchen bei Zunahme der Bevölkerung im Kirchspiel durch mehrschiffige Kirchen ersetzt, oder zu solchen Kirchen ausgebaut. In manchen Orten ersetzte man dann einfach eine Außenwand durch eine Arkade und baute ein zusätzliches neues Kirchenschiff. Damit entstand dann als neue Kirche eine zweischiffige Kirche.
Mit der Entwicklung neuer Techniken und besserer Baustoffe konnten nach der Spätgotik aber auch größere Räume überspannt werden. Außerdem wurde im Verlauf der Reformation die christliche Bescheidenheit wiederentdeckt. Daher wurden etliche im Dreißigjährigen Krieg oder z. B. im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstörten Hallenkirchen und Pseudobasiliken als Saalkirchen neu wiederaufgebaut. Dabei wurde die äußere Erscheinung des Kirchenschiffs oft kaum verändert. Hinzu kam, dass Säulen in der Kirche unbeliebt wurden, weil sie die Sicht auf den Altar verstellten und außerdem wollte man sich in der beginnenden neuen Zeit von der bisher vorherrschenden Gotik absetzen. Daher hatte ein sehr großer Anteil der in dieser Zeit entstehenden Kirchen-Neubauten die Form einer Saalkirche.
Im Historismus wurden wieder einige Hallenkirchen und Basiliken gebaut. Von den zahlreichen im Zweiten Weltkrieg zerstörten mehrschiffigen Kirchen wurden wiederum einige beim Wiederaufbau zu Saalkirchen umgebaut.
Besondere Formen
Wandpfeilerkirche und Abseitensaal
Um die seitlichen Kräfte abzufangen, die bei der Überwölbung breiter Räume auftreten, verwendete man in der Renaissance und im Barock vorzugsweise Wandverstärkungen auf der Innenseite der Außenmauern. Stehen diese Wandverstärkungen nur wenig vor, so spricht man von einer Wandpfeilerkirche. Auch einige Hallenkirchen sind Wandpfeilerkirchen, so die Frauenkirche in München. Stehen die Mauerrippen weiter vor, so entstehen Nischen, die man als Abseiten bezeichnet. Bei katholischen Bauten waren diese Abseiten zur Einrichtung von Kapellen beliebt. Daher wurden Abseitensäle vor allem in katholischen Kirchen errichtet. Diese Nischen können bis zur Saaldecke reichen, aber auch so niedrig enden, dass sich darüber auf die Vorderenden der Trennwände ein Obergaden mit Fenstern stützt. So ähnelt der Raumeindruck dem einer Basilika, obwohl es keine Seitenschiffe gibt.
- Konstantinbasilika in Trier, baulich eine Saalkirche
- Stiftskirche in Stuttgart, früher Hallenkirche, jetzt Abseitensaal
- Osloer Dom, kreuzförmige Saalkirche
Querschiffiger Saal
Saalkirchen sind in der Regel der Länge nach ausgerichtet, Altar und Chor befinden sich an einer der schmaleren Seiten und sind im Mittelalter stets nach Osten ausgerichtet (geostet). Seit der Reformation gibt es Predigtkirchen und sogenannte querschiffige Saalkirchen, kurz Querkirchen, deren Kanzel und vermehrt dann auch Altarbereich die Längsseite einnimmt.
Saalkirchen (Auswahl)
Deutschland
Baden-Württemberg
- Stiftskirche in Stuttgart, bis zum Zweiten Weltkrieg eine gotische Staffelhalle, seit dem Wiederaufbau ein Abseitensaal, jedoch ohne Obergaden.
Bayern
- Dreieinigkeitskirche in Regensburg, ursprünglicher Name Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit, eine protestantische, frühbarocke, säulenlose Saalkirche in der Gesandtenstraße in der Altstadt. Die Kirche wurde im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges von 1627 bis 1631 nach Plänen von Hanns Carl erbaut und war gegen Ende der Kämpfe um Regensburg (1632–1634) bis auf den noch heute fehlenden Südturm fast fertig gestellt.
Die Kirche war eine der ersten evangelisch-lutherischen Kirchen-Neubauten in Bayern. Der Verzicht auf tragende Säulen im Kirchraum auch für die umlaufenden Emporen hatte zur Folge, dass das Tonnengewölbe, das das Kirchenschiff überwölbte, im Dachstuhl rückverankert werden musste. Das Tonnengewölbe musste im Dachstuhl so aufgehängt werden, dass die Dachlast von Tonne und Dach nur von den Außenmauern der Kirche getragen wird. Es war der Zimmermeister Lorenz Friedrich, dessen handwerkliches Können dieses bauliche Kunststück, das noch heute im Dachstuhl von Fachleuten bewundert wird, ermöglichte. Auch die Wölbung der Decke des Chores wurde mit der gleichen Bautechnik ermöglicht. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde für die protestantische Fürstin Therese von Thurn und Taxis, die sich ausbedungen hatte, nach ihrer Heirat protestantisch bleiben zu können unterhalb der Orgelempore eine Loge errichtet, die von einer hölzernen Säule getragen werden musste. Diese sogenannte Fürsten-Loge und die zugehörige tragende Säule sind heute im sonst säulenlosen Kirchraum eine auffällige Sehenswürdigkeit.
Berlin
Brandenburg
- Ev.-luth. Kirche zu Friedersdorf (Spree), Ortsteil der Stadt Neusalza-Spremberg, Landkreis Görlitz
- Französische Kirche in Potsdam, 1752/53, ovaler Grundriss, Altarbereich ist die leere Mitte
- Heilandskirche am Port von Sacrow bei Potsdam, welche durch den umlaufenden Gang jedoch von außen den Eindruck einer Basilika vermittelt
Hessen
- Johanniskirche in Frankfurt-Bornheim, eine barocke Saalkirche.
- Pfarrkirche St. Jakobus in Rüdesheim
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
- Bonifatius-Kirche Arle, Ostfriesland[3]
- Jakobikirche in Hildesheim.
- Seminarkirche in Hildesheim.
- St.-Sixtus- und Sinicius-Kirche Hohenkirchen[4]
- Pfarrkirche St. Vitus in Löningen, größte pfeilerlose Saalkirche Deutschlands
- Kirche zum Heiligen Kreuz Pakens[4]
- St.-Jakobi-Kirche (Peine)
- St.-Martin-Kirche Tettens[4]
- St.-Johannes-Kirche Waddewarden[4]
- St.-Elisabeth-Kirche Westrum[4]
- St. Cosmas und Damian (Wiarden)[4]
- Evangelisch-lutherische Kirche Wiefels[4]
- Evangelisch-lutherische Kirche Wüppels[4]
Nordrhein-Westfalen
- Kath. St. Johannes Evangelist Kirche in Gernsdorf
- St. Maurinus in Leverkusen-Lützenkirchen
- ev. reform. Kirche Freudenberg in Freudenberg NRW (Siegerland)
Rheinland-Pfalz
- Saalkirche in Ingelheim
- Konstantinbasilika in Trier, etwa 305–311 als Palastaula errichtet, Deutschlands älteste Saalkirche
Sachsen
- Christuskirche in Dresden-Strehlen, Jugendstil
Österreich
- Pfarrkirche Obritzberg, Niederösterreich
- Pfarrkirche Stainach, Steiermark
Schweiz
- Kapelle St. Agatha Disentis
- Reformierte Kirche Elgg, Kanton Zürich
Frankreich
- Kathedrale von Albi, gotischer Abseitensaal
- Kathedrale Saint-Maurice von Angers, einschiffige Kreuzkirche mit Kreuzgratgewölben
- Kathedrale Saint-Léonce von Fréjus
- Sainte-Chapelle der Conciergerie von Paris, oberer der beiden Kirchenräume
Norwegen
- Bonifatius-Kirche Arle
- Johanniskirche in Frankfurt-Bornheim, barock
- Kirche St. Johannes Evangelist Gernsdorf
- Saalkirche als Dorfkirche (Berlin-Giesensdorf)
- St.-Sixtus- und Sinicius-Kirche Hohenkirchen
- Evangelisch-lutherische Kirche Middoge
- St.-Severinus- und Jacobus-Kirche Minsen
- Kirche zum Heiligen Kreuz Pakens
- Innenansicht von St. Jakobus Rüdesheim
- (c) Udo und Joan Fugel, CC BY-SA 2.0St.-Martin-Kirche Tettens
- St.-Johannes-Kirche Waddewarden
- St.-Elisabeth-Kirche Westrum
- St.-Cosmas-und-Damian-Kirche Wiarden
- Evangelisch-lutherische Kirche Wiefels
- Evangelisch-lutherische Kirche Wüppels
- Evangelisch-lutherische Kirche (alte Kapelle) Wommelshausen, Südansicht
Querschiffige Saalkirchen (Auswahl)
- Evangelisch-lutherische St.-Pauls-Kirche in Dinkelsbühl, 1840–1843 in einem historisierenden, damals byzantinisch genannten Stil erbaut
- Reformierte Kirche in Lübeck in klassizistischer Revolutionsarchitektur
- St.-Petri-Kirche in Ratzeburg
- Evangelisch-lutherische Kreuzkirche in Sehnde
- Evangelische Schlosskapelle im Alten Schloss in Stuttgart
- Evangelisch-reformierte Kirche in Wölfersheim
Siehe auch
- Querkirche
- Stützpfeilerkirche (Finnland)
Weblinks
- Saalkirche. In: Archipendium.
Einzelnachweise
- ↑ Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 8. Februar 2024), S. 399.
- ↑ a b Erich Bachmann: Dorfkirche. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Band IV, Stuttgart 1955, Sp. 245–274. (Abschrift auf rdklabor.de, abgerufen am 23. Juni 2024)
- ↑ Kirchengemeindelexikon: Arle, abgerufen am 2. März 2019.
- ↑ a b c d e f g h Axel Bürgener, Klaus Siewert: Saalkirchen im Wangerland, Verlag "Auf der Warft", Münster – Hamburg – Wiarden 2015, ISBN 978-3-939211-97-6.
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Saalkirche in Garz, Innenraum
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Scheme of an aisleless church with lateral chapels and a clerestory
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Die ev.-luth. Kirche St. Severinus und Jacobus (Schutzpatrone) ist die nördlichste Kirche des Wangerlandes und der gesamten ostfriesischen Halbinsel. Die Vorläuferkirche soll der Sage nach auf den Erzbischof Aldag von Bremen (953–988) zurückgehen. Die jetzige Kirche ist eine romanische Saalkirche aus der Zeit um 1250.
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St. Jakobus Rüdesheim
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Oslo Domkirke, kongestol og orgel. Lambert Daniel Kastens sto for byggingen av barokkorgelet i 1720-årene og det ble ferdig i 1727. Det er ingen piper bevart fra dette, men selve orgelfasaden er fremdeles i bruk.
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Scheme of an aisleless church, here with a horizontal ceiling
Drawing of the relaunch of the Französische Kirche (French Reformed Church) in Potsdam (FR: Temple de Potsdam) in 1833_34